Comeback auf dem Weltmarkt bahnt sich an:

Halbleiterproduzenten überwinden Talsohle

16.03.1984

NEW YORK (VWD) - Noch zum Jahresbeginn 1983 klagten die amerikanischen, japanischen und europäischen Halbleiterproduzenten über das schleppende Geschäft und erwarteten eine Fortsetzung der zweijährigen Flaute. Entgegen diesen düsteren Prognosen hat es im abgelaufenen Jahr vom zweiten (Quartal an eine beispiellose Nachfrageexplosion bei den amerikanischen Unternehmen aus dem Silicon-Valley in Californien und bei den {übrigen Herstellern von Computerspeicherchips und Mikroprozessoren gegeben.

Personal Computer wurden zu Millionen verkauft, die Nachfrage an elektronisch gesteuerten Haushaltsgeräten wie Fernsehen, Tonbändern Radios und Videogeräten stieg und die Automobilindustrie hat sich mit neuen ebenfalls elektronisch regulierten Motoren und anderen Aggregaten zu einem Großabnehmer für die Chip-Produzenten entwickelt. Statt einer Kapazitätsauslastung von nur 70 Prozent in 1982 waren US-Firmen wie Texas Instruments, Motorola, National Semiconductor, Intel Advanced Micro Devices, Mostek Fairchild Camera and Instruments und Signetics (Philips) sowie die japanischen Anbieter von der Jahresmitte 1983 an voll ausgebucht. Zur Zeit gibt es sogar massive Versorgungsengpässe, und viele Hersteller, beispielsweise Intel, weisen Neukunden zu Gunsten der Stammkundschaft zurück.

Heute gibt es in dem 16,6 Milliarden Dollar umfassenden Halbleiterweltmarkt keinerlei freie Kapazitäten mehr. Er wird von den beiden Hauptkonkurrenten USA (69 Prozent) und Japan (25 Prozent) beherrscht, während europäische Halbleiterproduzenten mit sechs Prozent eine völlig untergeordnete Rolle spielen. Die amerikanischen Anbieter haben im letzten Jahr Chips und Mikroprozessoren im Wert von 11,4 Milliarden Dollar gefertigt, gegenüber 9,5 Milliarden Dollar im Vorjahr. 1984 dürfte es nochmals einen kräftigen Umsatzzuwachs geben, da die US-Halbleiterfirmen im Gegensatz zur letzten Flaute in der Mitte der siebziger Jahre weiter kräftig investiert haben.

Mit ihrer Investitionssteigerung um über 20 Prozent haben die IJS-Firmen zwar nicht mit den Japanern Schritt gehalten, die ihre Ausgaben für neue Kapazitäten um 46 Prozent erhöhten, doch reagierten sie trotz der vorherigen schweren Flaute besser auf die Herausforderung der japanischen Firmen wie Nippon Electric (NEC), Hitachi, Toshiba, und Fujitsu, die in der Mitte der siebziger Jahre in das von den amerikanischen Herstellern hinterlassene Vakuum nachstießen und große Marktanteile gewannen.

Bei den 64-K-RAM-chips (random access memory) halten die Japaner deshalb inzwischen einen Marktanteil von 70 Prozent. Auf ihnen können 65 536 Informationsangaben gespeichert werden. Allerdings zeichnet sich jetzt mit den neu auf den Markt kommenden 256-K-Chips die nächste große Schlacht zwischen amerikanischen und japanischen Anbietern ab. Diese neuen Superchips haben die vierfache Speicherkapazität wie die 64-K-Chips.

Bis 1987 wird mit einem Jahresumsatz von 3,6 Milliarden Dollar für die neuen Speicher gerechnet. Die 256K-Chips kosten heute noch rund. 100 Dollar pro Stück, doch wird mit anlaufender Großnachfrage ein ebenso starker Preissturz wie bei den 64-K-Speichern gerechnet, die sich innerhalb weniger Jahre auf vier bis sechs Dollar je Stück verbilligt haben.

Auf amerikanischer Seite bieten beispielsweise Mostek, Motorola, und Texas Instruments diese Chips an. Die neue AT + T hat seit der Aufspaltung des Telefonkonzerns per Jahresanfang 1984 die Absicht, mit ihren 256-K-Chips zum Großanbieter im Halbleiterbereich zu werden, während früher die Produktionstochter Western Electric ausschließlich für den internen Gebrauch fertigte. IBM produziert als größter Halbleiterhersteller der Welt auch heute noch nur für sich selbst, hat aber auch den graduellen Aufkauf eines 17prozentigen Anteils am Intel-Kapital den fortschrittlichen US-Hersteller zum Hauptlieferanten für den Mikroprozessor ihrer sensationell erfolgreichen Personal Computer gemacht.

Alle neuen Produkte basieren auf dem 16-Bit-Mikroprozessor 8088 von Intel. Da für fast alle anderen amerikanischen und japanischen Hersteller von Mikrocomputern die IBM-Kompatibilität wegen der Menge verfügbarer und neu auf den Markt kommender Softwareprogramme für den IBM-PC und den billigeren Heimcomputer IBM-PCjr unumgänglich ist, benötigen sie ausnahmslos den Intel-Mikroprozessor oder ein äquivalentes Produkt.

Die Chip-Hersteller sehen als nächsten wichtigen Schritt die Großserienfertigung der 32-Bit-Mikroprozessoren, wie sie beispielsweise in den neuen Apple-Computern Macintosh und Lisa verwendet werden. Die nächste Generation von Mikrocomputern wird wahrscheinlich innerhalb der nächsten zwei bis fünf Jahre vor allem aus 32-Bit-Maschinen bestehen.

Deshalb setzen Formen wie die neue AT + T, Hewlett-Packard und die NCR Corp. auf diese Chips, um die beiden unumstrittenen US-Marktführer für die derzeit dominierenden 16-Bit-Mikroprozessoren, Motorola und Intel, in Zukunft unterlaufen zu können. In Japan setzt man außerdem in immer stärkerem Umfange auf die CMOS-Halbleiter (complimentary metal oxide semiconductor), die weniger Strom benötigen, temparaturunempfindlicher sind und weniger Hitze abgeben.

Unter den US-Halbleiterproduzenten hatten freie Marktanbieter nach Schätzungen des Marktforschungsinstituts Integrated Circuit Engineering Corp einen Umsatzanteil von 7,8 Milliarden Dollar, wahrend Unternehmen, die nur für den eigenen Bedarf produzieren, Speicherchips und Mikroprozessoren im Wert von 3;6 Milliarden Dollar herstellten. Der größte Produzent der Welt ist die IBM mit 2,4 Milliarden Dollar.

An der Wallstreet haben die Halbleiteraktien allerdings kürzlich nach einem fast zweijährigen Höhenflug Rückschläge von 15 bis 20 Prozent erlitten, da die Brokerhäuser angesichts der hohen Kurse zu Gewinnmitnahmen rieten. Sie begründen diesen Rat an ihre Kunden außerdem damit, daß die Gewinnexplosion nur noch im ersten Halbjahr 1984 anhalten dürfte, und daß dann neu in Betrieb kommende Kapazitäten die Margen graduell wieder drücken würden.