Wie gut sind Capacity-on-Demand-Angebote?

Hardwareplanung mit Flexibilitätsreserven

14.02.2003
MÜNCHEN (CW) - Unter dem Motto "Capacity on Demand" (CoD) werben die großen Server-Hersteller bereits seit Jahren mit der Möglichkeit, die Kapazität ihrer Multiprozessor-Systeme dem Kundenbedarf anzupassen. Dank neuer Modelle hat sich in Sachen Flexibilität seither einiges getan. Allerdings, so die Experten, will der Erwerb von Rechenleistung nach Bedarf überlegt sein.

Als kosten- und zeitsparende Alternative zu traditionellen Upgrade-Methoden angepriesen, bieten CoD-Programme der Server-Hersteller die Möglichkeit, Systeme in Minimalkonfigurationen, jedoch mit internen Reserven an Rechenleistung für künftiges Wachstum zu erwerben. Zu begleichen sind die Kosten für die zusätzliche Prozessorkapazität erst, wenn diese tatsächlich genutzt wird. Zwar hat sich mit dem Massensterben der New-Economy-Unternehmen die ursprünglich anvisierte Zielgruppe der CoD-Anbieter - etwa Hewlett-Packard (HP), Fujitsu-Siemens Computers (FSC), IBM und Sun Microsystems - weitgehend in Luft aufgelöst. Angesichts der Vitalität der eigens dafür geschaffenen IT-Infrastruktur behält das Konzept der Hardwarelizenzierung nach Überzeugung der Anbieter jedoch seine Daseinsberechtigung. "Es gibt zwar nicht mehr so viele Internet-Companies, dennoch hat diese Revolution ihre Spuren in der IT-Landschaft hinterlassen", erklärt Joseph Reger, Chief Technology Officer (CTO) bei FSC. Eine reale Grundlage für CoD in modernen Installationen sieht der Technologe heute etwa im Bereich des End-to-End-Supply-Chain-Managements sowie des Data Mining im CRM-Umfeld und überall dort, wo es häufig zu unvorhersehbaren Leistungsspitzen kommt. Richteten sich die CoD-Konzepte ursprünglich an schnell expandierende Unternehmen, wittern die Anbieter heute aufgrund des anhaltenden Kostendrucks sowie im Trend zur Server-Konsolidierung neue Chancen.

Neue Varianten werten CoD-Angebot auf

Angesichts der zunehmenden Komplexität und Kurzlebigkeit moderner Applikationen gerät die Planung der Systemkapazität zur immer größeren Herausforderung. Vor diesem Hintergrund bewerten auch Experten die Möglichkeit, Rechenleistung nach Bedarf zu erhöhen, als potenzielle Hilfestellung. Allerdings, so begründet Andrew Butler, Research Group Director bei Gartner, die bislang eher übersichtliche CoD-Klientel, waren die frühen Offerten zu begrenzt, um einen wirklichen Wert darzustellen. So blieb der Anwender - unabhängig davon, ob es einen temporären oder einen dauerhaften Kapazitätsengpass zu überwinden galt - auf einem einmal freigeschalteten Prozessor (und den damit verbundenen Kosten) sitzen.

Ein Plus an Flexibilität soll die jetzt aufkommende zweite CoD-Generation zur attraktiveren Option machen. Neben dauerhaft zugeschalteter Rechenleistung erlauben es neue Konzepte, die Extrakapazität nur über einen gewissen Zeitraum (und zu entsprechend günstigeren Konditionen) zu mieten. Zu den ersten Server-Herstellern, die das temporäre Kapazitäts-Upgrade in ihr CoD-Portfolio aufgenommen haben, gehören HP, FSC und IBM.

HPs Programm "Instant Capacity on Demand" (Icod) für den nachträglichen, lizenzgebundenen Erwerb bereits installierter Rechenleistung gilt für das Vier-Wege-System "RP5470", den Acht-Wege-Server "RP7410", die 16-Wege-Maschine "RP8400" sowie das Flaggschiff "Superdome" mit bis zu 64 Prozessoren. Nach der seit Sommer vergangenen Jahres verfügbaren temporären Variante (Ticod) verkauft HP eine CPU in Zeitkontingenten von 30 Tagen. "Dabei lässt sich der Prozessor sowohl verteilt über ein halbes Jahr als auch an 30 aufeinander folgenden CPU-Tagen nutzen", erklärt HP-Produkt-Manager Thomas Ullrich das Prinzip. Nach Ablauf der Mietfrist wird die CPU wieder stillgelegt. Wer einen Prozessor länger als zwölf bis 14 Monate benötigt, tut nach Angaben des Herstellers allerdings gut daran, diesen auf Dauer zu aktivieren. Eine Art flexibles Leasing stellt wiederum HPs "Utility-Pricing"- oder "Pay-per-Use"-Konzept dar, bei dem der Anwender variable Raten zu zahlen hat, die sich nach der tatsächlich genutzten Server-Leistung richten. Möglich ist dies dank einer auf den Rechnern installierten Software, die die Systemauslastung misst und daraus die Höhe der monatlich zu entrichtenden Gebühren errechnet.

