Haben Sie ein Rezept für den Fall einer Krise?

15.06.1979

Die Frage, was passiert, wenn infolge einer Rezession EDV-Kapazitäten abgebaut werden müssen, wird stets nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert: Die Lösung bezieht schließlich nicht nur die Dezimierung von Hard- und Software ein, sondern greift auch gleichzeitig im Personalbereich, und da könnten "Kopfe rollen" - auch der eigene. Was machten die Unternehmen nun tatsächlich in einer "Krise"? Rund fünfzig EDV-Leiter antworteten auf eine CW-Umfrage: ""Offiziell" haben wir uns hierüber noch keine

Gedanken gemacht" - denn dem Unternehmen ginge es gut und von einer Krise seien wir wahrhaft weit entfernt. Immerhin: Sechs EDY-Chefs hatten eine Schubladenantwort parat. Weitblick oder Vorsicht? Keiner glaubt an ein Patentrezept, aber "die Zeit zeigt, daß der Fall schneller eintreten kann als man vermutet", versucht Karl-Heinz Aufermann, EDV-Leiter der Deutschen Rockwell GmbH in Gladbeck, dem "Undenkbaren" planerisch zu begegnen.

Helmut Ernst

EDV-Leiter der Honda Deutschland GmbH, Offenbach

Die Vorstellung einer Stagnation der Umsatzentwicklung der Firma Honda Deutschland GmbH, einer Tochter des japanischen Honda-Konzerns, ist für jemanden, der die rapide Entwicklung dieses Unternehmens mitverfolgen konnte, doch etwas

ungewöhnlich. Ungewöhnlich wäre allerdings auch die schnelle Reaktion der nach japanischen Maßstäben ausgerichteten Organisation, deren oberster Grundsatz die Flexibilität aller Organisationsphasen darstellt. Abgesehen von der Möglichkeit der

Verlagerung der Prioritäten der einzelnen doch sehr unterschiedlichen Produktpaletten, die für japanische Unternehmen so bezeichnend sind, würden sich auch bei der

Annahme einer Stagnation in allen Produktbereichen noch keine gravierenden Konsequenzen für den Einsatz unserer EDV ergeben, da bedingt durch die so ungeheuer expansive Entwicklung des Unternehmens noch so mancher Rationalisierungseffekt in der Prioritätenliste hintenan steht. Die Anpassung der Organisation an eventuelle gravierende Marktumstrukturierungen würde relativ schnell möglich sein, da diese im wesentlichen von der EDV selbst entwickelt, daher sehr unkonventionell, flexibel und unbelastet von bestehenden, durch begrenzte Organisationsmittel eingeengten und vielschichtig verkrusteten Organisationen entwickelt wurde. Selbst bei der Annahme der widrigsten Umstände (Einschränkung in der Hardware und Personalreduzierung in der EDV) würde dies im personellen Bereich keine größeren Probleme mit sich bringen, da jeder des qualifizierten Personals ein umfangreiches Fachwissen seines jeweiligen Fachgebietes besitzt und somit die Eingliederung, in die entsprechende Fachabteilung ohne größere Probleme geschehen könnte. Die notwendigen Änderungen der Hardware wären ebenso schnell durch die kurzfristige Laufzeit der Mietverträge möglich.

Kurt Brühl

Leiter Org./Datenverarbeitung Gebr. Knauf Westdeutsche Gipswerke, Iphofen

Ein wesentliches Kriterium für die Maßnahmen, die zu veranlassen sind, um eine Krise zu meistern, ist einmal das Ausmaß, die Art der Krise und der für die notwendige Reaktion zur Verfügung stehende Zeitraum. Wir sprechen als Unternehmen der Baustoffindustrie aus Erfahrung. En den Jahren 1975/76 und 1977 mußten wir eine solche Krise bewältigen.

Wir können ganz global feststellen, daß aufgrund der Krise die Anforderungen an den Bereich der Organisation und Datenverarbeitung plötzlich noch größer geworden sind. Von einer Reduzierung der Aktivitäten war nichts zu verspüren. Von heute auf morgen wurden EDV-Entwicklungsvorhaben, die mittel- oder langfristig angelegt waren, gestoppt. Das Schwergewicht lag in der Aufgabenstellung, die Büroarbeit der veränderten Beschäftigungslage anzupassen. Offensichtlich erkennbare Mängel, die kurzfristig per EDV zu beheben waren, wurden an deren Stelle realisiert. Die Programme mußten überwiegend nach den Gesichtspunkten der Arbeitszeit-Einsparung überarbeitet beziehungsweise neu entwickelt werden. Das Informationsbedürfnis stand hierbei etwas im Hintergrund, wobei mehr Wert auf die Tagfertigkeit und Konzentration zu legen war.

