Handel konzentriert sich auf IT-Profis - Einsteiger und Umschüler haben derzeit kaum Chancen

08.08.2002
Von in Alexandra
Es gibt sie noch, die IT-Jobs im Handel, wenn auch nicht mehr in großer Zahl. Nachdem sich E-Commerce nicht als der erhoffte Jobbringer erwiesen hat, beschränken die Handelsunternehmen ihre Mitarbeitersuche auf ausgewiesene IT-Experten.

Die Pleitewelle rollt. Der Handelsverband BAG mag angesichts der aktuellen Insolvenzzahlen nichts beschönigen. So ergab eine Untersuchung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, dass der Einzelhandel mit 4280 gemeldeten Insolvenzen im ersten Halbjahr eine der Branchen in Deutschland ist, die am stärksten von der Wirtschaftskrise betroffen sind.

Quelle: The European Commission
Quelle: The European Commission

Angesichts der anhaltenden Kaufzurückhaltung der Kunden rechnen die Verbandsvertreter frühestens für das vierte Quartal 2002 mit einem Aufschwung.

Dementsprechend hält sich die Branche mit Neueinstellungen zurück. Im ersten Halbjahr schrieb der Handel nur noch 397 IT-Jobs aus, was einem Rückgang von 76 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Nach der Stellenmarktanalyse der Hamburger Marktforscher von EMC/Adecco, die im Auftrag der CW 40 Tageszeitungen untersuchen, gehört damit der Handel neben Versicherungen (352) und Banken (330) zu den Anwenderbranchen, in denen die Zahl der IT-Stellenangebote am deutlichsten zurückging. Dafür verantwortlich ist vor allem der Bereich E-Commerce: Statt 690 IT-Jobs wurden hier nur noch 58 Stellen in den ersten sechs Monaten offeriert.

Selbst die großen Versandhäuser, die im Internet bereits nennenswerte Umsätze erzielen, suchen nur verhalten nach E-Commerce-Experten. Dazu Marc Offen, Pressereferent des Hamburger Otto Versands: „E-, M- und T-Commerce sind für unser Distanzhandelsgeschäft zentrale Wachstumsfelder. Derzeit ist hier der Personalbedarf gering. Wir rechnen aber damit, dass er in den nächsten beiden Jahren wieder ansteigen wird.“ Stattdessen sucht Otto Systementwickler mit mehrjähriger Berufserfahrung und Hochschulabschluss, die Kenntnisse in C, C++, Java, SQL, VBA und Datenbanken mitbringen.

Nicht nur Otto, sondern auch andere Handelsunternehmen beschränken sich derzeit in ihrer Personalsuche auf IT-Spezialisten mit mehrjähriger Berufserfahrung. Hochschulabsolventen oder gar Umschüler haben gegenwärtig kaum mehr eine Chance. „Da wir mittlerweile erheblich mehr Resonanz auf unsere Anzeigen und zudem gute Initiativbewerbungen bekommen, stellen wir auch höhere Anforderungen an die Bewerber“, beschreibt Sonja Schweitzer, Leiterin des Bereichs Human Resources & Training bei der Itellium Systems und Services GmbH.

Mit 1700 Mitarbeitern in Essen, Frankfurt am Main und Nürnberg ist der Systemintegrator und Outsourcing-Provider der Karstadt Quelle AG einer der wichtigsten IT-Arbeitgeber im Handel. Derzeit hat Itellium noch 50 offene IT-Jobs, in erster Linie für Anwendungsentwickler, aber auch für SAP-Berater und einige E-Commerce-Entwickler. „Informatiker brauchen nicht nur das technologische Know-how, sondern sollten auch in betriebwirtschaftlicher Hinsicht fit sein und idealerweise bereits das Wissen um die Prozesse im Versandhandel mitbringen“, so Schweitzer.

Handelserfahrung ist auch in den Augen von Frank Winter, Personalreferent bei der Metro MGI Informatik GmbH, Düsseldorf, das entscheidende Merkmal, mit dem IT-Experten punkten können. Der IT-Dienstleister des Metro-Konzerns, der 750 Mitarbeiter beschäftigt und 1996 gegründet wurde, hat derzeit noch 14 offene Positionen, hinter denen sich aber zum Teil mehrere Stellen verbergen. Hauptzielgruppe sind auch hier erfahrene Entwickler. Auch MGI profitiert von dem schwachen IT-Arbeitsmarkt, so Winter: „Wir merken deutlich, dass es mehr Bewerber am Markt gibt. Bei einigen Spezialistenpositionen wie den erfahrenen Oracle-Datenbankentwicklern dauert es jedoch immer noch länger, bis die Position adäquat besetzt ist.“

Die bisweilen ausgedehnte Suche nach dem passenden Mitarbeiter nimmt MGI aber in Kauf, zumal man nicht wie in Boom-Zeiten zu großen Zugeständnissen gegenüber den Bewerbern bereit ist. „Wir werden die Kandidaten nicht um jeden Preis holen und können gehaltlich beispielsweise nicht mit den Beratungshäusern mithalten“, räumt Winter ein. „Dafür stehen den IT-Spezialisten bei MGI die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten wie in einem großen Systemhaus offen, sie haben eine 37,5-Stunden-Woche und zudem die Möglichkeit, Überstunden über das Arbeitszeitkonto abzubauen.“ Die wichtigsten Einsatzgebiete für IT-Mitarbeiter sind bei MGI weniger E-Commerce als die Applikationsentwicklung für Warenwirtschaftssysteme, das eigene Rechenzentrum und der Netzbetrieb.

Auch bei Itellium ist das Gehalt eine Frage der Marktlage. Dazu Personalleiterin Schweitzer: „Entwickler mit zwei bis drei Jahren Berufserfahrung bewegen sich bei uns im Bereich von etwa 50 000 Euro im Jahr, inklusive eines variablen Zielbonus. Wo sich letztlich ein Mitarbeiter in unseren Vergütungsbandbreiten ansiedeln kann, hängt auch davon ab, wie stark sein IT-Wissen nachgefragt ist.“ Neben den großen Handelsunternehmen, die für ihre ausgegliederten IT-Dienstleister die meisten IT-Profis suchen, gibt es auch noch wenige Startups, die überlebt haben und als Arbeitgeber für IT-Profis in Frage kommen.

Ein Beispiel ist die Frankfurter Portum AG, die 1999 von ehemaligen IBM-Managern gegründet wurde, mittlerweile 80 Mitarbeiter beschäftigt und Software für E-Procurement herstellt. „Wir sind immer sehr vorsichtig mit dem Thema Einstellung von neuen Mitarbeitern umgegangen. Wenn wir eine Position ausschreiben, haben wir vorher geprüft, ob sich daraus ein geschäftlicher Nutzen ergibt“, erklärt Claudia Schmidt, bei Portum zuständig für Personalfragen. Für Entwickler haben die Frankfurter zurzeit weniger Jobs als für Vertriebsspezialisten mit guten Kontakten in der Branche. „Im Gegensatz zum Jahr 2000, als wir in der Startphase auch viele Hochschulabsolventen und Allrounder einstellten, suchen wir heute Mitarbeiter, die in einem Bereich wie dem Softwarevertrieb schon Kenntnisse auf Basis mehrjähriger Erfahrung mitbringen.“

Über IT-Konw-how sollten aber auch Berater und Vertriebsmitarbeiter verfügen. „Letztere müssen beispielsweise den Kunden unser System erklären und ihn auch in technischer Hinsicht beraten können. Die Consultants müssen wissen, wie sich unsere Software in bestehende ERP-Systeme integrieren lässt", so Schmidt.