Mobile Computing/CAD-Zeichnungen im Handheld-PC

Gutachter nutzen Pen-Rechner zur Kfz-Schadensregulierung

31.05.1996

Nahezu jeder Autobesitzer, der einmal in einen Unfall verwickelt war, ist bei der Schadensregulierung mit dem Mindener Unternehmen Audatex GmbH in Berührung gekommen. Die europaweit tätige Firma entwickelt Schadenaufnahmebögen und wertet diese anhand einer umfangreichen Datenbank aus. Auf diese Weise erhält der Kfz-Sachverständige eine objektive Schadenkalkulation, auf deren Basis er sein Gutachten abfassen kann.

Anfänglich wurden diese Bögen per Hand ausgefüllt und bei Audatex im hauseigenen Rechenzentrum ausgewertet. In einem nächsten Schritt wurden PCs in den Sachverständigenbüros über Modems mit der Audatex-Zentrale verbunden. So konnte der Gutachter die aufgenommenen Daten in den PC eingeben und erhielt binnen weniger Sekunden eine Antwort. Die Innovation auf diesem Sektor ist nun eine Lösung auf Basis von Pen-Computern, also Handheld-Rechnern, die anstelle der Tastatur nur noch über einen Stift und einen sensitiven LC-Bildschirm verfügen. Damit werden die Schadensdaten nur noch einmal - direkt am Fahrzeug - erfaßt.

Expertensystem unter Pen-Windows

Das System enthält alle benötigten Daten, Informationen und Eingabefelder, um die Schadensdaten direkt vor Ort anzugeben. Die Bedienung und Eingabe erfolgt mit Hilfe eines Stiftes. Ausgewertet und kalkuliert wird dann nach bewährtem Schema: Die Daten gehen online an das Rechenzentrum.

Was hier unter dem Betriebssystem Pen-Windows entstand, kann man als eine Art Expertensystem für Kfz-Sachverständige bezeichnen. Um die benötigten Grafikdaten auf dem PC speichern zu können, werden diese in einem Standard-Grafikformat aus einem CAD-System ausgelesen, komprimiert und in ein für den PC lesbares Format umgewandelt. Durch die Komprimierung kommt man letztlich mit 1 MB pro Autotyp aus. Das Update der Daten erfolgt monatlich per CD-ROM.

Der Bereich Autoversicherung der Allianz stattete rund 500 eigene Kfz-Sachverständige mit der Pad-Lösung aus. Ein Allianz-Sprecher: "Diese mobilen Schadenschnelldienst-Stationen sind in jeder Hinsicht vorteilhaft für Kunden und Geschädigte. Das System beschleunigt die Schadenregulierung und steigert die Zufriedenheit der Kunden, die damit schneller an ihr Geld und an ihr repariertes Fahrzeug kommen."

Die internationale Zusammenstellung und Aufbereitung der benötigten Daten bedeutet zweierlei: Zum einen müssen von sämtlichen Fahrzeugtypen und -varianten isometrische Ansichten gesammelt, aufbereitet und Zeichnungen erstellt werden. Zum anderen sind für alle Typen die Ersatzteilpreise und die vom Hersteller für ihre Vertragswerkstätten festgelegten Reparaturarbeitswerte erforderlich. Bei diesen Daten sind alle Ausstattungsvarianten - Motorisierung, Getriebe, Lackierung und Sonderversionen - zu berücksichtigen. Hinzu kommen nationale Unterschiede.

Zusätzlich besteht die Anforderung, bei Modelländerungen schnell zu reagieren und die neuesten Varianten auf den Typenbogen zu bringen. Die alten Daten müssen natürlich erhalten bleiben, solange die dazugehörigen Fahrzeuge im Verkehr sind.

