Grundlagen der Datenverarbeitung:Was der DV-Neuling über Computer wissen sollte

12.08.1977

"Wir führen in unserem Betrieb die EDV ein und suchen ...", so oder ähnlich beginnen oft Stellenanzeigen. Dann wird näher beschrieben, was von der oder dem Gesuchten erwartet und was auf dem neuen Arbeitsplatz geboten wird. Die Stellenanzeigen spiegeln exakt das wieder, was auf dem Arbeitsmarkt gesucht und honoriert wird: In den letzten Jahren zeigt sich immer deutlicher, daß der "Nur-EDV-Spezialist" kaum mehr eine Chance hat, sondern daß in Verbindung mit EDV-Kenntnissen fast immer auch eine fundierte fachbezogene Ausbildung sowie Erfahrung gesucht werden.

Nicht nur die durch fettgedruckt wohlklingende EDV-spezielle Berufsbezeichnungen hervorstechenden Anzeigen sollte man lesen, sondern auch die, die klassische Büroberufe ausschreiben. Dort steht nicht selten im kleiner gedruckten Teil, daß "Allgemeine oder Grundkenntnisse der EDV" gewünscht oder gar vorausgesetzt werden. Diese Tendenz, daß Anwendungskenntnisse im Vordergrund stehen und die speziellen EDV-Kenntnisse schmückendes Beiwerk sind, wird sich künftig verstärken, wenn der Umgang mit dem Computer immer einfacher und anwendungsfreundlicher wird. Die rechnergestützten Verfahren werden immer komplexer und das Wissen um diese Verfahren wird sich mehr auf den materiellen Gehalt als auf das Handwerkszeug konzentrieren. Überzeichnet dargestellt wird es in Zukunft genau so selbstverständlich sein, einen Computer benutzen zu können, wie man heute den Gebrauch der herkömmlichen Büromaschinen für die entsprechenden Berufszweige voraussetzt. Nicht von ungefähr werden die Schüler heute spätestens in der Sekundarstufe II mit Grundkenntnissen der Informatik vertraut gemacht - zumindest weisen dies die Lehrpläne aus.

Fachkenntnisse plus EDV

Die Schlußfolgerung daraus: Nur der Fachmann, der sich neben seinen fachspezifischen Kenntnissen auch um das Hilfsmittel EDV bemüht und damit umgehen kann, wird seine berufliche Zukunft in absehbarer Zeit gesichert sehen können.

Was liegt nun in einem Betrieb, der die EDV einführt, näher, als die Betriebsangehörigen, die bisher das manuell bearbeitet haben, was künftig der Kollege Computer tun soll, an das neue Werkzeug heranzuführen? Die Mitarbeiter, die das Know-how der Firma besitzen, haben für die in der neuen EDV-Abteilung zu besetzenden Posten die allerbesten Startchancen.

Viele Arbeitnehmer haben bereits diesen Fortbildungsschritt getan, statt auf Sozialpläne oder Rationalisierungsschutzabkommen zu vertrauen oder gar durch betriebspolitische Mittel die Innovation zu verteufeln und zu boykottieren. Ausschlaggebend für das persönliche Fortkommen ist die eigene Entscheidung, sich weiterzubilden. Ich habe in meiner Ausbildungspraxis viele Kursteilnehmer kennengelernt, die diesen Weg eingeschlagen und es nicht bereut haben. Kaum einer mußte wieder umkehren. Die Mär, man sei zu alt dafür, ist eine ebensolche: Ich habe im Unterricht Arbeitnehmer kennengelernt, die kurz vor dem Pensionsalter standen und in bezug aufs Lernen topfit waren, 20jährige dagegen blieben auf der Strecke.

Herstellerunabhängige Schulung

Die "Allgemeinen oder Grundlagenkenntnisse der EDV" sollte man sich aneignen, bevor ein Rechner im Betrieb installiert wird. Dies sollte auch möglichst firmenunabhängig geschehen, damit die eigene Entscheidung, künftig mit der EDV zu arbeiten, frei und ohne Zeitdruck gefällt werden kann.

Es gibt viele Institute und Einrichtungen, die Grundlagenkenntnisse vermitteln. Ein Lehrplan für einen Kurs, der Einblick in die EDV geben soll, muß mindestens 100 Unterrichtsstunden umfassen und folgende Themenbereiche abdecken:

1. Begriffsbestimmungen, Erläuterung der technischen Entwicklung (Geschichte) von mechanischen und elektronischen Rechnern.

2. Theoretische Grundlagen für das Verständnis moderner Rechenanlagen

- Zahlensysteme

- Schaltalgebra

- Anwendung bekannter Rechentechniken

3. Informationsdarstellung

- auf herkömmlichen Medien- in der Datenverarbeitung

- Ableitung der gebräuchlichen Code

4. Das Prinzip der modernen Datenverarbeitung

5. Aufbau eines Rechnersystems

- Der zentrale Rechner

- Funktion der typischen Ein-/Ausgabegeräte

- Funktionale Zusammenhänge der einzelnen Komponenten eines Systems

6. Arbeitsablauf in einem Rechnersystem

- Funktion des Betriebssystems

7. Logik des Programmierens von Rechnern

- Datenflußpläne

- Programmablaufpläne

- Organisatorische Hilfsmittel

8. Datei-Organisationsformen auf unterschiedlichen Datenträgern

9. Anwendungsbeispiele verschiedener Branchen und Funktionsbereiche

10. Benutzung eines Systems aus der Sicht verschiedener Berufe

- Aufgaben des Bedieners

- Die Organisation und Programmierung

11. Normen, gesetzliche Bestimmungen

Datensicherung und Datenschutz

Der Unterricht sollte nach modernen Gesichtspunkten aufgebaut und zeitweise auch außerhalb des Lehrsaales im Rechenzentrum stattfinden. Je eher ein Kursteilnehmer an die Maschine herangeführt wird - zum Beispiel durch ein Dialog-System - desto eher gelingt es ihm, die theoretischen Erkenntnisse in der Praxis umzusetzen.

Nur DV-Grundlagen sollen vermittelt werden

Wohlgemerkt, dieser Kurs soll Grundlagenkenntnisse vermitteln. Er befähigt den Teilnehmer noch nicht spezielle Aufgaben in der Datenverarbeitung zu übernehmen. Er soll Grundlage für eine Entscheidung über die berufliche Zukunft und Grundlage für eine anschließende gezielte Schulung sein.

Im ersten Kurs, der oft Jahre nach der allgemeinen Schulausbildung wieder die Schulbankerinnerungen wach werden läßt, kann nur durch einen persönlichen Kontakt zwischen Lehrer und Schüler optimal an vorhandene Wissensstrukturen angeknüpft werden. Diese Lernatmosphäre, die für die Vorbereitung einer für das berufliche Fortkommen so wichtigen Entscheidung dient, kann durch keine noch so sauber didaktisch aufbereitete Programmierte Unterweisung oder durch einen Fernsehkurs geschaffen werden.

- Rüdiger Podlech ist Fachdozent für Datenverarbeitung