Die ideale IT-Abteilung/Architektur-Management erhöht die Wertschöpfung

Gute IT entsteht im flexiblen Regelkreis

01.08.2003
Als Kostentreiber diskreditiert, müssen IT-Abteilungen erst wieder beweisen, dass sie durch geschäftsorientierte technische Innovation und effiziente Arbeitsweise zur Wertschöpfung eines Unternehmens beitragen. Ein übergreifendes Architektur-Management leistet hierfür wertvolle Dienste.Von Alexander Umek*

Gebeutelt von Projektmisserfolgen und den vergangenen Jahren des Sparens, stehen IT-Abteilungen nun vor der Herausforderung, wieder zu zeigen, dass sie einen wichtigen Wertbeitrag erbringen können. Vor allem die konzeptionell orientierten Abteilungen, die sich um die Gestaltung der Enterprise Architecture bemühen, stehen häufig im Kreuzfeuer der Kritik. Sowohl das Business-Management als auch das operative IT-Management haben Klagen: Praxisferne, zu geringe Orientierung am Nutzen, zu verschwenderischer Umgang mit Investitionsmitteln - das sind nur einige der gängigen Vorwürfe. Wie also kann nutzenorientiertes Architektur-Management die IT-Abteilung der Zukunft dabei unterstützen, das Vertrauen der Fachseite wiederzugewinnen, glaubwürdig in die Rolle des "Business Enablers" zurückzukehren und die nötigen Funktionen effizient bereitzustellen?

Eine Enterprise Architecture beschreibt die systemübergreifende Sicht auf die gesamte IT-Landschaft eines Unternehmens über alle Techniken hinweg. Je nach Zweck werden die aktuelle Situation und Veränderungen dokumentiert, geplant und gestaltet. Dabei legt die Enterprise Architecture bedeutende Determinanten für die IT-Landschaft fest. Unter anderem strukturiert sie die Systemlandschaft in überschaubare Teile, definiert Schnitt und Funktion der Komponenten und beschreibt, wie die einzelnen Komponenten zusammenspielen. Überdies bestimmt die Architektur übergreifende Eigenschaften der Komponenten und stellt die Umsetzung dieser Vorgaben im Projektrahmen sicher. Hierzu werden häufig Designprinzipien und Standards für die Anwendungsentwicklung und die Produktion festgelegt. Ein Unternehmen kann Architekturprinzipien beispielsweise dazu nutzen, langfristig die Systemlandschaft zu konsolidieren, Technologievarianz zu reduzieren und die Entwicklung zu vereinfachen.

Das Design bestimmt die Betriebskosten

Damit prägt die Enterprise Architecture zahlreiche Eigenschaften einer IT-Landschaft. Auf der einen Seite wird die Grundlage für die funktionale und nichtfunktionale Leistungsfähigkeit der IT-Systeme geschaffen - und damit auch das strategische und operative Potenzial einer Systemlandschaft. Auf der anderen Seite werden durch technische und designorientierte Festlegungen Aufwand und Kosten für Entwicklung und Betrieb zumindest teilweise vorherbestimmt. Die Qualität des Gesamtdesigns bewirkt maßgeblich, wie flexibel und schnell eine IT-Landschaft an geänderte Anforderungen angepasst werden kann.

Betrachtet man diese komplexen Zusammenhänge, wird deutlich, warum sich eine rein technisch getriebene Herangehensweise an Enterprise-Architekturen schnell dem Vorwurf einer Elfenbeinturmperspektive aussetzt. Auch der nicht quantifizierende Verweis auf einen strategischen Nutzen, den man sich mit der Weiterentwicklung der IT-Landschaften erkaufen können soll, ist nicht glaubwürdig. Umgekehrt bietet ein wohlverstandenes Architektur-Management eine Reihe wichtiger Hebel, die den Wertbeitrag und Nutzen von IT-Investitionen steigern.

Für die IT-Bereitstellung kann eine Enterprise Architecture folgende Beiträge leisten:

- Voraussetzungen für die Weiter- und Neuentwicklung komplexer Systeme schaffen,

- die Qualität komplexer Systeme sichern sowie

- die Komplexität durch Transparenz beherrschbar machen.

Darauf aufbauend, bestimmt die Enterprise Architecture die Grundorientierung an Nutzen und Kosten. Nutzen lässt sich in drei Dimensionen unterteilen:

- Strategischer Nutzen durch Abgrenzung von der Konkurrenz und Vorbereitung neuer Geschäftsaktivitäten,

- normativer Nutzen durch die effiziente Erfüllung geschäftsbedingender Vorschriften und Regeln sowie

- operativer Nutzen durch effizientere Wertschöpfung.

