Gut gedacht ist halb gemacht

01.06.2001
Von Frank Habermann
Bei vielen Unternehmen ist Ernüchterung eingetreten. Ihr Ziel, die Mitarbeiter zum kontinuierlichen Lernen zu bewegen, haben sie bis heute nicht erreicht. Deshalb erwarten die Kunden von ihrem E-Learning-Anbieter künftig mehr als nur technische Lösungen.

Die Berichterstattung zur Bildungsmesse Learntec sowohl zur CeBIT stand unter dem Motto: "Die Zukunftsperspektiven für E-Learning sind hervorragend". Jedes zweite Unternehmen plane den Start oder die Intensivierung von E-Learning-Aktivitäten. Das Marktwachstum werde mindestens 100 Prozent betragen. Wie passt es da ins Bild, dass selbst bekanntere E-Learning-Anbieter wie Add Brain oder Virtual Heaven nahezu zeitgleich vor dem Aus stehen? Handelt es sich lediglich um Folgeerscheinungen der allgemeinen Schlechtwetterlage für die New Economy, oder ebbt die E-Learning-Welle ab, bevor sie richtig begonnen hat?

Eines ist unbestreitbar: Der E-Learning-Markt wird zur Zeit neu formiert. In der Vergangenheit bestimmten die unzähligen Hersteller von multimedialen Lerninhalten (Contents), den Web-based Trainings, das Bild. Dies führte dazu, dass heute viele Unternehmen E-Learning mit Web-based Training gleich setzen. Doch bei den Käufern ist Ernüchterung eingetreten. Einfach Web-based Trainings ins Intranet zu stellen genügt eben nicht, um das Ziel des kontinuierlichem Lernens zu erreichen.

Selbst technisch und didaktisch hervorragende Produkte werden so von den Mitarbeitern ignoriert. Mangelnde Integration von Lernprozessen in die Arbeitsrealität, der komplizierte Zugang und das Fehlen eines eindeutigen Mehrwerts gegenüber dem traditionellen Schulungsangebot sind wichtige Gründe dafür.

Die meisten Unternehmen haben dies mittlerweile erkannt. Deshalb gilt das Interesse nun zunehmend Instrumenten, die Web-based Trainings im Arbeitsalltag nutzbar machen. Letztlich gilt der viel zitierte Ausspruch "Content is King - but Infrastructure is God". Im einfachsten Fall kann ein bereits existierendes Firmen-Intranet diese Infrastruktur liefern.

Doch Intranets steuern keine Geschäftsprozesse der Personalentwicklung, sie unterstützen weder persönliche Dienste noch ein umfassendes Skill-Management. Werkzeuge, die diese Funktionalität für den effizienten Betrieb von E-Learning liefern, sind Learning-Management-Systeme oder Lernplattformen. Hierbei handelt es sich um betriebswirtschaftliche Informationssysteme zur Unterstützung von Personalentwicklungsprozessen über das Internet oder Intranet.

Sie steuern die gesamte Lernlogistik eines Unternehmens, regeln also zum Beispiel, wie die Lernenden Zugriff auf Web-based Trainings erhalten, die Lernerfolgskontrolle geschieht oder ein Tele-Tutor mit einer Lerngruppe kommunizieren kann. Auf der Suche nach E-Learning-Lösungen sind deshalb Anbieter von Lernplattformen die erste Adresse. Im Gegensatz zur großen Masse der Content-Anbieter beschränkt sich der Markt auf eine Handvoll akzeptabler Produkte. Die wenigsten sind allerdings jemals bis in den operativen Betrieb gelangt. Ausnahmen bilden die erfolgreich betriebenen Lernplattformen bei Daimler-Chrysler, Metro, HypoVereinsbank, Deutsche Lufthansa oder KPMG.

Der Grund für die zögerliche Implementierung von Lernplattformen liegt auf der Hand: Voraussetzung für ihren erfolgreichen operativen Betrieb ist deren behutsame Integration in ein Unternehmen. Dabei müssen vielfältige fachliche und technische Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Dies lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen: Mit E-Learning wird häufig das Ziel verfolgt, den Lernenden persönliche Dienste anzubieten.

Die Selbststeuerung beim Lernen soll erhöht, Lerninhalte und -tempo individuell bestimmt werden. Damit derartige Effekte erzielt werden können, muss der Lernende dem Anwendungssystem bekannt sein. Nur wenn die Lernplattform über Informationen verfügt, die den Mitarbeiter beschreiben, lassen sich entsprechend personalisierte Dienste bereitstellen.

Technisch kann zu diesem Zweck beispielsweise die Lernplattform an ein Personalstammdatensystem wie etwa SAP oder Peoplesoft angeschlossen werden. Wenn eine derartige Schnittstelle vorhanden ist, können Datenredundanzen vermieden und der Pflegeaufwand effizient gestaltet werden. Unter organisatorischen Gesichtspunkten muss indessen abgestimmt werden, welche Mitarbeiterdaten überhaupt verwendet werden dürfen. Schließlich sind Personaldaten sensible Daten, und ihre Verwendung ist häufig eine Frage der Unternehmenskultur. Zudem sind zahlreiche Aspekte des Arbeitsrechts und Datenschutzes zu beachten.

