Münchner Softwarehaus-Manager wegen Betruges verurteilt:

Haftstrafen für Ex-Afis- und SFD-Gesellschafter

23.10.1981

MÜNCHEN - Wegen Betruges in zwei Fällen wurden jetzt in München die beiden Ex-Gesellschafter des Ottobrunner Softwarehauses SFD Software-Engineering für Datentechnik GmbH & Co. KG und der Paderborner Afis Angewandte Fertigungs- und Informationssysteme GmbH, Werner B. (34) und Norbert Q. (35), zu empfindlichen Haftstrafen verdonnert. Im sogenannten Sale-and-lease-back-Verfahren kassierte das Unternehmer-Duo rund eine Millionen Mark für nichtexistente DV-Anlagen, um gähnende Löcher auf ihren Geschäftskonten zu stopfen.

Gemischte Stimmung herrschte im Gerichtssaal B 690 der 16. Strafkammer des Münchner Landgerichtes 1. Auf den zeitweilig voll besetzten Besucherbänken saßen während der drei Verhandlungstage fast ausschließlich ehemalige SFD-Mitarbeiter, die beharrlich der Verurteilung ihrer einstigen Chefs entgegensahen.

Auf der Anklagebank fehlte indessen ein weiterer, wenn auch imaginärer Beteiligter: Die Gutgläubigkeit der Leasing-Branche. Denn speziell diese haben die Herren Q. und B. ausgenutzt, um die marode SFD-Karre wieder aus dem Dreck zu ziehen.

Die eigentliche Tragödie begann für die beiden Mittdreißiger indes lange vor dem Leasing-Coup: Noch Anfang 1978 war die fünf Jahre zuvor von Norbert Q. gegründete SFD eine kleine Software-Schmiede mit etwa sechs Mitarbeitern. Ein Großauftrag der Siemens AG zur Entwicklung des inzwischen eingestellten Programmier-Projektes "Simas" brachte die Firma umsatz- und personalmäßig geradezu zum Explodieren. Innerhalb kurzer Zeit wurde der Mitarbeiterbestand auf rund 20 aufgestockt. Zu diesem Zeitpunkt trat auch Werner B. als Geschäftsführer in das Unternehmen ein. Das bisher "auf Sparflamme" kochende Software-Haus, so ein leitender Ex-SFD-Mitarbeiter, habe fortan monatlich mehr als 200 000 Mark aus Siemens-Quellen verbuchen können. Dieses Geld sei von den beiden SFD-Chefs für "unsinnige Investitionen, Riesengehälter und dicke Dienstwagen" mit vollen Händen herausgepulvert worden.

Da Werner B. und Norbert Q. jedoch wußten, daß der Siemens-Jungbrunnen mit Fertigstellung des Simas-Projektes einmal versiegen werde, seien sie dazu übergegangen, ein Zweigstellenkonzept zu entwickeln, um die bei dem Münchner Computer-Hersteller agierenden Mitarbeiter später auffangen zu können. Zum Hauptsitz Paderborn (hier war die SFD im Handelsregister eingetragen) und der eigentlichen Unternehmenszentrale Ottobrunn bei München gesellten sich noch die Filialen Essen und Stuttgart. Hierfür wurden nach Angaben ehemaliger SFD-Mitarbeiter wiederum Unsummen für teuer ausgestattete Büroräume und hohe Mieten ausgegeben. Dieses unüberlegte Geschäftsgebaren habe schließlich tiefe Löcher in die Konten der SFD gerissen. So bestanden etwa Anfang dieses Jahres Bankverbindlichkeiten bei verschiedenen Geldinstituten von annähernd zwei Millionen Mark. Zu diesem Zeitpunkt hatten die beiden Ex-Nixdorfer B. und Q. nahezu fünfzig Leute auf ihren Gehaltslisten, die nach Bezahlung verlangten. Aber die Siemens-Gelder hätten nicht mehr ausgereicht, um die - inzwischen auf rund 300 000 Mark angelaufenen monatlichen Fixkosten - zu decken. Da auch die SFD-Altkunden nicht den erhofften Goldregen brachten und die Banken massiv auf Kontenbereinigung drängten, mußte sich das Unternehmer-Duo etwas einfallen lassen, um das Unternehmen vor dem drohenden Ruin zu schützen.

