Kompatible Anbieter müssen jeder Wendung der Marktführer zuvorkommen:

Hase und Igel in der Datenverarbeitung

14.02.1986

ESCHBORN - Wer Terminals anbieten will, die zu denen der Branchenriesen wie DEC oder IBM kompatibel sind, der muß immer die Nase vorn haben. Die Anbieter von Mainframes besitzen nämlich eine ganze Reihe Möglichkeiten, der kleinen Konkurrenz das Leben schwerzumachen.

Kompatibler Anbieter von Bildschirmterminals speziell im IBM - 3270 - Bereich zu sein, bedeutet in erster Linie die Einbindung des kompatiblen Produktes in das von der

IBM vorgegebene Gesamtrechner - Netz und die Sicherstellung von identischen Funktionen zum Originalgerät. Die Einbindung in das IBM - Rechnerkonzept geschieht über zwei verschiedene Strategien. Das sind zum einen die steckerkompatiblen Anbieter, die an jeder beliebigen Stelle im Verbund ihre Geräte anschließen können. Zum anderen existieren die funktionskompatiblen Anbieter, die eine einzige Schnittstelle zum IBM - Host beanspruchen und danach geschaltet ihre eigenen Cluster verwenden.

Dem Kunden wird beim Einsatz von steckerkompatiblen Geräten jederzeit absolute Herstellerneutralität geboten. Hierin liegt auch wiederum der Vorteil für IBM. Im Gegensatz zu den funktionskompatiblen Geräten, die nach der Schnittstelle zu IBM eigene Methoden verwenden und später nicht mehr eins zu eins ausgetauscht werden können, ist es für IBM ein leichtes, steckerkompatible Geräte sukzessive abzulösen. Je näher bei den funktionskompatiblen Geräten die Schnittstelle am Host angesiedelt ist, um so mehr herstellerabhängig wird der Anwender. Das Argument der steckerkompatiblen Anbieter - die Austauschbarkeit und Herstellerunabhängigkeit - kann sich sehr schnell zu deren Nachteil auswirken.

Beiden Gruppen gemeinsam stellt sich die Problematik, daß sie immer nur zu dem kompatibel sein können was von der IBM an Features und Funktionen bereitgestellt wird. Gravierende technische Änderungen wie zum Beispiel der Umstieg von der BSC - Welt in die SNA - Welt, erforderten bei den Herstellern kompatibler Geräte eine enorme Flexibilität und großen Entwicklungsaufwand. Es werden in einem solchen Fall zwar weiterhin BSC -Geräte verkauft, die in der Praxis jedoch geübte Ankündigungspolitik verunsichert den Markt total. An diesem klassischen Beispiel kann auch noch die unterstützende Preispolitik beobachtet werden. Indem die Terminals der neuen Generation preisgünstiger angeboten werden, wird der Bedarf an denen der älteren Generation zurückgedrängt. Solche einschneidenden Änderungen können den Markt zeitweise für kompatible Anbieter blockieren.

Ein weiteres Problem ist die Position der IBM als eindeutiger Trendsetter in diesem Bereich. Bereits ein Jahr vor der Ankündigung des IBM 3178 - Terminals gab es einen kleinen, kompakten 12 - Zoll - Monochrombildschirm auf dem Markt. Dieser Kompaktbildschirm fand jedoch keine große Resonanz bei den Anwendern. Das änderte sich schlagartig, als IBM den Kompaktbildschirm 3178 auf den Markt brachte. Wer sich in der 3270 - Welt befindet, dem wird der farbige IBM 3179 bekannt sein. Zwei Hersteller kompatibler Terminals haben nun einen kompakten farbigen Bildschirm im derzeitigen Angebot. Spekulativ kann man nun fragen, wann auch die IBM einen solchen ankündigt.

So müssen die kompatiblen Anbieter stets einen Vorlauf in ihren Systemen von den Zusatzfunktionen her haben, um über erweiterte Features attraktiv zu bleiben. Spekulieren kann man auch über Verkaufs - / Marketing - Strategien im Terminalbereich. Die Preissituation bei den Farb - und den monochromen Bildschirmen war bis vor nicht allzu langer Zeit sehr unterschiedlich. Der Farbschirm kostete wesentlich mehr als die monochrome Version.

Durch Gleichschaltung beider Preise wird es für die Kunden nun sehr attraktiv, Farbschirme einzusetzen. Ist die Akzeptanz der Farbschirme innerhalb eines Unternehmens erst einmal geschaffen, so ist es nur eine Frage der Zeit, wann der Großteil der Monochromen ausgetauscht wird. Dadurch kann die IBM ihre Basis sichern. Als Problematik von besonderer Bedeutung stellt sich für die Hersteller kompatibler Bildschirmterminals: der Einsatz von Microcode in den IBM - Steuereinheiten dar. Mit großvolumigen Microcodes unter Copyright sowie einem speziellen grafischen Terminal, welches mit Zusatzkomponenten versehen ist und von der Steuereinheit per down line load geladen wird, schottet IBM den Markt für grafische Anwendungen derzeit ab. Die Hersteller kompatibler Geräte brauchen in der Regel sechs Monate, um ein Äquivalent vorzustellen.

Norbert Schmidt ist Bereichsleiter Marketing bei Telex Computer Products in Eschborn.