Westliches Computer-Embargo macht sich bei Ersatzteilversorgung und im Softwarebereich bemerkbar:

Harte Zeiten für sowjetische IBM-Nachbauer

07.08.1981

MÜNCHEN - Nicht nur mit einem gewaltigen Rüstungsetat für 1982 begegnet der US-Präsident Reagan dem sowjetischen Imperialismus. Auf dem Gipfeltreffen in Ottawa drängte Ronald Reagan seine Gesprächspartner, noch schärfere Maßstäbe an den Export von Technologien in die Ostblockstaaten zu legen. Bei den für die Computerindustrie Verantwortlichen in der UdSSR ist mittlerweile eine Diskussion um die Abkehr von westlichen Architekturmodellen in Gang gekommen. Die Abkehr heißt vor allem: weg von IBM.

Fast gleichzeitig mit der Aufhebung des US-Getreide-Embargos gegen die Sowjetunion setzte sich Reagan für eine weitere Verschärfung der Exportkonditionen für die Ausfuhr hochwertiger Technologien in die Sowjetunion ein. Bereits damals hatte ein Vertreter der amerikanischen Regierung davon gesprochen, die UdSSR technologisch ausbluten zu lassen.

Vor rund eineinhalb Jahren hatte der damalige Präsident Carter als Reaktion auf den russischen Einmarsch in Afghanistan die Cocom-Liste verschärft. Innerhalb der Nato-Mitgliedstaaten regelt das Coordinating Committee mit Sitz in Paris über diese Liste, welche Produkte nicht in kommunistische Länder ausgeführt werden dürfen und für welche Erzeugnisse es der Zustimmung der jeweiligen Regierung bedarf. Enthalten sind vorrangig solche Produkte, die für Rüstungszwecke verwendet werden könnten. Computer-Hard- und -Software machen einen beachtlichen Teil der Güter aus, für die die Regierung des exportierenden Landes ihre Zustimmung zum Export verweigern kann oder die überhaupt nicht in die Länder ausgeführt werden dürfen, die sich im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zusammengeschlossen haben. Die übrigen Regierungschefs sagten Reagan, wie es in dem Abschluß-Kommunique heißt, ihre Unterstützung zu.

Das bereits 18 Monate andauernde Embargo macht sich in der UdSSR vor allem in einem Mangel an Ersatzteilen für die vorhandenen Rechner bemerkbar.

Falls diese Abtrennung von den Ersatzteilen die kommenden drei oder vier Jahren über anhält, so überlegen läßt sich aber die Abhängigkeit von westlichen Computern nicht nur über einen Wechsel in der Architektur vermindern. Um die Wirtschaft, weniger die Rüstung am Laufen zu halten, müssen sich die RGW-Staaten bald eine Möglichkeit zum Aufbau einer echten, ostblockweiten Computerindustrie einfallen lassen.

die für die Computerversorgung Verantwortlichen in den sowjetischen Ministerien, wäre jetzt eine Abkehr von den bisher gebauten IBM-kompatiblen Modellen angebracht. Gescheiter wäre, so heißt es in der Diskussion über die zukünftige Entwicklung der sowjetischen, oder besser gesagt RGW-Computerindustrie, eine an einheimischen Technologien orientierte Computergeneration aufzubauen. Die Entscheidung muß nach Ansicht von Beobachtern der sowjetischen Computerszene innerhalb der nächsten sechs Monate fallen. In dem ohnehin kompliziert zusammengesetzten sowjetischen Planungs-, Informations- und Kontrollsystem würden die nicht erfolgten Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen in Computer sonst gravierende Folgen zeigen.

Gegenwärtig, so schätzen Fachleute, sind in der UdSSR alleine insgesamt 42 000 Rechner installiert. Vier Prozent davon oder 1700 Computer aller Größenordnungen wurden aus den USA oder aus Westeuropa in die Sowjetunion eingeführt. Nur zehn oder 15 Rechner davon seien als echte Großanlagen zu bezeichnen. An allen wichtigen Schaltstellen der Wirtschaft wie beispielsweise bei der nationalen Planungsbehörde Gosplan arbeiten aus dem Westen importierte Computer.

Am meisten verbreitet ist in der UdSSR das IBM 360-Duplikat, genannt ESER. Die Massenproduktion begann Mitte der 70er Jahre. 1970 noch schätzten Osteuropa-Kenner den installierten Computerpark auf 4200 Stück. In der westlichen Welt hatte der IBM-Rechner Mitte der 60er Jahre Verbreitung gefunden. Die Programme stammen in der Hauptsache von IBM. Die Techniker im Hard- und Softwarebereich stützen sich bei ihrer Arbeit auf IBM-Handbücher. Neben der Ersatzteillieferung macht sich das Embargo vor allem im Software-Bereich bemerkbar. Wegen des ausgeprägten Mangels an Programmierern