Wettbewerb beim Cloud Computing

Hart umkämpfter Cloud-Markt

10.09.2013
Von  und
Dr. Carlo Velten schreibt als Experte zu den Themen Cloud-Platforms und -Developers, Enterprise Cloud Management und Digital Business. Dr. Carlo Velten ist CEO des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research AG. Seit über 15 Jahren berät Carlo Velten als IT-Analyst namhafte Technologieunternehmen in Marketing- und Strategiefragen.
Steve Janata schreibt als Experte zu den Themen Cloud Markt & Wettbewerb, Cloud Security und Cloud Ecosystems. Als IT-Analyst beobachtet und bewertet er seit über 15 Jahren den IT-Markt. Er ist Vorstand bei der  Crisp Research AG und engagiert sich politisch im Managerkreis der Friedrich Ebert Stiftung zum Thema Digitale Wirtschaft und Gesellschaft.
Cloud Computing erobert nicht nur die Unternehmens-IT. Der Trend führt auch zu einer veränderten Wettbewerbslandschaft, in der die großen Player ihre Skalenvorteile ausspielen.

Aller Voraussicht nach stehen wir noch immer erst am Anfang des Wandels. Nach aktuellen Prognosen von Experton werden 2013 die Ausgaben der deutschen Unternehmen für Cloud-Technologien, Dienstleistungen und entsprechende Beratungs- und Integrationsservices bei rund 4,61 Milliarden Euro liegen und in diesem Jahr erstmals die Fünf-Prozent-Hürde erreichen - gemessen an den IT-Gesamtausgaben in Deutschland.

Der Cloud-Markt ist damit schon rund viermal so groß wie das gesamte Mainframe-Business. Die ehemals stolze Königsdisziplin der IT, in der schon die Einstiegssysteme rund eine Million Euro kosten, ist von einem völlig neuen Computing-Modell zur Nischentechnik degradiert worden. So senkt die Cloud nicht nur die Einstiegshürden deutlich ab und gibt auch kleinen und mittelständischen Unternehmen die Chance, professionell gemanagte und hochskalierbare IT-Ressourcen zu geringen und transparenten Preisen zu nutzen. Auch verändert Cloud Computing strukturell die Entwicklungs- und die Distributionsprozesse von Software. Es ist daher nicht verwunderlich, dass gerade junge Startups und Medienfirmen auf den neuen Trend setzen und zu einem Gutteil die Innovationen auf der Anwendungsseite treiben.

Foto: Experton Group 2013

Die großen Public-Cloud-Plattformen à la Amazon AWS, Google Cloud Platform oder Microsoft Azure sind der mediale Nabel der Cloud-Welt. An der Entwicklung dieser drei Plattformen lassen sich die großen strukturellen Trends im Markt relativ gut ablesen.

IaaS und PaaS wachsen zusammen

Die Relaunches der Azure sowie der Google Cloud Platform haben gezeigt, dass hochintegrierte Platforms as a Service (PaaS), die den Nutzer in ein technisches Korsett pressen, nur für wenige Anwender beziehungsweise Applikationen geeignet sind. Erst in der Kombination mit frei konfigurier- und kombinierbaren Infrastructures as a Service (IaaS) werden die PaaS wieder attraktiv für Unternehmensanwender und professionelle Entwickler.

Diese wollen nämlich ihre Applikationen nicht in einer "Black Box", sondern in einer kontrollierbaren Umgebung betreiben. Anspruchsvolle Anwender erwarten, dass die Public-Cloud-Plattformen eine Vielzahl an Rechen-, Speicher-, Netz- und Development-Services bereitstellen, die standardisiert und untereinander kombinierbar sind, um auch komplexe Betriebsarchitekturen (Multi-Tier-Architektur, hybride Cloud) zu ermöglichen. Diesem Trend folgend, stellen nun auch Google und Microsoft Azure Infrastructure as a Service über ihre international verteilten Rechenzentrums-Infrastrukturen zur Verfügung.

