tds-Chef kritisiert unfaire Geschäftspraktiken im DV-Vertrieb

Hardwareverkäufer beweisen wenig Moral im Ost-Geschäft

03.04.1992

MÜNCHEN (hv) - Enttäuschung und Ernüchterung prägen die Erfahrungen, die DV-Dienstleister Tele-Daten-Service (tds) GmbH in den neuen Bundesländern gemacht hat. Wie andere "West-Unternehmen" hatten sich auch die Heilbronner sehr für die großen Datenverarbeitungszentren (DVZ) interessiert - um nach eingehender Prüfung doch die Finger davon zu lassen.

"Da ticken Zeitbomben in den Schreibtischen", so die Erfahrung von Bernd Jacke, Leiter des Rhein-Main Rechenzentrums in Frankfurt und einer der Geschäftsführer bei tds. Die Kunden der DVZs seien durch die Bank "Zwangskunden" gewesen, die heute ihre Freiheit nutzen und aus der Abhängigkeit von Großrechenzentren ausbrechen wollten. Dieser Exodus habe Unternehmen wie Siemens-Nixdorf und der IBM in jüngster Zeit ein Bombengeschäft beschert. In vielen Fällen hätten sich die Anbieter dabei allerdings höchst unfairer Praktiken bedient.

Als prominentes Opfer der IBM führte tds-Geschäftsführer Günter Steffen beispielhaft das DV-Bauzentrum in Dresden an, dem von Big Blue "uralte Geschichten angedreht" worden seien. Millioneninvestitionen seien getätigt worden, um die marode DV-Landschaft zu sanieren.

Tatsächlich, empört sich Steffen, sei aber nicht etwa eine moderne DV-Umgebung eingeführt worden, sondern ein technisch veralteter 4381-Rechner mit dem Betriebssystem MVS, einem IBM-eigenen Lohn-und-Gehaltsprogramm sowie dem Online-Produkt "Interaktive Finanzsysteme" (IFS), das ebenfalls keineswegs dem heutigen Stand der Technik entspreche. Diese Ausgaben werde das Rechenzentrum nie wieder hereinholen.

Insgesamt zwölf DVZs sind nach Auskünften von Jacke im Osten ausgeschrieben worden; seines Wissens konnte bis heute noch kein einziges an einen Gesellschafter verkauft werden, und auch die Liste der Interessenten werde immer überschaubarer.

Der personelle Overhead ist für tds neben der mageren DV-Ausstattung der wichtigste Grund, die Finger von diesem Geschäft zu lassen. Die DVZs beschäftigten teilweise bis zu 500 Mitarbeiter. Statt dessen haben die Heilbronner in Rostock, Schwerin, Potsdam und Leipzig kleinere Rechenzentren übernommen, in denen vorwiegend Lohn- und Gehaltsabrechnungen durchgeführt werden.

Der Erfolg hält sich allerdings in Grenzen: Durch die allgemeine wirtschaftliche Situation, durch Betriebsstillegungen und das Auslaufen der Null-Kurzarbeit nahmen auch die Großaufträge für Lohn- und Gehaltsabrechnungen dramatisch ab. tds mußte in den neuen Ländern einen Umsatzrückgang von 30 Prozent verschmerzen.

Konsolidierungsmaßnahmen - das Schweriner wurde in das Rostocker Rechenzentrum integriert - sollen dem Ostgeschäft neuen Schwung verleihen, doch Unternehmensgründer Steffen stimmen die "langen Entscheidungsprozesse und unüberschaubaren Besitzverhältnisse" eher skeptisch. "Die Hoffnung, daß drüben alles besser würde, können wir nicht nachvollziehen - im Gegenteil", orakelt der Geschäftsführer.

Besser erging es dem Dienstleister in den alten Bundesländern, weshalb das Unternehmen trotz allem auf eine insgesamt positive Geschäftsbilanz verweisen kann. Der Umsatz stieg 1991 gegenüber dem Vorjahr von 72,3 auf 74,5 Millionen Mark. Die Umsatzrendite vor Steuern lag bei 2,2 Millionen Mark. Das vergleichsweise geringe Umsatzwachstum erklärt tds damit, daß sich das Unternehmen im Rahmen eines Management-Buy-outs vom Bereich Datenerfassung getrennt habe.

Ergiebig waren für das Heilbronner Serviceunternehmen vor allem die Bereiche Outsourcing und zum Teil auch der Sektor "Human Resources" - gemeint sind Lohn- und Gehaltsrechnung sowie die Bereitstellung von Systemen für die Personalverwaltung. Hier wurden Steigerungsraten von 22,7 beziehungsweise 3,2 Prozent erzielt.

Schwere Einbußen erlitt das Unternehmen dagegen im Bereich PC-Handel und Dienstleistungen, wo der Umsatz um zehn Prozent von 34 auf 30,6 Millionen Mark sank. Als Ursache wird der Preisverfall bei der Hardware angegeben - tds werde die Konsequenz ziehen und die Dienstleistungspalette weiter ausbauen, kündigte Steffen an. Zudem werde die Kooperation mit einem starken PC-Partner angestrebt.