Allein dieses Beispiel gibt einen Einblick in die komplexen Integrationsprozesse, die bei der Einführung einer Lernplattform zu bewältigen sind. Für die effiziente Nutzung von E-Learning sind eben nicht allein die technischen Merkmale eines bestimmten Plattform-produktes entscheidend. Homepages, Chats, News Groups und Teletutoring-Funktionen bieten heutzutage die meisten auf dem Markt befindlichen Systeme. Maßgeblich ist vielmehr eine umfassende Einführungsberatung, die verdeutlicht, wie bestimmte Funktionalitäten einer Lernplattform in Unternehmensabläufe, Organisationsstrukturen und IT-Infrastrukturen eingepasst werden können.

So wird beispielsweise die Frage "Verfügt Ihre Plattform über Funktionalitäten zur Bewertung von Contents?" von zwei Dritteln aller Hersteller mit "Ja" beantwortet. Entscheidend für die sinnvolle Nutzung einer derartigen Funktion ist allerdings, ob bei der Einführung der Plattform auch Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen gefunden werden - zum Beispiel "Wer darf Contents bewerten?", "In welchen Situationen soll bewertet werden?", "Ist die Bewertung freiwillig oder verpflichtend?", "Soll die Bewertung anonym geschehen?", "Wie wird die Anonymität technisch sicher gestellt?" oder "Was passiert mit den Ergebnissen der Bewertung?".

In Zukunft sind Anbieter gefragt, die in der Lage sind, Lösungen zu liefern, die mehr bieten als Technologie, Funktionalität und Schnittstellen. Diese Anforderungen gehen ganz sicher weit über die Kompetenzen spezialisierter Softwareanbieter von Web-based Trainings oder Lernplattformen hinaus. Technisches Wissen ("E") und fachliche Gestaltungsfähigkeit ("Learning") müssen gleichermaßen stark ausgebildet sein.

Die Fähigkeit zur Planung einer initiativen E-Learning-Strategie ist dabei genauso gefragt wie das Know-how zur Auswahl geeigneter Content-Lieferanten und die detaillierte Kenntnis von Plattformprodukten. Nur Anbieter, die den gesamten E-Learning-Lebenszyklus begleiten können, werden mittelfristig als verlässlicher Partner der Old Economy akzeptiert werden.

Eine E-Learning-Lösung umfasst drei Komponenten: multimediale und interaktive Lerninhalte (Content), eine Infrastruktur, die diese Inhalte zugänglich macht und die Nutzung steuert (Plattform), sowie Dienstleistungen, die für die Einführung und den effizienten Betrieb der E-Learning-Lösung nötig sind (Consulting/Services). Im Zeitablauf hat sich die Bedeutung dieser Komponenten verändert.

Der Markt für Web-based Trainings ist professioneller geworden. Es existieren mittlerweile verschiedene Hersteller, die in der Lage sind, didaktisch und medial hochwertige Produkte zu erzeugen. Zudem ist das fachliche Spektrum der angebotenen Lerninhalte beachtlich. Der Verfügbarkeit von Web-based Trainings kommt deshalb heute eine viel geringere Bedeutung zu als noch vor einem Jahr. Selbstverständlich ist Content nach wie vor wichtig für eine E-Learning-Lösung, doch es wird immer einfacher, geeigneten Content zu finden.

Das aktuelle Lösungsprofil betont indessen die Perspektive der Lernplattform. Traditionelle Unternehmensberatungen wie KPMG haben dies erkannt und schließen strategische Partnerschaften mit erfolgreichen Plattformherstellern. Umgekehrt zertifizieren Plattformanbieter traditionelle Beratungshäuser wie Pricewaterhouse-Coopers und berechtigen diese, Einführungsberatung für ihre Lernplattform zu leisten.

Letztlich ist mit der Etablierung nur weniger Plattformprodukte zu rechnen. Auf ihnen werden auch künftig die Content-Produkte zahlreicher Hersteller laufen. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass sowohl Lernplattformen als auch Lerninhalte weiter mit dem schon im Intranet einer Unternehmung existierenden Content und Content-Management-Systemen zusammenwachsen. Der vielfach noch bestehende - historisch begründete - Widerspruch zwischen Wissens-Management und Learning-Management wird zunehmend aufgehoben. Doch dieser Fortschritt kann nur auf der Grundlage eines integrierten Lösungsansatzes erfolgen.

IMC bietet Unternehmen einen E-Learning-Check, der hilft, diese Integrationspotenziale zu erkennen. Zu Beginn des Checks wird die Ausgangslage einer Firma analysiert und festgestellt, ob und in welchem Umfang E-Learning-Aktivitäten stattfinden. Das Spektrum reicht von Unternehmen, die noch gar keine Anstrengungen in diese Richtung unternommen haben, bis zu solchen, die schon seit mehreren Jahren E-Learning- Lösungen betreiben, beispielsweise in Form von virtuellen Corporate Universities oder Online-Akademien.

Auf dieser Basis werden mehrere Checkpoints untersucht, die sowohl den eingesetzten Content, die technischen Schnittstellen und die Prozessorganisation als auch das Geschäftsmodell der Personalentwicklung thematisieren. Das Ergebnis ist eine detailgetreue Landkarte der Instrumente und Konzepte, die im Unternehmen für das Lern- und Wissens-Management eingesetzt werden. Durch ein Benchmarking mit erfolgreichen E-Learning-Lösungen werden Stärken und Schwächen aufgezeigt und so der Weg zu neuen Projekten geebnet. Getreu dem Motto "Gut gedacht ist halb gemacht" kann so der Aufwand beispielsweise für ein Mitarbeiterportal oder die Einführung einer Lernplattform entscheidend reduziert werden.