Hardware Roundup '83

14.10.1983

Der heutige Großrechnermarkt gleicht einem Schlachtfeld. Die härtesten Attacken reitet seit einiger Zeit die IBM. Schockte der Marktführer im Herbst 1981 seine Gegner - vor allem im Lager der Steckerkompatiblen - bereits durch die Ankündigung der Erweiterten Architektur (XA-Extended Architecture), so ging er unmittelbar darauf mit verstärktem "Materialeinsatz" gegen seine Widersacher vor: Im Frühjahr letzten Jahres präsentierte Big Blue als neue Jumbo-Basis die Rechnerserie 3083 mit den Modellen E, B und J. Ein halbes Jahr später erfolgte das Announcement des derzeitigen IBM-Flaggschiffs 3084 Q. Gleichzeitig mußten die Stuttgarter jedoch eine Schlappe eingestehen, indem sie den wegen Performance-Problemen ins Gerede gekommenen Prozessor 3081 D aus dem Verkehr zogen und statt dessen das in den Leistungsdaten vergleichbare Modell G brachten.

Mit der Ankündigung neuer Midrange-Produkte vor wenigen Wochen wies der Marktführer schließlich nicht nur die Universalrechnerkonkurrenz in die Schranken, sondern brach erstmals auch massiv in den traditionellen Minicomputermarkt von Digital Equipment und Data General ein. Die Prozessoren 4361 und 4381 wurden sowohl für kommerzielle als auch für technischwissenschaftliche Anwendungen angepriesen.

Das Announcement der neuen 4300-Modelle, die unter dem Codenamen "Glendale" als Zusammenarbeit der europäischen IBM-Töchter entstanden sind, schuf aber insbesondere im unteren Mainframe-Bereich eine veränderte Situation. Ging Big Blue mit den Ankündigungen der letzten Jahre vor allem gegen den PCM-Wettbewerb vor, so wird deutlich, daß er mit den jetzt entwickelten Maschinen die nichtkompatiblen Anbieter wie Honeywell Bull, Burroughs oder Sperry aufs Korn nimmt. Diesen Herstellern werden durch den Markteintritt neuer 4300-Modelle zusätzliche Absatzschwierigkeiten prognostiziert. So hieß es bereits im Frühjahr, daß immer mehr Kunden der "Nicht-IBM-Kompatiblen" zum Aufbruch ins Lager des Marktführers rüsteten. Renommierte Konvertiten scheuten weder Millionenaufwand noch Know-how-Verlust bei der Systemumstellung. Die Benutzer fürchten, bei den "Bunch" -Anbietern (englisch: Horde - hier für Burroughs, Univac, NCR, Control Data und Honeywell) langfristig von den technologischen Entwicklungen auf dem Jumbosektor abgeschnitten zu sein. IBM bestimme im Mainframe-Markt inzwischen den Standard.

Probleme werden aber nicht nur den Bunch-Herstellen nachgesagt: Die aggressive Preispolitik des Marktführers forderte im Frühjahr ihr zweites PCM-Opfer. Nachdem Ende 1979 die Itel Corporation unmittelbar nach der Ankündigung der 4300-Serie aufgeben mußte, beantragte auch der kalifornische PCM-Anbieter Magnuson Gläubigerschutz nach Kapitel elf der amerikanischen Konkursordnung, was einem Vergleich nach deutschem Recht entspricht. Das inzwischen angelaufene Deutschland-Debüt wurde abrupt gestoppt. Die erste und einzige hierzulande installierte Magnuson-Maschine bei der Storbest GmbH & Co. in Lübeck mußte abgebaut werden.

Absatzschwierigkeiten sagt man aber auch den klassischen PCM-Anbietern Amdahl und der aus der Itel Corp. hervorgegangenen National Advanced Systems (NAS) nach. Nachdem NAS im Frühjahr dieses Jahres die eigene Rechnerproduktion eingestellt hat und nur noch als Vertriebsgesellschaft der japanischen Hitachi-Prozessoren fungiert, bemühe sich die NAS-Mutter National Semiconductur, ihr inzwischen unliebsames PCM-Anhängsel zu verkaufen. s möglicher Käufer war bereits Memorex im Gespräch, die sich mit Blick auf ihre Mainframe-Tochter Burroughs auch einen Platz im PCM-Markt sichern wollte. Die Übernahmeverhandlungen sind dem Vernehmen nach jedoch Gescheitert Als neuer NAS-Interessent sei derzeit Hitachi im Gespräch.

