US-Bezirksrichter ist sauer

Hat Google Beweise vernichtet?

30.03.2023
Von Redaktion Computerwoche
Google hat wieder einmal Ärger mit der US-Justiz. Der Suchmaschinen-Primus soll in einem Prozess, in dem es um einen etwaigen monopolistischen Missbrauch des Play Store geht, Beweise vernichtet haben.
US-Bezirksrichter James Donato bezichtigt Google, Beweismaterial in Form von Chat-Protokollen vernichtet zu haben.
US-Bezirksrichter James Donato bezichtigt Google, Beweismaterial in Form von Chat-Protokollen vernichtet zu haben.
Foto: Sergei Elagin - shutterstock.com

Bezirksrichter James Donato kommt in seinem Urteil zu dem Schluss, dass Google Chat-Verläufe absichtlich "verlorengehen ließ", um deren Verwendung im Rechtsstreit zu verhindern. Donatos Urteil erging im Rahmen eines kartellrechtlichen Verfahrens, das Klagen von Epic Games, den Generalstaatsanwälten von 38 Bundesstaaten und dem District of Columbia sowie der Match Group und Verbraucherschützern zusammenführt. Der Fall wird vom US-Bezirksgericht für den nördlichen Bezirk von Kalifornien untersucht und soll ab dem 6. November 2023 vor einem Geschworenengericht verhandelt werden.

Google habe in Bezug auf die Speicherung von Chat-Verläufen unter Mitarbeitenden, die in den Prozess involviert sind, eine "Don't-ask-don't-tell-Politik" verfolgt, so der Richter. Die Aufbewahrungspflichten seien nicht wahrgenommen worden, schreibt Donato, der noch keine Strafe verhängte, sondern Google erst einmal nur die Anwaltskosten der Klägerseite aufdonnerte. Im nächsten Schritt müsse erst die Beweissicherung abgeschlossen werden, dann lasse sich genauer feststellen, welche Teile der Chat-Kommunikation vermisst würden.

Play-Store-Geschäftsmodell in der Kritik

Im Mittelpunkt des übergeordneten Verfahrens steht das Vertriebsmodell des Google Play Store. Die Kläger behaupten, Google habe den Vertrieb von Android-Apps illegal monopolisiert und mit seinem Verhalten die Klägergruppen auf unterschiedliche Weise geschädigt. Vor allem die Kommissionszahlungen, die Google für App- und In-App-Verkäufe verlangt, und Googles Kontrolle über die Distribution von Android-Apps sind den Klägern ein Dorn im Auge.

In Donatos Urteil heißt es, Google habe dem Gericht und den Klägern falsche Informationen über seine Praktiken zur automatischen Löschung interner Chats gegeben hat. Zudem habe das Gericht unnötig viele Ressourcen aufwenden müssen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. So sei es zu mehreren Anhörungen und aufwändigen Beweisverfahren gekommen, in unzähligen Stunden hätten umfangreiche Schriftsätze geprüft werden müssen. Die ganze Zeit über habe Google versucht, das Problem herunterzuspielen und eine Haltung an den Tag gelegt, die der Bedeutung des Vorgangs nicht gerecht werde. Die Verteidigung habe auch Unwahrheiten über die technischen Möglichkeiten, einzelne Chat-Verläufe zu speichern, von sich gegeben.

Google hat Chat-Kommunikation nicht gespeichert

Die Klägerseite vermutet, dass Google im Rechtsstreit bewusst auf Chat-Kommunikation gesetzt hat, in der Hoffnung, dass diese Art der Kommunikation als weniger formell und vielleicht nicht prozessrelevant durchgehen könnte. Das Unternehmen hat sich offensichtlich gegen die Möglichkeit entschieden, die gesamte Chat-Kommunikation aufzubewahren, nachdem der Rechtsstreit begonnen hatte.

Google setzte den Anschuldigungen in einem Schriftsatz vom November 2022 entgegen: "Die Kläger können nicht annähernd beweisen, dass Google mit der Absicht gehandelt hat, ihnen Beweise vorzuenthalten." Die Aufzeichnungen zeigten vielmehr, dass Google relevante Beweise habe sichern wollen, indem Chats mit der Verlaufsspeicherung automatisch aufbewahrt wurden und alle Nutzer die Möglichkeit gehabt hätten, "History-on" zu aktivieren. Auch seien die zuständigen Mitarbeitenden mehrfach erinnert worden, dass Chats, die für Rechtsstreitigkeiten relevant sein könnten, aufbewahrt werden müssten.

Zwei weitere Klagen der US-Justiz laufen

Gegen Google läuft seit Anfang 2023 auch eine Klage des US-Justizministeriums, das dem Internet-Riesen unfairen Wettbewerb im Online-Werbemarkt vorwirft. Demnach nutzt Google wettbewerbsfeindliche und teils auch illegale Methoden, um alles aus dem Weg zu räumen, was seine Vormachtstellung in diesem Geschäft angreift. Gefordert wird eine Zerschlagung des Geschäftsbereichs, in dem Google seine Technologie rund um die Platzierung von Anzeigen im Netz bündelt (Ad-Tech). Justizminister Merrick Garland sagte, Googles Dominanz bei digitaler Werbung schädige Kunden und Werbetreibende.

Während dieser Prozess bereits zu Zeiten der Präsidentschaft von Joe Biden angestrengt wurde, läuft auch noch ein älteres Verfahren gegen Google, das die Trump-Administration in die Wege geleitet hatte. Im Oktober 2020 wurde Google von der US-Justiz angeklagt, seine Macht als führende Internet-Suchmaschine zu missbrauchen, indem Exklusivitätsvereinbarungen mit Partnern getroffen würden, die ihnen die Vorinstallation konkurrierender Suchmaschinen verbiete. Das soll vor allem auf mobilen Endgeräten der Fall sein, oft könnten Verbraucher die Google-Produkte nicht löschen. Hier soll es im September 2023 ein Urteil geben. (hv)