Dem stehen drei Kostentypen gegenüber:

- Entwicklungskosten werden maßgeblich durch die Komplexität der Architektur und durch die technische Vielfalt beeinflusst.

- Das richtige Systemdesign mit der entsprechenden Plattform kann viel Geld sparen.

- Die Betriebskosten werden durch das rechtzeitige Einbeziehen nichtfunktionaler Anforderungen (vor allem Wartbarkeit, Skalierbarkeit, Betreibbarkeit und Stabilität) in das Systemdesign mitbestimmt.

Architektur-Management als Regelkreis

Nutzenorientiertes Architektur-Management hat einen Regelkreis zum Ziel, der fachliche Anforderungen, architektonische Modellebene und reale IT-Systeme verbindet.

Getrieben von fachlichen und technischen Anforderungen erhebt das Architektur-Management während der Analyse die Auswirkungen der Anforderungen auf die Ist-Landschaft und entwirft Lösungsszenarien. Jede architektonische Entscheidung erzeugt Folgekosten für die Entwicklung und Produktion von Anwendungen. Das Architektur-Management ist nun gefordert, das Aufstellen eines Business Case zu initiieren, der klar den Nutzen der IT-Initiative aufzeigt. Er legt überdies fest, was die Umsetzung kosten darf. Diese Schätzung entsteht in einer Grobkonzeptionsphase, in der mehrere Architekturszenarien verglichen werden. Eine Feedback-Runde mit den Verantwortlichen - meist die Fachseite, häufig aber auch der IT-Betrieb - überprüft die Plausibilität des Business Case mittels des gewählten IT-Szenarios.

Das Architektur-Management nimmt die favorisierte Lösungsvariante in das Projektportfolio auf, spezifiziert das Vorhaben, priorisiert und synchronisiert es mit den laufenden Projekten. In Konzernstrukturen ergeben sich dabei schnell verdeckte Abhängigkeiten zwischen Entwicklungsprojekten, die sich jedoch auf Ebene des Projektportfolio-Managements mit den Informationen aus dem Architektur-Management auflösen lassen. Sobald das Umsetzungsprojekt beginnt, nimmt das Architektur-Management als Berater der Projekte und als Überwacher der Architekturkonformität eine zweifache Rolle wahr. Damit behält es Kontakt zur Projektrealität und gewinnt Einblicke in das Architekturdesign auf Anwendungs- und Projektebene.

Die Evolution der Enterprise Architecture

Der Regelkreis hilft, konzerntypische Probleme wie redundante Funktionen, unflexible, intransparente und undokumentierte Systemlandschaften, heterogene Systemplattformen, politisch motivierte Produktauswahl und auf inoffiziellen Pfaden gestartete "U-Boot"-Projekte einzudämmen. Gleichzeitig wird der Nutzen von IT-Ausgaben signifikant erhöht und die Verteilung der IT-Mittel auf die wirtschaftlich wichtigen Themen sichergestellt.

IT-Landschaften großer Organisationen sind äußerst komplexe Gebilde, die mit einer Metropole verglichen werden können. Um die Entwicklung einer Stadt zu planen und zu beherrschen, werden Bebauungspläne erstellt, die, ohne auf Details einzelner Bauwerke einzugehen, die prinzipielle Flächennutzung und die Grundsätze der lebensnotwendigen Infrastruktur festlegen. Um die Rolle als Management-Instanz der Enterprise-Architektur wahrnehmen zu können, benötigt die IT-Abteilung in Analogie dazu ebenfalls einen Bebauungsplan - den "IT City Plan". Er beschreibt den Ist-Zustand der IT-Landschaft und die mittelfristigen Ziele, die immer wieder darauf zu prüfen sind, ob sie noch zu den Geschäftszielen passen.

Der Bebauungsplan muss flexibel bleiben

Einmal auf dem Weg, muss die IT-Abteilung eine Zahl von evolutionären oder auch revolutionären Einzelmaßnahmen abarbeiten. Bricht beispielsweise ein Lieferant oder ein Produkt weg, erfordert dies meist einen revolutionären Entwicklungsschritt, wenn davon eine wichtige Basistechnik betroffen ist. Der Bebauungsplan darf kein statisches Gebilde sein, das nur einmal im Rahmen eines Projektes entsteht. Vielmehr muss die IT-Abteilung mittels des beschriebenen Regelkreises den Plan an die wechselnden Ziele und Anforderungen der Fachseite anpassen.