FSCs Hardware-Lizenzierungsprogramm "Enhanced Server Capacity on Demand" (Escod) für die hauseigenen Unix-Server der "Primepower"-Reihe gibt es seit einiger Zeit ebenfalls in zwei Grundvarianten: Während das statische Modell - bei sich verändernder, jedoch grundsätzlich steigender Arbeitslast - die dauerhafte Aktivierung zusätzlicher Prozessoren vorsieht, greift die dynamische Programmvariante bei akutem, jedoch eher kurzfristigem Bedarf an Extraleistung. In diesem Fall lässt sich die zugeschaltete Kapazität nach einem mit Hilfe vordefinierter Parameter festgelegten Zeitraum der Nichtauslastung wieder deaktivieren. Übersteigt die Nutzungszeit einer temporär aktivierten CPU 30 Prozent, empfiehlt der Hersteller die permanente Freischaltung.

Auch IBM hat sein "Capacity Upgrade on Demand" (Cuod) zum Jahresanfang um die Möglichkeit der zeitweisen CPU-Aktivierung angereichert - vorerst allerdings lediglich im I-Series-Bereich. Neben der Möglichkeit, einen Prozessor aus dem installierten Bestand dazuzukaufen, lässt sich zusätzliche CPU-Leistung bei den I-Series-Neuzugängen "825" (bis zu sechs CPUs) und "870" (acht bis 16 Prozessoren) sowie dem AS/400-Boliden "890" mit 16 bis 24 beziehungsweise 24 bis 32 CPUs auch auf Tagesbasis zu- und abschalten. Bei dem Angebot der Armonker gibt es ebenfalls einen Breakeven-Point, der bei etwa 40 bis 45 Tagen temporärer Nutzung liegt. Wer seine Cuod-CPU länger nutzt, ist mit der permanenten Aktivierung des Prozessors besser beraten.

Auch für Big Blues Unix-Server "P670" und "P690" ist neben einem bereits bestehenden permanenten Modell eine temporäre Cuod-Variante geplant - allerdings nicht vor der Markteinführung des jüngsten Release 5.3 des IBM-Betriebssystems AIX, das gegen Jahresende erwartet wird. "Bislang ist der hierzu notwendige Abrechnungs- und Überwachungsschritt in AIX noch nicht enthalten", so Dirk Mayet, verantwortlich für IBMs P-Series.

Sun sucht exakte Messverfahren

Bei Sun, dem Gartner ein bislang etwas sporadisches CoD-Engagement unterstellt, lassen sich einmal ins Leben gerufene CPUs nicht wieder lahm legen. "Wir arbeiten an entsprechenden Modellen, allerdings benötigt man dafür ein sehr exaktes Accounting", erklärt Ingo Frobenius. Dafür blieben Sun-Kunden die Zusatzkosten für die hierzu erforderliche Fernüberwachung der Systeme durch den Hersteller erspart, führt der Sun-Produkt-Manager als Trost für die bislang fehlende temporäre Lizenzierungsoption an. Die McNealy-Company bietet ihr - mittlerweile kostengünstigeres - COD 2.0 für alle "Sunfire"-Midrange-Server (3800, 4800, 6800) und seit kurzem auch für die beiden Highend-Systeme 12K und 15K an (siehe CW 47/02, Seite 7).

Als einen Stolperstein im heutigen CoD-Umfeld sieht Gartner-Experte Butler die weitgehend ungeklärte Verfahrensweise hinsichtlich der Softwarelizenzierung, die bei den großen Datenbankanbietern wie Oracle, aber auch bei Peoplesoft und SAP auf Pro-Prozessor-Basis erfolgt. "Für die Softwarezunft wird es schwierig, den Überblick über die Nutzung ihrer Produkte zu behalten", bestätigt Jacqueline Woods, verantwortlich für Oracles Lizenzierungsstrategie.

Zwar zeigen sich einige Softwareanbieter hier kulant, doch wird nach Beobachtungen von Butler aufgrund mangelnder Transparenz nicht selten der Maximalpreis verlangt. Damit, so der Server-Spezialist, werde jedoch das Gros der für CoD sprechenden Kostenargumente zunichte gemacht.

