Das benutzergerechte Manual steht immer noch aus:

Handbüchern fehlt die Verständlichkeit

18.03.1988

MÜNCHEN(CW) - Während der Preis für Computersysteme ständig sinkt, sind die Trainingskosten zum Erlernen der DV-Systeme immer noch relativ hoch. Schnell wachsender Akzeptanz und Alltagsnutzung durch die Anwender steht großer Einarbeiterungs- und Handhabungsaufwand gegenüber. Hier will die "Initiative '88: Das gute Handbuch" ansetzen.

Viele Hersteller erkennen die Situation. Verbessertes Systemdesign und Selbsterklärungsfähigkeit der Software sollen Abhilfe schaffen. Diese Einschätzung erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als problematisch. Selbst Benutzer von einfach zu bedienenden Systemen wie dem Apple Macintosh benötigen in verschiedenen Situationen noch Hilfe. Die Ursachen hierfür liegen unter anderem in der individuellen Situation des Anwenders, seines Vorwissens - Novize versus Experte - und seinen Arbeitsaufgaben (Abbildung 1).

Durch die einseitige Betrachung der Arbeitssituation des Anwenders aus Herstellersicht wird deren Komplexität häufig falsch eingeschätzt. Es wird ein Anwenderverhalten unterstellt, das der Realität nicht entspricht. Fehler, die dann bei der Handbuchgestaltung gemacht werden, sind schwerwiegend. Sie lassen sich aus Anwendersicht wie folgt beschreiben:

- mangelnde Orientierung an der Arbeitsaufgabe, die der Anwender zu lösen hat;

- beschränkte Nachschlagemöglichkeiten durch ungeeignete oder schlechte Stichwortverzeichnisse, Glossare etc.;

- ungenügende Anpassung an das Vorwissen und den Status des Anwenders.

Auf der anderen Seite besitzen Handbücher für den Anwender, auch gegenüber anderen Hilfesystemen, wie Online-Hilfe, eine Reihe wesentlicher Vorteile:

- gewohnte Form und Darstellung der Information;

- unabhängigkeit von Rechnern und Programmzustand;

- bessere Möglichkeiten zur (grafischen) Übersichtsdarstellung;

- Benutzer kann Anmerkungen hinzufügen;

- größere Informationsmenge;

- höhere Lesegeschwindigkeit.

Viele Handbücher besitzen einen modularen Aufbau. Die vorhandenen Funktionsbereiche werden in der Regel ausführlich behandelt und hintereinander dargestellt. Um an die für ihn (zur Bearbeitung seiner Arbeitsaufgabe) relevanten Informationen zu gelangen, muß ein Anwender die Module hintereinander "suchend abarbeiten" oder "geeignet nachschlagen". Das Interesse des Anwenders besteht jedoch primär in der Lösung seiner Arbeitsaufgabe. Aus diesem Mißverhältnis ist die Unzufriedenheit vieler Anwender zu erklären. Die steigende Nachfrage nach systemunabhängigen Leitfäden und Beschreibungen ist ein deutliches Indiz dafür (Abbildung 2).

In der konsequenten Nutzung der medienspezifischen Vorteile und der Verbesserung im besonderen Hinblick auf die Anforderungen einer (steigenden) Zahl von Anwendern besteht ein wesentliches Potential für das Handbuch, auch inhaltlich zu halten, was das Äußere verspricht.

Initiative '88:

Das gute Handbuch

Handbücher und ihre Gestaltung waren Thema für Fachtagungen. Auf der 7. Arbeitstagung Mensch-Maschine-Kommunikation. In verschiedenen, interdisziplinären Arbeitsgruppen mit Beteiligung aus Wissenschaft und Praxis wurden Konzepte und Methoden der Handbuchgestaltung diskutiert. Zwei wesentliche Punkte fielen dabei auf:

þEs fehlt eine übergreifende Theorie der Handbuchgestaltung.

þHandbuchgestaltung ist ein weitgehend herstellerorientierter Prozeß, der oft von unzureichenden Annahmen über den Benutzer und seine Verwendung von Handbüchern ausgeht.

Aus dieser Erkenntnis wurde Anfang 1988 von Klaus Kaschewski, Unternehmensberater und Dozent für Kommunikations- und Datentechnik in München und Claus Noack, Leiter der Fachredaktion Sinix der Siemens AG, München, die "Initiative '88: Das gute Handbuch" ins Leben gerufen.

Ziel der Initiative ist es, durch eine Befragung die Benutzer von Handbüchern und ihre Wünsche besser kennenzulernen. Die Fragebögen* werden im Rahmen eines Lehrauftrages von Claus Noack an der Technischen Universität Berlin vom "Arbeitskreis Technische Dokumentation" ausgewertet. Die Ergebnisse werden anschließend in der COMPUTERWOCHE veröffentlicht. Dadurch soll die Diskussion zwischen Herstellern und Benutzern von Manuals belebt werden, um die Benutzerdokumentation den steigenden Bedürfnissen der Anwender noch besser anzupassen.

Informationen: Klaus Kaschewski,

Gellertstraße 4, 8000 München 81,

Telefon 0 89/9 82 81 80.

*Den Fragebogen zur Teilnahme an der "Initiative '88'" anfordern bei: COMPUTERWOCHE, Rheinstraße 28, 8000 München 40.