Aggressiver Preiskampf

Foto: rangizzz, Shutterstock.com

Der Aufbau eines möglichst großen Kundenstamms beziehungsweise die Aggregation eines möglichst großen Workload-Volumens auf der eigenen IaaS/PaaS-Plattform schafft für die Provider die Möglichkeit, Skalierungsvorteile zu nutzen. So verbessern sich die Einkaufskonditionen für Equipment ebenso wie die anteiligen Administrations- und Managementkosten. Größe ist im Geschäft mit Public IaaS/PaaS ein eindeutiger Wettbewerbsvorteil.

Diesen spielen Amazon, Microsoft und Google derzeit hart gegen ihre Konkurrenz aus. So hat Amazon AWS seit 2006 insgesamt 23-mal die Preise für seine unterschiedlichen Services reduziert - was für einige Services eine Reduktion von bis zu 75 Prozent gegenüber den ursprünglichen Konditionen bedeutet. Google und Microsoft sind 2012 in den Preiskampf eingestiegen. Das deutet auf ein Business-Modell hin, mit dem die IT-Branche bislang wenig vertraut war: hohes standardisiertes Volumen bei sehr geringen Margen. Eines zeigt sich allerdings über alle Plattformen hinweg - Flexibilität ist relativ teuer! Beispielsweise reduziert Amazon AWS die Preise für die festgebuchten Kapazitäten deutlich stärker als für die "On-Demand"-Instances. Die betriebswirtschaftliche Logik lässt sich auch in der Cloud nicht außer Kraft setzen.

Cloud - aber welche Plattform?

Auch wenn die Public Cloud in aller Munde ist, sollte man im Hinterkopf behalten, dass der Umsatz mit Public IaaS/PaaS noch überschaubar ist. So machen IaaS und PaaS mit kombinierten 342 Millionen Euro Marktvolumen erst 7,4 Prozent des gesamten Cloud-Marktes aus. Die entscheidende Frage lautet daher: Welche Cloud-Plattform wird zukünftig die klassischen Unternehmensanwender überzeugen und zur Verlagerung Workload-intensiver Enterprise-Anwendungen führen?

Hier schneidet Branchenpionier Amazon mit seiner AWS- Plattform bisher schlecht ab. Auch wenn man seit einiger Zeit versucht, mittels neuer Leistungen (Direktanbindung an AWS-Rechenzentren, Premium Support, Partnerprogramm etc.) in den Enterprise-Markt vorzudringen, verlagern die meisten Unternehmen ihre kritischen Anwendungen eher auf die Managed-Cloud-Plattformen vertrauter IT-Service-Provider. Auch Google tut sich hier schwer, das Vertrauen der CIOs zu erlangen. Deutlich besser positioniert ist Microsoft nach dem Relaunch der Azure-Plattform.

Auch durch das große Partnernetzwerk stehen die Chancen hier besser, Enterprise-IT-Work-loads auf die eigene Cloud-Plattform zu holen. Experton sieht Amazon und Microsoft hier auf ähnlich guten Startplätzen. Zusammenfassend lässt sich sagen: AWS hat produktseitig die Nase vorn, Microsoft bringt mittelfristig mehr Vertriebs- und Beratungs-Power auf die Straße.

Schlüsselfertig oder Architektenhaus?

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Rund 2,1 Milliarden Euro werden 2013 in den Aufbau und Betrieb von Private Clouds investiert. Da sich bislang wenige Unternehmen mit Enterprise-Workloads in die Public Cloud trauen, sind Private Clouds derzeit das Betriebsmodell der Wahl. Die Frage für viele CIOs lautet gegenwärtig: Welche Architektur beziehungsweise Sourcing- und Implementierungsstrategie ist die richtige für das eigene Unternehmen?