Doch trotz aller Kritik gegenüber den PCM-Lieferanten liegen deren Maschinen in der Gunst der Anwender noch recht hoch im Kurs. Eine Benutzerumfrage, die von der COMPUTERWOCHE zusammen mit der amerikanischen Marktforschungsgesellschaft Datapro zu Beginn dieses Jahres durchgeführt wurde, wies National Advanced Systems gar auf den ersten Platz der Zufriedenheitsskala aus. Der deutsche Hitachi-Vertreiber BASF belegte Rang vier, Amdahl Platz acht - immerhin noch mit einer Bewertung von 2,3.

Schreckte IBM durch einige Announcements die Mitbewerber, so erwiesen sich weder Bunch- noch PCM-Anbieter als ankündigungsfaul. Mit neuen Jumbos ging 19 83 als erster BASF ins Rennen. Anfang März kündigte der deutsche PCM-Vertreiber zwei Rechnermodelle an, die als Konkurrenz zu den IBM-Systemen 4341-2 und 3081 zu werden sind. Die 7/63 entspricht bis auf das Betriebssystem der Hitachi-Maschine M-204H und das Modell 7/88 der M-280H.

Vier Wochen nach der BASF-Ankündigung füllt NAS das Leistungsloch zwischen der 4341 und der 3083 mit der Rechnerserie AS/8000, Die drei Uniprozessoren des PCM-Anbieters (8040, 8050 und 8060) bewegen sich mit einer jeweiligen Hauptspeicherkapazität -von acht bis 32 MB zwar bereits im 3083-Bereich, decken aber das Preisbedürfnis auch unterhalb dieser Serie ab.

Auf die Leistung einer 3083 will es auch NCR mit seiner im Mai angekündigten Serie V-8600 bringen. Das neue Highend-Modell der Augsburger soll demnächst als Einzel- und Doppelprozessor angeboten werden.

Im Juni wartete auch Sperry mit Jumbo-Novitäten auf: Mit neuentwickelten 1100/70-Rechnern wollen die Sulzbacher den Anwendern ihrer "60er"- Familie Aufstiegsmöglichkeiten geben. Die neue Modellreihe umfaßt ein Spektrum von insgesamt sieben Einzel- und acht Multiprozessorsystemen. unmittelbar nach der 1100/70- Ankündigung brachte Sperry seine Mitbewerber zum, Nachdenken, als es hieß, der Mainframe-Anbieter habe sich bei der von Gene Amdahl gegründeten Trilogy Ltd. eingekauft. Wie sich diese Beteiligung -auf künftige Großrechnerstrategien von Sperry auswirken wird, ist noch umstritten.

Mit einem neuen Einstiegsmodell ihrer kompatiblen Jumboserie 580 wartete auch im Juni Amdahl auf. Der neue Rechner (5840) bietet nach Angaben des Unternehmens etwa 60 Prozent der Leistung einer 5860 und etwas die gleiche einer IBM 3083J.

Drei "XA-fähige" Prozessoren im Performancebereich oberhalb der IBM-Serie 4300 stellte Siemens im August vor. Mit den auch auf den 3083- Low-end-Sektor zielenden Modellen 7.800E, L und R wollte der Münchner Elektro-Konzern den im September angekündigten Glendale-Maschinen Big Blues zuvorkommen. Besonderes Gewicht legte Siemens bei seinen neuen Fujitsu-Rechnern auf einfaches Hochrüsten im Feld.

Sieben Prozessoren ihrer Rechnerfamilie 7.500 kündigte Siemens jetzt noch unmittelbar vor der SYSTEMS an (siehe Seite 4). Mit drei Anlagen der Serie 7.550-x und vier Anlagen der Serie 7.570-x wollen die Münchner den Leistungsbereich ihres Betriebssystems BS2000 nach oben hin erweitern.

Im "Hardware Roundup '83" sind insgesamt 13 Anbieter mit 129 Mainframesystemen vertreten. Die meisten Maschinen bringt Siemens ins Rennen (26) gefolgt von IBM mit 23. Das Angebot der Hersteller reicht von 0, 14 Mips (ICL und Siemens) bis 32 Mips (Control Data). Die in den Tabellen errechneten Leistungsdaten beruhen auf Herstellerangaben sowie eigenen Schätzungen. Die Redaktion kann keine Gewähr für die absolute Richtigkeit der Berechnungen geben. * Das Hardware Roundup '83 wird in der nächsten Ausgabe mit der Gegenüberstellung von Minicomputersystemen fortgesetzt.

* Bei den Prozessorpreisen ist Vorsicht geboten. Einige Anbieter wollten zunächst gar keine Angaben darüber machen. Als diese sich jedoch dennoch äußerten, waren die Aussagen derart verschwommen, daß nicht klar erkennbar war, was im Leistungsumfang enthalten ist. Wenn US-Preise umgerechnet werden mußten, wurde ein Dollarkurs von 2,60 Mark zugrunde gelegt.