Handel mit eigenem EDV-Messe-Zentrum in Düsseldorf: Euroshop gut behauptet neben Hannover-Messe

22.05.1981

Zur diesjährigen Frühjahrs-Messezeit hatte der Handel die Qual der Wahl, nämlich zwischen der großen Industrieschau in Hannover und einer nur alle drei Jahren stattfindenden Messe für den Handel in Düsseldorf. Ungeachtet der Terminüberschneidung konnte dabei die "Euroshop" einen vollen Erfolg verbuchen, denn die Aussteller blieben ihr trotz der Doppelbelastung treu und das Handelspublikum erwies sich als zahlreich und fachkundig und konkret in seinen Wünschen. Der Durchbruch der Elektronik fiel auf. 45 Anbieter (gegenüber 30 vor drei Jahren) zeigten Problemlösungen von der elektronischen Registrierkasse bis zum kompletten Warenwirtschaftssystem und von der elektronischen Waage bis zum Verbundsystem. Auf kleinem Raum hatte das ISB (Institut für Selbstbedienung) zusätzlich einen Sonderstand mit den typischen Anwendungsbeispielen verschiedener Branchen.

Die die Ausstellung ergänzenden Workshops und der begleitende Kongreß fanden regen Zulauf und untermauerten das Interesse, das der Handel an den neuen Lösungsansätzen zeigt.

Die Marktführer auf dem deutschen Markt zeigten ihre bekannte Produktpalette, aber neue Farbtupfer waren unübersehbar: größere Speicher, Verbundsysteme mehrerer Kassenplätze mit Berichtskonsolidierung von einer Stelle aus, Massenspeicher und EAN-Scanning an Einzelplätzen ohne Computeranschluß. Die Japaner haben den Schritt von der einfachen ECR zur Datenkasse nachvollzogen und bieten mit Lese- und Aufzeichnungsgeräten ebenfalls die Voraussetzungen für systemfähige Kassen an.

Ein neu entwickelter OCR-Scanner war auf einem Stand ebenfalls zu sehen und weckte Interesse insbesondere im Textilsektor für das schnelle automatische Lesen mehrzeiliger OCR-Etiketten.

In Podiumsdiskussion und Ausstellung wurden ergonomische Fragen behandelt, die wachsende Aufmerksamkeit auch der Hersteller von Kassen und Kassenständen finden. Mehrere Beispiele modularer Kassensysteme, von der kleinsten ECR bis zum "großen" Terminal waren in Verbindung mit verschiedenen Kassentischen zu sehen.

Wissenschaftlichen Hintergrund fand das Thema auf einem Stand der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung.

Der Trend ist vorgezeichnet. Die Miniaturisierung der elektronischen Bauteile läßt immer neue Modulvarianten zu, so daß Kassen zunehmend in mehreren Bauteilen installiert werden dürften.

Eine neue Herausforderung an die Hersteller ist, daß ein reibungsloses Austauschen einzelner Aggregate (einfache Steckerverbindungen) im Störungsfall und Sicherung des einwandfreien weiteren Betriebs des gesamten Systems durch Mitarbeiter des Handels möglich sein muß, denn diese haben bisher ja auch notfalls einen ganzen Kassenplatz ausgewechselt, wenn die Lage das erforderte.

Waagenverbund

Konkurrenz oder Partnerschaft - das ist die Frage, wenn man die Leistungen der auf der Euroshop gezeigten Waagensysteme sieht und sie zu den Kassen in Beziehung setzt. Neben der seit Jahren eingeführten elektronisch rechnenden Waage (Eingabe des Grundpreises und Wiegeergebnis werden automatisch zum Endpreis umgerechnet und angezeigt) macht jetzt das Waagenverbundsystem Furore.

Eine Vorstufe sind Waagen, die die Grundpreise der zu wiegenden Artikel in einem Speicher (als PLU) festhalten, so daß die Bedienung nur noch die PLU-Nummer eingeben muß, um den Wiege- und Berechnungsvorgang auszulösen. Mehrere 100 Preisabrufe sind auf diese Weise realisierbar.

Die Lücke zwischen den technischen Möglichkeiten der EAN-Symbolerstellung und -lesung sowie der Registrierung gewichtsabhängiger Ware ist damit aber noch nicht geschlossen. Auf der Euroshop zu sehen waren nun Systeme, mit denen beim Verpacken von SB-Ware automatisch auch ein EAN-Etikett auf der Warenpackung angebracht wird, das am Kassenterminal als Artikel- und Preisinformation ausgewertet werden kann.

Die Hersteller rechnen mit wachsender Verbreitung dieser Problemlösungen, sobald Scanner-Systeme in der Bundesrepublik in größeren Stückzahlen installiert werden.

Doch die Entwicklung läuft weiter und erlaubt auch dem Käufer von Bedienungsware noch eine automatisch unterstützte Kassenabwicklung.

Kundennummer

Der Kunde kann jetzt nacheinander Fleisch, Wurst, Käse und Obst in verschiedenen Bedienungsabteilungen eines Supermarktes oder SB-Warenhauses einkaufen und erhält - wie bisher- an jeder Waage seine Ware mit angehängtem Bon über die Warenwerte. Gleichzeitig werden diese aber von den Bedienungskraften unter seiner Kundennummer (gleich Einkaufswagennummer) in einem Hintergrundrechner gespeichert und addiert. Kommt der Kunde schließlich an die Kasse, wird nur noch die Kundennummer eingegeben und damit der Gesamtwert der Gewichtsware angezeigt und in die Kassenaufrechnung übernommen.

