Halbjahreszahlen und Restrukturierungsplan vorgelegt Sanierer Serge Tchuruk will bei Alcatel Alsthom durchgreifen

06.10.1995

PARIS (CW) - Serge Tchuruk, seit Mai 1995 Chairman und CEO von Alcatel Alsthom SA, hat sich viel vorgenommen: Bis 1998 soll der franzoesische TK- und Elektronikriese wieder profitabel sein. Mit ueber einer Milliarde Franc Verlust im ersten Halbjahr 1995 ist das Unternehmen davon noch weit entfernt. Der als Sanierer bekannte Tchuruk will nun einen harten Restrukturierungskurs fahren.

Alcatel Alsthom steckt seit ueber einem Jahr in der Krise. Management-Wechsel und Korruptionsvorwuerfe begleiteten die ruecklaeufigen Ertraege, die vor allem im Telekommunikationsgeschaeft immer magerer wurden. Mit Serge Tchuruk ist, was die Skandale betrifft, wieder Ruhe eingekehrt.

Das Thema Ertragslage kann allerdings noch nicht abgehakt werden: 1,2 Milliarden Franc (etwa 350 Millionen Mark) Verlust gegenueber zwei Milliarden Franc Gewinn im Vorjahr trueben das Bild nach den ersten sechs Monaten des laufenden Geschaeftsjahres. Das Betriebsergebnis sank von knapp 4,4 auf etwa 1,8 Milliarden Franc. Zugelegt hat das Unternehmen beim Umsatz - wenngleich nur geringfuegig von 78,1 auf 78,3 Milliarden Franc. Auch in den restlichen sechs Monaten wird sich die Situation laut Tchuruk nicht grundlegend aendern.

Zur Verschlechterung der Ergebnisse hat in erster Linie der Telekommunikations- sowie in geringerem Umfang der Kabelbereich beigetragen. Rund zwei Drittel des letztjaehrigen Jahresumsatzes in Hoehe von 167,6 Milliarden Franc kamen ueber das Geschaeft mit TK- Equipment herein. Das allerdings leidet durch die zunehmende Konkurrenz unter sinkenden Preisen, worauf auch die deutsche Tochter Alcatel SEL bei der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen (siehe Kasten) hinwies.

Wegen der nach Laendern gegliederten Organisation mit relativ unabhaengig agierenden Einheiten konnte Alcatel aus seiner Groesse keinen wirtschaftlichen Vorteil ziehen. Es sei nicht moeglich gewesen, auf die staerkere Globalisierung der Maerkte erfolgreich zu reagieren, analysiert Tchuruk einer Unternehmensmeldung zufolge.

Das Telekommunikationsgeschaeft ist deshalb von Tchuruks Restrukturierungsvorhaben, das zwischen zehn und zwoelf Milliarden Franc kosten soll, am staerksten betroffen. Es ist nicht die erste Reorganisation, die Alcatel durchmacht. Auch sein im Zuge der Skandale gefeuerter Vorgaenger Pierre Suard wollte das Unternehmen in aehnlicher Richtung ummodeln, kam aber nicht schnell genug voran, schreibt das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Analysten. Tchuruk kann sich allerdings einiger Vorschusslorbeeren sicher sein: Er gilt als harter Sanierer, seit er den Mineraloelkonzern Total SA aus der Krise holte. Bei Alcatel will er bis zum Jahr 1998 jaehrliche Produktivitaetsgewinne von bis zu sieben Milliarden Franc erzielen.

Alcatel Telecom soll den Produktlinien entsprechend in acht Divisionen aufgeteilt werden, die fuer ihr Ergebnis sowie fuer Forschung, Entwicklung, Fertigung und Marketing verantwortlich sind. Zusaetzlich werden die Zustaendigkeiten in geografische Regionen und Grosskunden gegliedert.

Finanzen werden kuenftig wieder zentral kontrolliert

Der Manager erhofft sich dadurch, wieder eine bessere Position in einem immer weniger staatlich regulierten Markt zu erringen, der es den Betreibern erlaubt, sich weltweit nach guenstigen Angeboten umzusehen.

Auf Konzernebene soll die Kontrolle der Finanzen wieder zentralisiert werden. Ausserdem werden in den naechsten zwei Jahren Aktivposten im Wert von rund zehn Milliarden Franc abgestossen. Zudem sprach sich Tchuruk fuer einen Ausbau der Aktivitaeten im Bereich Mobilkommunikation aus - hier tat sich das Unternehmen bisher schwer gegen einen Mitbewerber wie Ericsson, der sich dem "Wall Street Journal" zufolge sogar in Alcatels franzoesischem Heimatmarkt ein schoenes Stueck vom Kuchen abschneiden konnte.

Alcatel SEL AG Halbjahresergebnis 1995/1994

Umsatz: 1491/2056

Ergebnis nach Steuern: -146/-169

Angaben in Millionen Mark