Die Bautätigkeit hat zwar in letzter Zeit wieder zugenommen, wir müssen jedoch nach wie vor darauf achten, im Wiederholungsfalle gewappnet zu sein. Bekanntlich sind gerade im Büro gegenüber der Fertigung für die nächsten Jahre große Rationalisierungsreserven. Jede Firma ist daher gezwungen, und das besonders in einer Krise, im Verwaltungsbereich weitere Kosten einzusparen. Das wirksamste Rationalisierungsmittel hierfür ist die weitere Einführung der Datenverarbeitung in den Büros, zur Zeit speziell mit den Bildschirmen.

Die beste Vorbeugung sehen wir darin, die Rationalisierungsvorhaben möglichst bereits in "guten Zeiten" zu verwirklichen.

Darüber hinaus hilft eine Krise besser zu überwinden:

þDas DV-Management sowie die Software-Entwicklungsmethoden müssen auf dem neuesten Stand gehalten werden.

þDas derzeitige Preis-/Leistungsverhältnis sowie weitere Verbesserungen, die in den nächsten Jahren zu erwarten sind, gibt der EDV immer größere Standfestigkeit und Daseinsberechtigung. Die EDV wird künftig noch weitaus größere Arbeitsbereiche als in der Vergangenheit zu bewältigen haben, ohne daß sich der Preis nach oben verändern wird. Durch kurzfristige Verträge mit den Herstellern versuchen wir auch hier möglichst flexibel zu sein und technologisch auf dem neuesten Stand der Entwicklung zu bleiben. Je weiter die EDV im Unternehmen sinnvoll integriert ist um so weniger stellt sich die Frage, bei Geschäftrückgang auf die Maschinen im eigenen Hause zu verzichten, da in diesem Falle die Personalkosten sofort ansteigen. Dies gilt insbesondere für umfangreiche Online-Lösungen.

In diesem Zusammenhang muß heute bereits bezweifelt werden, ob umfangreiche Online-Lösungen zum Teil auch spezielle Batch-Programme, kurzfristig überhaupt noch von zusätzlichem Personal erledigt werden können. Die Anzahl der gespeicherten Daten, das Wissen, das heute bereits in den Programmen eingebaut ist, läßt die Arbeitsabwicklung sicherlich nur mühsam auf die altherkömmliche manuelle Art zurückführen. Teilweiser Verzicht auf EDV-Leistungen ist - daher künftig problematisch. Es bleibt zwar immer eine Alternative, bei größeren Geschäftsrückgängen die eigene Datenverarbeitung außer Haus zu geben - eine Lösung ist in einem Katastrophenfalle bereits mit einem befreundeten Unternehmen besprochen und vorgesehen -, die vorhandenen Programme müssen jedoch weiterentwickelt und gewartet werden.

þWesentlich größere Schwierigkeiten verursachen die Kosten für die Software-Herstellung beziehungsweise Software-Wartung, die im Falle einer Krise natürlich besonders zu Buche schlagen. Hierbei gilt in erster Linie, rechtzeitig den richtigen Mann am richtigen Platz zu haben, das heißt sich heute durch richtige Personalpolitik und Ausbildung gute Mitarbeiter heranzuziehen, deren Kosten sich in jedem Falle relativ rasch amortisieren. Qualität geht vor Quantität.

þEine weitere Möglichkeit sehen wir auch in der Dezentralisierung. Da wir in den letzten Jahren Mittlere Datentechnik in unserem Unternehmen betreiben, haben wir natürlich die Möglichkeit, mit der MDT-Software auch im zentralen Bereich zu arbeiten. Der Umstellungsaufwand könnte im Falle eines größeren Geschäftsrückganges durch die niedrigeren Hardware-Preise schnell ausgeglichen sein.

- Die Mittlere Datentechnik ist längst über ihr Anfangsstadium hinausgewachsen. Die Leistungsfähigkeit dieser Maschinen erreicht heute bereits Dimensionen, die wir vor nicht allzu langer Zeit noch der Groß-EDV gewünscht hätten. Eine dezentrale EDV-Abwicklung der Unternehmensbereiche Verkauf, Produktion und Verwaltung wenn die Software in unserem Falle vorhanden ist, kann heute bereits eine sinnvolle Alternative sein.

