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Handspring: Der "Herausforderer" im Gespräch

14.06.2000
Interview mit Europachef Roger Kermish

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit Roger Kermisch, dem Europachef des Palm-Herausforderers Handspring, sprach CW-Redakteur Wolfgang Miedl.

CW: Als Lizenznehmer von Palm ist Handspring stark von seinem ärgsten Wettbewerber abhängig und kann auf dessen Schritte immer nur reagieren. Können Sie sich überhaupt frei entfalten?

KERMISCH: Die günstige Lizenzgebühr, die wir an Palm zahlen, ist sicherlich einer der größten Deals, die unser Unternehmen gemacht hat. Hersteller von Windows-CE-Geräten beispielsweise zahlen das Drei- bis Vierfache an Microsoft. Wir müssen uns zudem nicht um die ausgereifte Software-Infrastruktur kümmern, weil das Aufgabe von Palm ist, und können uns voll auf unsere eigenen Erweiterungen konzentrieren. Wir sehen das ganz pragmatisch: Entweder wir sind abhängig von einer Plattform, die den mit Abstand größten Marktanteil hat, oder von einem Betriebssystem, das mit unter zehn Prozent bisher am Markt gescheitert ist...

CW: Der wesentliche Unterschied zwischen ihrem Visor und dem Palm ist die proprietäre Erweiterungsschnittstelle Springboard. Warum setzen Sie nicht eine Schnittstelle ein, für die es am Markt bereits Steckkarten gibt, beispielsweise Compact Flash?

KERMISCH: Unserer Ansicht nach ist Springboard flexibler als die bestehenden PDA-Schnittstellen, deshalb haben wir uns für eine Eigenentwicklung entschieden. Compact Flash beispielsweise ist lediglich für Speichererweiterungen optimiert. Wir haben uns die bestehenden Schnittstellen angesehen und festgestellt, dass sie nicht flexibel genug sind.

CW: Was macht Sie zuversichtlich, dass der Markt eine weitere proprietäre Schnittstelle akzeptieren wird?

KERMISCH: Es ist sicher hart, einen neuen Standard zu etablieren, das weiß ich noch aus meiner Zeit bei Apple Mitte der achtziger Jahre. Wenn man aber die Spezifikationen offen legt, kosteneffizient ist und die Entwickler unterstützt, so wie wir, ist es eine überzeugende Geschichte. Wir glauben, dass schon bald zig Millionen PDAs verkauft werden. Dann wird auch die Nachfrage nach Springboard-Modulen enorm sein. Wir starten aus der Position des erfolgreichsten PDAs am Markt. Der Palm, an dem wir uns orientieren, ist inzwischen immerhin sechs Millionen Mal verkauft worden - keine schlechte Ausgangsposition für uns. Wir können unseren Kunden sagen: Ihr bekommt alles, was der Palm heute kann, und zusätzlich neue Hardware-Optionen. Für mich ist das eine ganz logische Geschichte.

CW: Unterstützen Sie Entwickler, um die Verbreitung von Springboard-Modulen voranzutreiben?

KERMISCH: Wir haben ein Support-Programm und etwa 15 Mitarbeiter, welche die derzeit etwa 500 aktiven Entwickler unterstützen. Wir verlangen keine Lizenzgebühren, und die Standards und APIs liegen völlig offen. Indem wir einige gebräuchliche Formfaktoren für Module definiert haben, reduzieren sich die Kosten für Springboard-Module erheblich. Ein Entwickler muss im Idealfall nur die interne Elektronik entwerfen und kann sie in billige, vorgefertigte Gehäuse einbauen.

CW: Falls auch Palm seine PDAs mit einer bereits etablierten Schnittstelle erweitert, könnte sich Springboard als Sackgasse erweisen.

KERMISCH: Es ist natürlich auch ein Kampf gegen die Zeit. Wir haben erst vor kurzem losgelegt und nun gewissermaßen ein Zeitfenster, innerhalb dessen wir so viele Entwickler wie möglich für uns gewinnen müssen.

CW: Wie können Sie sich außer mit dem Springboard gegenüber Palm profilieren?

KERMISCH: Wir entwickeln alle Erweiterungen der Hardware selbst. Auch mit der von uns geschriebenen USB-Unterstützung sind wir Palm voraus. Außerdem werten wir durch unsere Entwicklungen die gesamte Palm-Plattform auf. Palm profitiert also in zweifacher Hinsicht von uns: durch die Lizenzgebühren und durch unsere Entwicklungen. Eine der großen Fragen für Palm dürfte sein, ob sie sich nicht völlig aus dem Hardwaregeschäft zurückziehen sollten, um sich voll auf das Lizenzgeschäft zu konzentrieren.

CW: Windows CE ist eine relativ offene, modulare Plattform, die eine Vielzahl von Prozessoren und Formfaktoren ermöglicht. Sehen Sie kein Problem darin, dass das Palm OS so eng mit der Hardware-Architektur verknüpft ist, was kaum Spielraum für Abweichungen erlaubt?

KERMISCH: Ich denke, es besteht ein grundlegender Unterschied in der Philosophie der Konzepte. Unser Ausgangspunkt ist ein großartiger Organizer, den sich die Kunden mit genau den Optionen erweitern können, die sie auch wirklich nutzen werden. Der Pocket PC kostet etwa das Doppelte des Visor. Dabei werden die Leute viele seiner Funktionen überhaupt nicht nutzen, weil sie auf einem Organizer keine Textverarbeitung und keine Tabellenkalkulation benötigen.

CW: Die Konkurrenzsituation am PDA-Markt wird schärfer. Auch Symbian will dort bald kräftig mitmischen. Was erwarten Sie für die nähere Zukunft?

KERMISCH: Es gibt für uns zwei Fronten. Die eine verläuft innerhalb der Palm-Kategorie, dort müssen wir uns vor allem gegen Palm behaupten. Bei Symbian haben wir von Epoc Quartz bisher außer großen Ankündigungen nichts gesehen, noch nicht einmal Prototypen. Im Übrigen müssen wir sicherstellen, dass Microsoft da bleibt, wo es ist.