Philippinische Regierung saß vermutlich Betrügern auf

Hacker sollten Marcos-Gelder bei Schweizer Banken finden

26.07.1991

MÜNCHEN (CW) - Vier Personen, die letzte Woche in der Schweiz und in Deutschland verhaftet wurden, sollen versucht haben, heimlich in die Computer der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) und der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) einzudringen.

Ziel der vorgeblichen Hacker war es nach einem Bericht der amerikanischen Nachrichtenagentur AP, Informationen über geheime Konten des verstorbenen philippinischen Ex-Diktators Ferdinand Marcos zu finden. Ihr Auftraggeber: Die philippinische Regierungskommission PCGG (Presidential Commission on Good Government), die sich um die Rückgabe der illegal ins Ausland geschafften und nun in der Schweiz blockierten Marcos-Gelder bemüht.

Unter den Festgenommenen befindet sich auch der Beauftragte der PCGG, ein Australier namens Reiner Jacobi, der auf Ersuchen der Züricher Bezirksanwaltschaft am 11. Juli 1991 in München verhaftet wurde. Eine Auslieferung Jacobis haben die deutschen Behörden allerdings bislang abgelehnt. Bei den anderen drei Beschuldigten, so der zuständige Bezirksanwalt Peter Cosandey, handelt es sich um einen Amerikaner und zwei Schweizer.

Einen ersten Hinweis, wonach ein Unbekannter in das System der SKA eingedrungen sein soll, erhielten die Behörden am 31. Mai 1991. Zwei Tage zuvor hatten die Philippinen die Sperrung zweier SKA-Konten beantragt, auf denen sich angeblich 1,3 Milliarden US-Dollar befinden, die dem Marcos-Clan gehören sollen. Der Präsident der PCGG, David Castro, hatte behauptet, die Konten liefen auf den Namen eines Genfer Anwalts der Marcos Familie. Verfügungsberechtigt seien die jüngste Marcos-Tochter Irene und deren Ehemann Gregorio Araneta.

Die SKA indes bestreitet, daß die Konten überhaupt existieren. Kontonummern, wie die Philippinos sie angegeben hätten, würden seit 20 Jahren nicht mehr verwendet.

Den bisherigen Ermittlungen zufolge hat Jacobi, der für die PCGG als "Consultant of Security and Intelligence Affairs" arbeitet, sich über einen amerikanischen Mittelsmann in Genf mit einem Schweizer in Verbindung gesetzt, der ihm helfen sollte, Existenz und Salden der fraglichen Konten zu überprüfen. Dieser wandte sich an einem Landsmann, der angab, mit einem Spezialcode Zugang zu den Bankenrechnern zu haben.

Die von ihm beschafften Informationen sollen dann teils über den Mittelsmann, teils direkt an Jacobi und von diesem an die PCGG weitergeleitet worden sein. Auf die gleiche Weise wurde dann angeblich ein Einbruch in die Computer der SBG versucht, um dort Informationen über vermutete Marcos-Geldkonten zu erhalten.

Die beiden Banken allerdings behaupten, daß, soweit es sie betrifft, an der ganzen Sache überhaupt nichts dran ist: Die SBG weiß von keinem Hackerangriff, und ein Vertreter der SKA erklärte, in ihr System einzudringen sei "ein Ding der Unmöglichkeit". Diese Ansicht teilt offenbar auch Bezirksanwalt Cosandey: Er vermutet, daß die philippinische Regierung mit größter Wahrscheinlichkeit Betrügern aufgesessen ist.