Hannover ist nicht Dodge City Dieter Eckbauer

25.03.1994

Die CeBIT sollte fuer jedermann geoeffnet bleiben, erklaert Sony- Deutschland-Chef Josef Brauner. Fuer die "wirklichen Entscheider" sei sie "kein Muss mehr" (Seite 1). Ein Vertreter des Verbandes der Software-Industrie Deutschlands (VSI) sieht die "Grenzen zwischen Spezialisten- und Laientum" im DV-Bereich aufgehoben - das spreche gegen eine reine Fachveranstaltung CeBIT. Fuer eine Verkuerzung der Marathonmesse sind beide. Alles Lippenbekenntnisse.

Zur Messepolitik ist in der CW alles gesagt - kein weiterer Kommentar. Wenn ein neues Produkt herausragte, dann der Power- Macintosh von Apple. Ein Highlight-Fluidum vermochte er nicht zu verbreiten. Technik allein waere dazu ohnehin nicht in der Lage.

In Dodge City wird schnell gezogen, wer mit dem Business-Re- Engineering-Revolver zu langsam ist, den tragen sie mit den Fuessen voran hinaus. Der Chefstratege eines grossen deutschen Softwarehauses haelt seinen martialischen Vergleich fuer nicht zitierfaehig.

Hannover ist nicht Dodge City. Man mag das bedauern. Business Re- Engineering der Unternehmensprozesse und in der Informatik selbst, lautet das Gebot der Stunde. Die Gefahr besteht, dass Aufforderungen zur Tat, durch die der Wandel zu bewerkstelligen ist, als Phrasen empfunden werden. Andererseits gibt es keine Ausreden mehr: Fehlende Computerressourcen gehoeren der Vergangenheit an - bessere Organisationen sind moeglich.

Nicht dass die Technik zweitrangig waere, wie von Re-Engineering- Softies behauptet wird, aber fuer alte Anwendungen tut's die vorhandene Hardware noch allemal. Lediglich ein besseres Preis- Leistungs-Verhaeltnis bei den DV-Installationen durch Downsizing oder Outsourcing zu erreichen, rechtfertigte den Re-Engineering- Aufwand nicht. Das Besondere besteht in der Umkehrung der Vorzeichen, unter denen erfolgreiche Unternehmensfuehrung moeglich ist: Was im Inneren getan werden muss, am Management und an der Organisation, bestimmt ein Draussen, das Konkurrenz beim Kunden heisst. Diese erzeugt Leidensdruck, den auch die IT-Profis zu spueren bekommen.

Drahtige und zaehe Unternehmen brauchen nicht weniger, sondern mehr Informationstechnik: Wie sag ich's einem Management, das die DV an Einsparungserfolgen misst? Dass es auch anders geht, laesst sich nur mit Anwendungen zeigen, fuer die es in der traditionellen DV keine Vorbilder gibt. Im Idealfall erfuellen neue Applikationen, worauf der Ehrgeiz aller Manager abzielt: Unternehmen mit der richtigen Information wettbewerbsfaehiger zu machen.

Was kann fuer IT-Spezialisten wichtiger sein, als neue Anwendungen in Gang zu bringen, mit denen sich etwa die Reaktionszeit von der Bestellung bis zur Auslieferung an den Kunden verkuerzen laesst? Der Einwand, das haben wir doch immer schon gemacht, sollte besser unterbleiben. Von dem, was organisatorisch und informationstechnisch moeglich ist, sind heutige DV-Systeme noch Lichtjahre entfernt - wofuer sie nichts koennen: Die Aufgabenstellung war eine andere. Doch dass Chancen nicht genutzt wurden, muss man den Verantwortlichen anlasten.