Hat die Gates-Company von Kunden zuviel abkassiert?

Hat die Gates-Company von Kunden zuviel abkassiert? Microsoft soll Compaq und Dell bevorzugt haben

15.01.1999
MÜNCHEN (CW/IDG) - Im Zuge der Antitrust-Verhandlungen gegen Microsoft sind neue Vorwürfe an die Öffentlichkeit gelangt. Der Konzern soll loyale Geschäftspartner wie Compaq mit deutlich niedrigeren Preisen für Windows-Lizenzen belohnt haben. Eine Verbraucherschutzgruppe behauptet zudem, die Gates-Company habe Kunden insgesamt zehn Milliarden Dollar zuviel an Lizenzkosten abverlangt.

Eines der bestgehüteten Geheimnisse der PC-Branche könnte schon bald gelüftet werden. Wie das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Informanten berichtet, hat Microsoft über Jahre hinweg loyale Partner mit besonders billigen Windows-Lizenzen belohnt, unbequeme Abnehmer dagegen mit höheren Gebühren abgestraft. Insbesondere der PC-Marktführer Compaq habe von diesen Praktiken profitiert. Weniger treue Kunden wie Gateway oder IBM, die zum Teil beabsichtigten, auf ihren PCs auch Software anderer Hersteller zu installieren, mußten deutlich mehr bezahlen.

Die als vertraulich geltenden Informationen sollen zunächst unter Ausschluß der Öffentlichkeit in den Antitrust-Prozeß vor dem Washingtoner Bezirksgericht eingebracht werden. Microsoft und mehrere PC-Hersteller, darunter an vorderster Front der Direktanbieter Dell, hatten nach Bekanntwerden der Informationen beantragt, die Daten unter Verschluß zu halten.

Der Distriktrichter Thomas Jackson soll nun entscheiden, ob die einschlägigen Informationen, die offenbar direkt aus Microsofts interner Preisdatenbank stammen, öffentlich zugänglich gemacht werden. Verschiedene Nachrichtenorganisationen einschließlich des "Wall Street Journal" hatten darum gebeten. Erhärten sich die Vorwürfe, könnten die Kläger im Prozeß gegen den Softwaregiganten neue Munition erhalten.

Weiteres Ungemach droht Microsoft durch eine Studie, die unter Federführung des US-Verbraucherverbandes Consumer Federation of America (CFA) und weiterer Organisationen herausgegeben wurde. Darin wird der Konzern unter anderem beschuldigt, seine Marktmacht mißbraucht und das Betriebssystem Windows im Vergleich zu Konkurrenzprodukten zu überhöhten Preisen verkauft zu haben. In den vergangenen drei Jahren hätten Kunden weltweit insgesamt zehn Milliarden Dollar zuviel für die Software bezahlt. Würden derlei Aktivitäten nicht unterbunden, sei damit zu rechnen, daß Verbraucher in den kommenden zwei Jahren weitere 15 Milliarden zuviel an Lizenzgebühren entrichteten.

Im laufenden Prozeß relativierte Richter Jackson unterdessen jüngst gemachte Äußerungen, die geplante Übernahme von Netscape durch AOL könne "eine wesentliche Veränderung der Diskussionsgrundlage" darstellen (siehe CW 1/99, Seite 6). Auslöser war ein Interview mit AOL-CEO Steve Case in der "Washington Post". Darin betont er, die Fusion habe keinerlei Auswirkungen auf das Antitrust-Verfahren, da AOL nicht mit Windows konkurrieren werde. Der Chefankläger der US-Justiz, David Boies, deutete an, Case werde möglicherweise als weiterer Zeuge vor das Washingtoner Gericht geladen.

Als letzter der zwölf Zeugen der Anklage wurde vergangene Woche der MIT-Wirtschaftsprofessor Franklin Fisher gehört. Dieser hatte schon in der Vergangenheit wiederholt argumentiert, der Softwarekonzern halte eine monopolähnliche Position, gefährde mit seinen Geschäftspraktiken den Wettbewerb und verhindere Innovationen.

Im Kreuzverhör versuchte Microsoft-Anwalt Michael Lacovara die Glaubwürdigkeit Fishers zu untergraben. Die Kontrahenten stritten mehrere Stunden lang über die Gültigkeit und Genauigkeit der von Fisher zusammengetragenen Daten zum Browser-Markt. Fishers Rolle als Wirtschaftsexperte des US-Justizministeriums ist insofern bemerkenswert, als er im Antitrust-Prozeß gegen IBM in den siebziger Jah-ren als wichtigster Zeuge in Wirtschaftsfragen für Big Blue aussagte.