Für den Fall einer Krise liegen in unserem Hause keine festen Plane vor, da jede Krise sicherlich ihre eigenen Gesetze hat. Wir glauben jedoch, daß wir flexibel genug sind, uns auf nahezu jede Gegebenheit relativ rasch einzustellen.

Rudolf Matt

Leiter der Datenverarbeitung Ferdinand Pieroth Weingut Weinkellerei GmbH, Burg Layen bei Bingen

Grundsätzlich gilt für die EDV - mehr als für andere Bereiche des Unternehmens - eine Langfriststrategie. Dies liegt nicht zuletzt an den langen Vorlaufzeiten für die Softwareentwicklung. Auch die Flexibilität auf dem Hardwaresektor ist durch langfristige Mietverträge beziehungsweise Kauf in der Regel stark eingeschränkt. Dies bedeutet, daß die Unternehmensentwicklung mittelfristig bis langfristig geplant sein muß.

Trotz dieser Einschränkungen ist die Notwendigkeit eines Krisenplanes wohl unbestritten.

Es gelten zugleich auch in der EDV die Wirtschaftlichkeitsprinzipien, das heißt es ist eine permanente Aufgabe, die Aktivitäten der EDV unter Aufwands- und Nutzenaspekten zu sehen. Wenn dies geschieht, und somit Unwirtschaftlichkeiten keinen Platz haben, ist die Ausgangsbasis für die Schaffung eines solchen oben aufgeführten Planes ungleich günstiger.

Ein Krisenplan sollte für die EDV - wie für andere Bereiche - verschiedene Stufen beinhalten, je nachdem wie die wirtschaftliche Situation und Entwicklung eingestuft wird. Die Abschätzung der Dauer und des Ausmaßes ist dabei von größter Wichtigkeit. Ein relativ kurzfristiger Rückgang (einige Monate) wird kaum in der EDV zu Konsequenzen führen. Erst nachhaltige Verschlechterungen lassen den Einsatz eines Krisenplanes geraten erscheinen.

Da der variable Kostenblock in der EDV recht niedrig ist, ist eine Grenzwertbetrachtung recht unergiebig, nur der Wegfall einer Liste (nicht ausdrucken) bringt zum Beispiel so gut wie nichts.

Der ergiebigere Teil sind die fixen Kosten. Hier abzubauen bedingt aber ein genau durchdachtes und abgestimmtes Handeln. So muß, um eine Schicht im Operating abzubauen, vorher sehr genau geplant und mit den anderen Teilen des Unternehmens abgestimmt sein, was alles wegfallen kann. Auch die Drosselung von Programmieranforderungen und damit eventuell Personalabbau muß sehr gut überlegt sein.

Der äußersten Stufe des Krisenplanes liegt wohl die Fragestellung zugrunde: Welche Abläufe sind für das Unternehmen lebensnotwendig und was muß für deren Erhalt getan werden?

Herbert F. Schef

Leiter der Datenverarbeitung, Black & Decker G.M.B.H., Idstein/Taunus

Wir haben in der EDV eine Hardware- und Finanzierungsplanung von mindestens drei bis fünf Jahren. Aufgrund dieser Planung ist es möglich, kurzfristig und ohne große Abstandszahlungen, die Rechnerkapazität an die wirtschaftlichen Erfordernisse anzupassen. So haben wir unsere EDV-Anlage in drei Kategorien eingeteilt:

1. Langfristig wirtschaftlich nutzbare Geräte, wie Bänder, Drukker, Lochkartenleser, sind entweder durch Kauf oder abgelaufene Leasingverträge bereits unser Eigentum, was rund 30 Prozent des gesamten Anlagenwertes entspricht.

2. Mittelfristig wirtschaftlich nutzbare Geräte werden über Leasing finanziert und zwar über mehrere Verträge mit unterschiedlichen Restlaufzeiten. Durch diese Verschachtelung der Laufzeiten in den einzelnen Verträgen sind im Schnitt immer 50 Prozent der Leasingsumme, in unserem Fall zirka 40 Prozent des Anlagenwertes, schon durch Raten abgezahlt. So sind unsere Verbindlichkeiten bei Leasing nie größer als 20 Prozent des Anlagengesamtwertes.