Inzwischen wurde auch die Afis GmbH in Paderborn gegründet, mit der ursprünglich Honeywell-Bull-Rechner vertrieben werden sollten. Als Gesellschafter des quasi Ein-Mann-Betriebes fungierten Werner B und Norbert Q. gemeinsam. Die Afis wurde letztendlich dazu genutzt, um den Millionen-Deal mit der Frankfurter Boston Leasing GmbH und der Münchener Centra Leasing GmbH perfekt zu machen.

Zuerst schlossen die SFD-Chefs einen Leasing-Vertrag mit der Boston GmbH. Die Finanzierung sollte in der Weise erfolgen daß Afis zwei von Honeywell Bull gekaufte DV-Anlagen vom Typ 6/43 an die Frankfurter veräußern sollte, die wiederum diese Systeme an SFD vermiete. Im guten Glauben an die von Werner B. und Norbert Q. gemachten Angaben überwies Boston die von Afis berechneten Kaufpreise in Höhe von insgesamt 700 000 Mark auf ein Konto der SFD. Der Clou: Afis hatte zu keinem Zeitpunkt eine Honeywell-Anlage erhalten oder gekauft und war insofern juristisch auch nicht befugt, diese an das Leasingunternehmen zu übereignen. Zum Beweis für den System-Kauf legten die Beklagten Rechnungsformulare von Honeywell vor, die mit einem Bezahlt-Stempel versehen waren. Wer diese Rechnungen letztlich verfaßte, blieb ungeklärt - Honeywell war's angeblich nicht.

Die von Boston Leasing eingegangenen Gelder wurden schließlich dazu benutzt, um ein bei der Bayerischen Vereinsbank bestehendes SFD-Konto auszugleichen, das inzwischen einen Minusbetrag von 1,2 Millionen Mark aufwies. Als man merkte, daß diese Art der Kapitalbeschaffung klappte, traten die beiden SFD/Afis-Bosse auch an die Centra GmbH heran, ebenfalls ein Honeywell-System 6/43 im Sale-and-lease-back-Verfahren zu finanzieren. Werner B., der hier hauptsächlich in Erscheinung getreten sein soll, habe gegenüber Centra behauptet, Afis hätte besagte DV-Anlage im Wert von rund 270 000 Mark von Honeywell gekauft und an die SFD weiterveräußert. Diese Behauptung sei durch die Vorlage einer Kaufpreis-Rechnung von Afis an SFD und der fingierten Fotokopie eines Schecks in Höhe des Kaufbetrages nachgewiesen worden. Im Glauben an diese Angaben kaufte Centra schließlich den nichtexistenten Honeywell-Rechner und vermietete ihn an die SFD. Noch am gleichen Tage zahlte die Münchener Leasing-Gesellschaft per Scheck rund 270 000 Mark an das Ottobrunner Softwarehaus.

Der Coup sei schließlich aufgeflogen, als dem bei Afis als Geschäftsführer eingesetzten Hartmut Kling die Honeywell-Rechnungen und die Leasing-Verträge in die Hände fielen. Kuriosum seiner Entdeckung: Auf der Honeywell-Rechnung habe sich das Datenbanksystem "TPS 6" befunden, das von dem Kölner DV-Hersteller noch gar nicht auf den Markt gebracht worden sei. Hinzu käme die Tatsache erläutert der Ex Afis-Geschäftsführer, daß weder in seinem Unternehmen noch bei der SFD Bedarf und Platz für die Computer vorhanden gewesen sei. Kling setzte sich daraufhin mit der Boston Leasing in Verbindung und brachte das Vergehen zur Anklage.

Die Angelegenheit ging in Anbetracht der Forderung des Staatsanwaltes (vier Jahre, sechs Monate) für die Ex-Manager noch relativ glimpflich aus: Werner B. muß insgesamt drei Jahre und sechs Monate einsitzen, bei Norbert Q. gab sich Jus??? mit drei Jahren und drei Monaten frieden. Der Richter erwähnte bei der Urteilsverkündigung, daß die "besondere familiäre Situation" der Angeklagten dazu beigetragen habe daß Strafmaß etwas milder zu gestalten. Die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung stand den Beklagten noch offen.