"Hacker ist nicht gleich Hacker"

19.04.2006
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Sie knacken IT-Systeme, streuen PC-Viren und müllen Computernetze zu. Über Hacker und ihre Beweggründe sprach Ina Hönicke mit dem Heidelberger Diplompsychologen Alexander Schestag.

CW: Besteht die Gefahr, dass aus Computerfreaks irgendwann kriminelle Hacker werden?

SCHESTAG: Zunächst einmal eine kritische Anmerkung zum Begriff "Hacker". Die Hacker-Szene wehrt sich zu Recht gegen die Gleichsetzung des Worts mit „kriminell". Ein Hacker ist der ursprünglichen Definition nach ein Mensch, der sich für einen kreativen Umgang mit der Technik interessiert. Erst im Laufe der Jahre wurde der Begriff, der übrigens am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entstand, zunehmend kriminalisiert. Die Hacker-Szene nennt Menschen, die in Computersysteme eindringen und Daten stehlen oder zerstören, „Cracker". Jugendliche wiederum, die mit wenig technischem Sachverstand vorgehen, werden als „Script-Kiddies" bezeichnet. Kurzum – Hacker ist nicht gleich Hacker. Ich bin sogar überzeugt, dass die wenigsten Computerfreaks Schaden anrichten wollen.

CW: Sie können aber nicht abstreiten, dass Computersysteme von elektronischen Eindringlingen attackiert werden. Was sind denn Ihrer Meinung nach deren Motive?

SCHESTAG: Viele wollen Macht ausüben oder Eindruck bei den Leuten schinden, mit denen sie Daten austauschen. Andere wollen Sicherheitslücken erkunden und beispielsweise Microsoft auf Systemschwächen hinweisen. Mitunter wissen die so genannten Hacker auch gar nicht, dass sie mit ihrem Vorgehen großen Schaden anrichten können.

CW: Nun gibt es unter den Hackern auch etliche Informatikstudenten. Sehen Sie hier eine Gefahr?

SCHESTAG: Die meisten Erwachsenen gehen verantwortungsvoll mit ihrem Wissen um. Natürlich gibt es auch studierte Kriminelle, aber die Mehrzahl möchte vorrangig auf Schwächen in den Systemen hinweisen. Das gerät naturgemäß leicht zur Gratwanderung. Aber diese entsteht überwiegend durch die Kriminalisierung von Leuten, die - ohne kriminelle Motive - Schwächen in Systemen aufdecken. Leider besteht in den Medien nach wie vor das Bild vom so genannten kriminellen Hacker, der Pizza futternd in einem abgedunkelten Raum sitzt und reihenweise in fremde Systeme eindringt. Dieses Bild ist ein Mythos. Hacker sind oft politisch motiviert. Sie setzen sich für den Schutz privater Daten und für die Informationsfreiheit ein. Das Problem ist nur: Solche Hacker sind für die Medien nicht so interessant wie die Kriminellen.