Dialog für Software-Pricing

Unerlässlich seien daher ein reger Dialog zwischen Hardware- und Softwareanbietern sowie brauchbare Tools, mit deren Hilfe sich die Leistung messen und die zugehörigen Kosten ermitteln lassen. Diesbezüglich die Nase vorn haben nach Meinung von Gartner FSC und HP. Inbesondere letzterem Hersteller attestieren die Marktexperten nicht nur im Bezug auf die Vollständigkeit seines Angebots sowie seines konsequenten Engagements, sondern auch hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Software-Community einen Vorsprung in der CoD-Disziplin. Nach Meinung von HP-Manager Ullrich wird es mit wachsender Akzeptanz der Pay-per-Use-Option auch für die Softwarefraktion immer wichtiger, sich Entsprechendes einfallen zu lassen - nicht zuletzt, um sich selbst einen neuen Markt zu eröffnen. Laut Ullrich sieht das derzeitige Agreement mit Oracle eine Softwarelizenzierung nach der Anzahl aktiver Prozessoren vor. Sun wiederum verweist auf den hauseigenen "Resource Manager", mit dessen Hilfe sich die Nutzung etwa der Oracle-Datenbank auf die Anzahl aktivierter CPUs beschränken lässt.

Komplexität steigt in jedem Fall

Ein rein nutzungsbasierendes Softwarepreismodell, wie es IBM etwa im Bereich der Z-Series bietet, ist jedoch noch alles andere als verbreitet. Auch Big Blues P-Series weist hier noch wenig Transparenz auf. "Ich weiß, dass wir einmal extra eine Sechs-Wege- zu einer Vier-Wege-Maschine gemacht haben, um für den Kunden die Oracle-Gebühr zu sparen", berichtet IBM-Manager Mayet. Als elegant gelöst bewertet Gartner hingegen das kürzlich überarbeitete Preismodell für IBMs I-Series. "Aufgrund der neuen integrierten Softwarepakete kann IBM hier einen sehr simplen Charging-Mechanismus anbieten", so Butler.

Angesichts der unterschiedlichen Ausprägung der einzelnen CoD-Programme von HP, FSC, IBM und Sun warnt Gartner-Experte Butler jedoch vor unbedachten Investitionen in Kapazitätsreserven. Zu beachten sei, dass CoD nicht mit weniger, sondern stets mit zusätzlicher Komplexität gekoppelt ist. "Nur über die genaue Ermittlung des Eigenbedarfs lässt sich nach Meinung des Spezialisten klären, unter welchen Umständen sich die aufgrund zusätzlicher Bereitstellungsgebühren nicht selten teurere CoD-Option lohnt und wann sich das traditionelle Aufrüsten als zweckmäßiger erweist. "Wer weiß, dass er in rund zwölf Monaten das System vollständig auslasten wird, sollte sich die Frage stellen, ob sich der zusätzliche Aufwand eines CoD-Angebots wirklich rentiert", nennt Butler eine Faustregel. Grundsätzlich sei zu bedenken, dass es sich bei CoD um keine Wohltätigkeitsveranstaltung von Seiten der Hersteller handele. So bauten diese auf die erwiesenermaßen niedrigere Hemmschwelle ihrer Kunden, bei unmittelbarer Verfügbarkeit eines überdimensionierten Systems dessen Extrakapazitäten - etwa im Zuge eines neuen Projekts - auch tatsächlich zu nutzen. Ähnlich lauten die Bedenken von Kritikern, die der CoD-Option den Effekt einer "Hotel-Minibar" anlasten, über die der Kunde in einer akuten Heißhungerattacke unbedacht herfällt. Selbstverständlich diene CoD dem Hersteller auch als nützliche Waffe, um die Konkurrenz fernzuhalten.

Dennoch birgt der noch in den Kinderschuhen befindliche Markt für CoD-Produkte nach Einschätzung von Gartner beträchtliches Wachstumspotenzial. So gehen die Auguren davon aus, dass sich derartige Angebote in den kommenden Jahren zu einem wichtigen Differenzierungsmerkmal für die Hersteller mausern werden. Bis es allerdings so weit ist, gelte es, zunächst eine Art Vision zu entwickeln und CoD entsprechend auszubauen. "Die Nachfrage wird steigen", so Butler. (kf)

Angeklickt

- Was CoD-Angebote bringen.

- Wem die zusätzliche Flexibilität Vorteile verschafft.

- Warum Softwarelizenzen Einsparungen auf der Hardwareseite auffressen können.