Den integrierten "Cloud- Technologiestacks" beziehungsweise "Cloud Appliances" kommt dabei eine immer größere Rolle zu. Diese "Converged-Cloud- Infrastructure"-Produkte verbinden Server-, Storage- und Netzwerkkomponenten mit einer Cloud-Management-Software und möglichen weiteren Middleware-Komponenten zu einem vollintegrierten Gesamtsystem. Diese Systeme werden entweder schlüsselfertig und vorkonfiguriert geliefert oder nach entsprechenden Blueprints durch den Kunden aufgesetzt.

Dadurch verkürzt sich die Planungs- und Implementierungsphase für die Anwender deutlich, da die einzelnen Komponenten nicht mehr aufeinander abgestimmt, integriert und zertifiziert werden müssen. Entsprechend sinken die Projektierungskosten der Einführung. Hinzu kommt, dass die meisten Anbieter mit ihren jeweiligen Partnern gemeinsame Support-Organisationen aufgebaut haben (Beispiel VCE für den Vertrieb und Support von Vblock) und der Anwender nur noch einen Ansprechpartner für die gesamte Cloud-Infrastruktur hat.

Dabei liegt allerdings die Tücke im Detail. Denn die Converged Cloud Infrastructures kommen in der Praxis in unterschiedlichen Formen daher, die sich für den Anwender nur schwer voneinander unterscheiden lassen: entweder als vorkonfigurierte und vorkonfektionierte Systeme oder als validierte Architektur-Blueprints. Auch differenzieren sich die Converged Cloud Infrastructures danach, ob die verschiedenen Hard- und Softwarekomponenten von einem oder mehreren Herstellern geliefert und integriert werden (Single Vendor versus Multi Vendor/Allianz).

Foto: Experton Group 2013

Wir empfehlen Anwendern derzeit eine Ausrichtung auf die Multi-Vendor-Ansätze à la Vblock, VSPEX oder Flexpod, da diese nicht nur hoch standardisiert und die Einzelkomponenten zertifiziert sind, sondern auch mehr Sicherheit hinsichtlich eines einseitigen Vendor-Lock-ins bieten. So lassen sich zum Beispiel bei einer Flexpod-Architektur einzelne Komponenten ersetzen beziehungsweise ergänzen, wenn der Anwender dies aus Kosten- oder Strategiegründen erwägt. Entsprechende Anpassungen fallen bei den Single-Vendor-Ansätzen wie IBM Puresystems oder Oracle Engineered Systems deutlich schwerer.

Direkt, indirekt oder Marktplatz

Um von Cloud Computing zu profitieren, müssen die Unternehmen sich erst einmal für eine Marschroute und einige ausgewählte Anbieter entscheiden, deren Cloud- Services dann im Idealfall auch noch gut integrierbar sind. Das ist bei der Fülle des Angebots derzeit nicht so einfach.

Allerdings wird sich die Situation in den kommenden ein bis zwei Jahren substanziell verbessern. Die Transaktionskosten für die Suche, Evaluierung und Aushandlung sowie das Monitoring von Cloud-Services werden sich dank erster Cloud-Marktplätze deutlich reduzieren. Und für die Software- und App-Entwickler öffnet sich langsam ein neuer Vertriebskanal, der auch die internen Abrechnungs- und Provisionsmodelle vereinfacht und das Cloud-Business somit profitabler macht. Dies haben die Marktplätze für mobile Apps ja schon vorgemacht.

Wichtige Fragen nach der Integration der eingekauften SaaS-Lösungen mit den internen IT-Systemen bleiben auch in diesem Modell erst einmal ungelöst. Hier müssen die Marktplatzbetreiber noch hart an der Standardisierung der Services und Schnittstellen (APIs) arbeiten. Fairerweise muss erwähnt werden, dass auch im Fall der klassischen Lizenzierung und des On-Premise-Betriebs diese Integration anfällt. Die Cloud verursacht somit nicht - wie vielfach behauptet - neue Integrationskosten, nur andere. Und viele praktische SaaS-Lösungen, wie beispielsweise Box, kommen auch gut ohne tiefe Backend-Integration aus. (jm)