Arbeitsunterlagen für die Erstellung der Grafik sind vor allem Mikrofiches, die von den Kfz-Herstellern kommen. Neuerdings werden auch sogenannte ETKA-Systeme (elektronische Teile-Kataloge) verwendet. Die Mikrofiches werden rückkopiert, so daß der Zeichner eine visuelle Vorlage erhält. Dabei ergibt sich das Problem, daß der Hersteller ein Fahrzeug in anderen Perspektiven und Ansichten darstellt, als sie für die Aufnahme von Unfallschäden benötigt werden. Der Zeichner muß also sowohl die Perspektive umsetzen als auch die notwendigen Abstraktionen und Änderungen vornehmen. Wenn ein Kraftfahrzeughersteller beispielsweise eine Autotür darstellt, so zeigt er sie oft von der Verkleidungsseite aus, also von innen. Für die Schadensaufnahme wird jedoch die Ansicht der Außenhaut benötigt. Unter diesen Umständen dient ein Großteil der Herstellerunterlagen lediglich als visueller Anhaltspunkt, an dem sich der Zeichner orientieren kann.

1992 begann man bei Audatex mit der Suche nach einem CAD-System, um die grafischen Daten elektronisch zu produzieren. Voraussetzung war, daß dieses System auch eine technische Illustration handhaben kann, da es nicht auf die konstruktive Arbeit, sondern auf eine schematisierte und abstrahierte Darstellung ankommt. Dabei stieß man auf die Autotrol-Software "Tech Illustrator", damals noch auf HP-Workstations vom Typ HP 9000 Serie 400 unter dem Apollo-Betriebssystem "Domain-OS". Inzwischen werden HP-Rechner der 700er Serie eingesetzt. Weitere Voraussetzung war, daß das CAD-System in Verbindung mit einer relationalen Datenbank arbeiten konnte. Hier fiel die Entscheidung für Oracle unter HP-UX.

Eines der Probleme, die sich beim Umstieg von der herkömmlichen Methode auf die elektronische Form ergaben, waren die vorhandenen "Altlasten" in Form von Papierzeichnungen. Während bei Fertigungsbetrieben in der gleichen Situation in der Regel so verfahren wird, daß von einem Stichtag an neue Projekte nur noch elektronisch abgewickelt werden und Altzeichnungen sukzessive im Zuge des Änderungsdienstes in das System übernommen werden, war man bei Audatex gezwungen, den kompletten Datenbestand innerhalb sehr kurzer Zeit zu digitalisieren. Zeichnungen wurden eingescannt, als Pixelbild im Autotrol-System hinterlegt und nachgezeichnet, so daß letztlich jede Grafik in Vektorform vorlag. Pro PKW-Typ mußten rund 600 Ersatzteile portiert werden. Trotz dieses Umfangs gelang es, den gesamten Datenbestand innerhalb von zwei Jahren auf CAD umzustellen.

Die so erzeugten Grafik-Files können entweder über ein automatisches Montierprogramm für den Druck auf einem Agfa-Laserbelichter ausgegeben oder in ein elektronisches Format für die Pad-Lösung "Audapad" konvertiert werden.

Um die mit der CAD-Umstellung möglichen Automatismen besser ausschöpfen zu können, geht Audatex zur Zeit den nächste Schritt: Die strukturierten Daten der technischen Datenbank, die Auskunft über Ersatzteile und Arbeitswerte geben, werden mit Links und Schnittstellen versehen. Während heute noch die benötigten Referenzteile per File-Transfer in das CAD-System geholt werden, läßt sich die Arbeit mit der Oracle-Direktanbindung wesentlich vereinfachen.

Kurz & bündig

Wurde die Bewertung von Kraftfahrzeugschäden durch Sachverständige bislang noch überwiegend manuell mit Hilfe von Schadensaufnahmebögen durchgeführt, soll nun eine digitale Lösung das Prozedere erheblich vereinfachen. Unter dem Betriebssystem Pen-Windows wurde eine Art Expertensystem entwickelt, bei dem die technische Illustration eines Fahrzeugmodells auf einem Handheld-Rechner dargestellt wird. Defekte Teile lassen sich darauf mit dem Stift markieren. Die Daten werden dann zur Auswertung per DFÜ an die zentrale Datenbank übermittelt.