3. Bei Geräten, bei denen eine schnelle technische Entwicklung abzusehen war, haben wir uns für die Hersteller-Miete entschlossen und zwar für Vierjahresverträge. Bei einer Anlagenvergrößerung spielt die Vertragsdauer ja ohnehin keine Rolle. Sollten wir aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sein, die Rechnerkapazität gravierend zu verkleinern, haben wir einen Anhang in den Verträgen, der es uns ermöglicht, nach Rückzahlung der Mietvergünstigungen, aus dem Vierjahresvertrag kurzfristig aussteigen zu können, so daß wir auch bei diesen Geräten, die etwa 30 Prozent der gesamten Anlage ausmachen, spätestens nach einem Jahr frei von Verbindlichkeiten wären.

Abschließend wäre noch zu sagen, daß wir, obwohl wir alle Update-Programme auf Real-Time-Verarbeitung und die Hardware zur Sicherheit auf ein Duplex-System umgestellt haben, aufgrund des modularen Programmaufbaus in der Lage wären, die wichtigsten Arbeiten, wie Fakturierung und Finanzbuchhaltung auf einer Kleinanlage mit maximal 128 KB im Batch zu fahren und somit die Nicht-Personalkosten in der EDV innerhalb eines Jahres um 70 Prozent zu senken.

Robert Schlink

EDV-Leiter - Carl Mampe GmbH, Berlin

Auch wir sind nicht in der Lage ein Patentrezept anzubieten. Was im Jahre 1978 (Umstellung auf IBM /34, Bildschirmerfassung in den Fachabteilungen) durch normalen Personalabgang problemlos war, wird sich in der Rezession nicht so einfach lösen lassen. Zukünftig planen wir daher, den EDV-Mitarbeitern zusätzliches Wissen aus den Fachabteilungen zu vermitteln, um so bei einer notwendigen Personalreduzierung diese Mitarbeiter anderweitig einsetzen zu können. Dieses Verfahren dürfte sich auch vorteilhaft auf das Verhältnis Fachabteilung - EDV auswirken.

Schwieriger ist die Verringerung der EDV-Kapazität. Da unsere Langzeit-Verträge "nur" über zwei bis drei Jahre laufen, erscheint mir das Risiko nicht zu hoch.

Siegfried Stemper

Leiter Administrative EDV und

Walter Hinner,

Prokurist, Leiter Rechenzentrum, Uhde GmbH, Dortmund

Rezessionen der Gesamtwirtschaft bedeuten nicht, daß sie zu einer Verschlechterung der Geschäftslage eines jeden einzelnen Unternehmens führen. Ähnliches gilt für die einzelnen Wirtschaftszweige. Die Geschäftsentwicklung des. lndustrieanlagenbaus war zum Beispiel in der Vergangenheit trotz schlechter gesamtwirtschaftlicher Situation positiv; eine genau entgegengesetzte Entwicklung - ist ebenfalls nachweisbar. Deswegen kann für die hier zur Diskussion stehende Frage nicht die allgemeine Wirtschaftslage, sondern die Situation des einzelnen Unternehmens maßgeblich sein.

Nach unseren Erfahrungen bedeutet eine rückläufige Geschäftsentwicklung im eigenen Unternehmen nicht unbedingt einen Abbau der EDV-Aktivitäten. Einerseits ist damit zu rechnen, daß zur Unterstützung der Akquisition in erheblichem Umfang Modellberechnungen für die zu errichtenden Anlagen durchgeführt würden, andererseits ist eine negative Geschäftsentwicklung unter Umständen oft Anlaß zu neuen Rationalisierungsanstrengungen, wozu die EDV im gewissen Umfange beitragen kann.

Sollte es sich um eine länger anhaltende Verschlechterung der Geschäftslage handeln, ist es nicht ausgeschlossen, daß in einem solchen Fall offene Planstellen ebenso wie Überstunden und die Beschäftigung von Mitarbeitern aus Software-Häusern reduziert werden. Darüber hinaus kann es sein, daß die bisher zu verzeichnenden Zuwachsraten der Hardware (Maschinenpark) zurückgehen oder sogar nicht mehr benötigte Maschinenkomponenten sukzessive abgebaut werden. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, daß die EDV auf zahlreichen Arbeitsgebieten zu einer wesentlich höheren Effizienz geführt hat. Darauf in Jahren schlechter Geschäftslage verzichten zu wollen, hieße den Geschäftsrückgang zu beschleunigen.