Daß aus einem Managerterminal Statistiken über Umsatz pro Artikel, Abteilung sowie Rohertrag und ähnliches gewonnen werden können, ist für den Elektroniker selbstverständlich, für den Handel aber eine neue Möglichkeit, auch diese bisher oft nur in Abteilungssummen global erfaßten Frischwaren-Bereiche kritisch auf Gewinn und Verlust zu durchleuchten.

Herstellervertreter erklären, ihre Systeme seien absichtlich nicht mit dem Kassenbereich verbunden, um den Unternehmern die Investitionsentscheidung für beide Produktgruppen getrennt zu ermöglichen beziehungsweise zeitlich zu entkoppeln. Aber Verbindungen zu Kassen und damit unmittelbare Übernahme der Ergebnisse in die Kassenaufrechnung seien möglich, hieß es - und werden sicherlich beim nächsten Mal schon vermehrt zu sehen sein.

Mobile Datenerfassung

Schwach vertreten waren in der Ausstellung die Anbieter mobiler Datenerfassungssysteme, auf dem Workshop für Elektronik wurde jedoch in einem Referat eindrucksvoll die Vielfalt der heutigen Lösungsmöglichkeiten erläutert. Bestellungen und Inventuren in größeren Filialunternehmen werden immer mehr über diese Geräte abgewickelt, auch summarische Verkaufsdaten zum Beispiel aus den Speichern der ECR's in den einzelnen Läden werden auf diesem Wege der EDV-Zentrale überspielt. Eine Möglichkeit, hochwertige Datenkassen oder Terminal-Verbundsysteme durch kostengünstigere Lösungen zu ersetzen, zumindest, wenn das Unternehmen keine Einzelaufzeichnung der Verkäufe benötigt?

Die Verkürzung der Bestellzyklen (Frist von der Bestellung bis zum Wareneingang) und die Zeitersparnis bei der Datenvorbereitung und -übermittlung machen jedenfalls eine schnelle Verbreitung dieser Geräte sehr wahrscheinlich, nachdem Gewichts- und Aufzeichnungsprobleme durch die hochintegrierten Bauteile beseitgt worden sind und dadurch auch "tragbare" Stückpreise erzielt wurden.

Von der kleinen Diskettenanlage bis zum mittleren Computer reichten die auf der Messe demonstrierten Lösungen, die Wareneingang und -auszeichnung, Verkaufsdatenerfassung und Warenanalyse mit allen Elementen des Warenwirtschaftskreislaufs enthielten. Auffällig dabei der zunehmende Trend zum Direktanschluß der Kassen an die Hintergrundcomputer, zumindest überall dort, wo die Computerkapazität auf Ladenebene aus anderen Gründen sowieso zwingend erforderlich ist, zum Beispiel im Scanner-System eines großen SB-Warenhauses oder Verbrauchermarktes als Ausfallschutz.

Diesem Sekundärrechner werden im Normalbetrieb Anwendungen wie Wareneingangserfassung, Bestellwesen, Änderungsdienst, Preispflege und so weiter zugeordnet, die über Bildschirm abgewickelt werden. Im Back-up-Fall werden diese Programme ausgelagert und durch das POS-Scanner-Programm ersetzt, bis die Störung behoben ist.

Die Gefahr vieler kleinerer Warenwirtschaftslösungen blieb auch in Düsseldorf weitgehend unerwähnt: Die Speicherleistung für die Artikelsortimente ist zwar vorhanden und wird demonstriert, aber wie sollen die Daten gepflegt und sinnvoll ausgewertet werden, wenn die Eingabe- und Druckkapazitäten auf die Tastaturen und Druckwerke eines Kassenplatzes beschränkt sind?

Hier wird mit mehr Datenfernverkehr zu größeren EDV-Zentralen zu rechnen ein, als derzeit demonstriert wird.

Bei den Auszeichnungsspezialisten zu beobachten: Einsatz von Bildschirm und Schaffung systemfähiger Auszeichnungsterminals als Alternative zu den integrierten Gesamtsystemen.

Düsseldorf und Berlin sind als Versuchsregionen ausgewählt worden. Was lag näher, als auf der Euroshop ausführlich über die Chancen und Gefahren für den Handel zu sprechen.

Auf dem Gemeinschaftsstand des ISB und in einem Workshop wurden die Leistungen demonstriert, die örtliche Einkaufsverbände bezüglich Gemeinschaftswerbung und -information und der Versandhandel mit dem Bestellwesen inzwischen erbracht haben. Aus EDV-Sicht besonders wichtig: die Anschlußmöglichkeit des hauseigenen EDV-Systems an eine der Bildschirmtextzentralen, um den zeitlosen Dialog zwischen Verbraucher und eigenem Unternehmen zu ermöglichen.

Die Referenten auf dem Workshop machten es anhand der Beispiele deutlich, daß Bildschirmtext bald seine eigene Dynamik entwickeln und die Planungen der Post, vor allem aber die - zögernden - Handelsunternehmen in Zugzwang bringen könnte. Fazit der Veranstaltung war: Je früher das einzelne Unternehmen bereit ist, Lehrgeld zu zahlen, desto größer der Vorsprung im Wettbewerb wenn der Verbraucher Bildschirmtext auf breiter Front vom Handel als Leistung fordern sollte.

*Hans Bertram ist Mitarbeiter der NCR-Augsburg (Systemunterstützung EDV-Handel).