Hardware-Hersteller gründen Softwarehaus

15.07.1988

Auf Nachbesserungstour befinden sich zur Zeit die Protagonisten der Open Software Foundation - die OSF-Message sei noch nicht überall gebührend gewürdigt worden. Ach Gott, was sind die DV-Journalisten dumm. Bei allem Verständnis für den Langmut der Pressereferenten: Aber werden hier nicht Pappkameraden aufgestellt? Man wird nicht sagen können, die OSF sei eine Fata Morgana. Tatsächlich haben sieben renommierte Hardware-Hersteller nun ein gemeinsames Softwarehaus.

Es mag zwar etwas merkwürdig anmuten, daß mit IBM ausgerechnet jener Hersteller als Unix-Befürworter herausgestellt wird, der Unix am wenigsten gewollt hat - wer aber die OSF-Sache gerecht beurteilen will, der muß sich an die Fakten halten.

Es gibt nichts, was da nicht klar wäre: Das Softwarehaus OSF ist als Versuch gegründet worden, die Spaltung der Hardware-Hersteller-Welt (IBM gegen DEC, DEC gegen Hewlett-Packard, Siemens gegen Nixdorf und so weiter) durch eine konzertierte Software-Entwicklungsaktion zu überwinden. Dafür wurden von IBM & Co. rund 100 Millionen Dollar als Mitgift bereitgestellt. Und ein Board of Directors ist bereits im Amt. Die OSF-Oberen werden uns schon rechtzeitig wissen lassen, wie der Abstimmungsprozeß in der Siebenergruppe funktioniert. Programmiert (Fakten, Fakten, Fakten) ist damit freilich immer noch nichts.

Wir sind da vielleicht zu pingelig, aber die Ankündigung der Sponsoren, die OSF werde "in 18 bis 24 Monaten vieleicht 200 Mitarbeiter haben", verdient keine (Fakten-)Anerkennung. Und natürlich existieren OSF-Produkte vorerst nur auf dem Papier.

Ausnahmsweise wollen wir aber doch eine Frage stellen, die die Prognosekünste bemüht: Was spricht dafür, was eventuell dagegen, daß bei der OSF-Aktion etwas Konkretes herauskommt? Oder anders gefragt: Was sind 100 Millionen Dollar in den Händen von Software-Entwicklern

- hätte man die - wirklich wert? Gewiß, eine nette kleine Werbeaktion kann man damit schon finanzieren. Nur haben die Anwender nichts davon.

Letzter Punkt: Sieben Hardware-Hersteller - zerstritten, wie sie im wirklichen Anbieterleben sind - machen vielleicht ein Softwarehaus aber noch lange keinen Software-Sommer. Diese Polemik ist beabsichtigt. Gern irren wir uns übrigens: Wer ist nicht für offene Systeme? Auf dieses Fragezeichen legen wir Wert. Der Open Software Foundation muß

fairerweise zugestanden werden, sich auch als geschlossene

Gesellschaft zu präsentieren.