Zur effizienten Umsetzung einer IT-Strategie trägt der Bebauungsplan durch die Bereitstellung eines Frameworks bei, das fachliche und technische Anforderungen auf Architekturmodelle und konkrete IT-Systeme überträgt. Als Grundlage gibt es mittlerweile mehrere Standard-Frameworks und dazugehörige Metamodelle. Allen gemeinsam ist, dass sie eine schnelle und vollständige Analyse der Auswirkungen erlauben, die neue Anforderungen verursachen. Typischerweise unterscheiden solche Frameworks nach Geschäftsprozessen, Anforderungen, Funktionsblöcken, Anwendungsfällen, Software-Architekturmodellen und System- beziehungsweise Produktionslandschaft. Das Framework bildet eine Matrix mit einer Vielzahl von Zellen, die der Einordnung von Inhalten dienen. Je nach Steuerungs- und Informationsbedarf kann die IT-Abteilung das Framework unter Einbezug aller Interessengruppen verschlanken.

Operatives Rahmenwerk erspart Analysen

Am Beispiel des Zachman-Frameworks (siehe Grafik) kann der Wert eines Bebauungsplans dargestellt werden: Angenommen, das Unternehmen ändert sich organisatorisch, lässt sich anhand der Spalte "Beteiligte Personen" leicht ermitteln, welche Prozesse, Systeme und Infrastrukturen betroffen sind und angepasst werden müssen. Ohne operatives Rahmenwerk müsste die IT-Abteilung dazu erst eine mühsame Analyse betreiben. Das Gleiche gilt für Projekte, die neue Geschäftsprozesse implementieren, die sich in den Konzernkontext integrieren müssen. Abhängigkeiten und Schnittstellen-Bedarf werden schnell transparent, redundante Implementierung von Geschäftslogik und doppelte Datenhaltung lassen sich vermeiden. Ein Bebauungsplan nützt also allen Beteiligten, indem er klare Angaben zur Ist-Landschaft, den darin enthaltenen Systemen und den geplanten Veränderungen liefert.

Initial erfasst die IT-Abteilung in dem gewählten Framework in enger Kooperation mit der Fachseite und anderen relevanten Gruppen die Ist-Landschaft. Auch die Entscheidungen zur Zielarchitektur sollte das Architektur-Management genau mit der Fachseite, der IT-Entwicklung und der IT-Produktion abstimmen. Daraus leitet sich die ideale Besetzung des Architektur-Management-Teams ab: Die Gestalter, Nutzer und Informationslieferanten auf den verschiedenen Ebenen des Bebauungsplans sollten auch hier aktiv beteiligt werden. Aufgrund der interdisziplinären Teambesetzung bietet das Architektur-Management eine große Chance: Die IT kann ihren Beitrag zur Wertschöpfung besser vermitteln und wird konkreter an den Planungen der Fachseite beteiligt. Im Gegenzug gewinnt die Fachseite ein größeres Verständnis für die Probleme und Möglichkeiten der IT.

Enge Verknüpfung mit Portfolio-Management

IT-Vorhaben können verschiedene Ausgangspunkte haben: Idealerweise stößt derjenige IT-Projekte an, der hinterher auch den Nutzen nachweisen muss. Meist ist dies die Fachseite. In IT-Organisationen lanciert aber auch das Management zahlreiche Maßnahmen, die Kosten sparen oder technische Fortschritte bringen sollen. Jede Initiative muss um knappe Ressourcen konkurrieren. Umgekehrt sollten diese möglichst nutzbringend eingesetzt werden. Das Problem der Mittelzuweisung wird durch ein institutionalisiertes Projektportfolio-Management gelöst: Alle Vorhaben werden gesammelt, priorisiert und anschließend mit Ressourcen ausgestattet oder ausgesondert.

Portfolio-Management eignet sich hervorragend als Hebel, um die Ergebnisse des Architektur-Managements umzusetzen. Daher sollten beide Prozesse aufs Engste verknüpft werden, indem bei der Projektpriorisierung Kriterien auf Basis des Architektur-Managements einbezogen werden. So wird sichergestellt, dass im Regelfall nur solche Projekte betrieben werden, die keine Architekturstandards verletzen, sondern zur Erreichung der Zielarchitektur beitragen. (rg)

*Alexander Umek ist Practice Leader IT-Strategy & Enterprise Architecture bei SPM Technologies in Berlin.

Abb: Ein Framework schafft die notwendige Struktur für den Bebauungsplan

Standard-Frameworks wie das von John Zachmann erleichtern es, fachliche und technische Anforderungen sowohl auf Architekturmodelle als auch auf konkrete IT-Systeme zu übertragen. Quelle: nach John A. Zachmann