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Chips sparen Sprit

Grüne Spritschlucker: Klimaschutz erfreut die Chipindustrie

09.01.2008
Von Handelsblatt 
Vor- und Nachteile der Klimaschutzvorgaben: Die deutschen Automobilhersteller wenden sich vehement gegen die Pläne der Europäischen Union. Während die Hersteller fürchten, auf ihren großen Spritfressern sitzen zu bleiben, hoffen die Hersteller von Halbleitern auf ein zusätzliches Geschäft - mit neuen Chip-Systemen lässt sich der Spritverbrauch senken.

MÜNCHEN. Die deutschen Autohersteller laufen Sturm gegen die Pläne der Europäischen Union, die Klimaschutzvorgaben deutlich zu verschärfen. Sie befürchten, dass sich ihre großen Spritfresser künftig schwerer verkaufen lassen als heute. Die Chiphersteller dagegen jubeln über die neuen Abgasvorschriften: Sie erwarten sich zusätzliches Geschäft, weil sich der Benzinverbrauch durch weitere Halbleiter im Fahrzeug senken lässt. "Uns freuen die Pläne der EU-Kommission", sagt Marc de Jong, für das Autogeschäft zuständiger Vorstand des niederländischen Halbleiterproduzenten NXP. "90 Prozent aller Innovationen im Auto kommen aus der Elektronik - und davon profitieren wir." Auch Wolfgang Ziebart, Chef des NXP-Konkurrenten Infineon, bekommt leuchtende Augen, wenn er über den Energiespar-Trend redet: "Natürlich ist das eine Chance für uns, denn es werden immer mehr Halbleiter in ein Auto eingebaut."

Hintergrund ist ein Vorstoß der EU-Kommission kurz vor Weihnachten. Nach den Plänen von Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Umweltkommissar Stavros Dimas müssen große und schwere Autos den CO2-Ausstoß deutlich stärker verringern als kleine Fahrzeuge. Dies trifft vor allem die deutsche Produzenten wie Audi, BMW, Mercedes und Porsche. Nach Analysen der Kommission werden die Klimaschutzvorgaben den Preis für einen Neuwagen durchschnittlich um 1.300 Euro in die Höhe treiben. Für BMW und Mercedes liegt der Preisanstieg im Durchschnitt der Modelle bei 2.000 Euro, für Porsche bei über 10.000 Euro.

Ein Teil davon landet in den Kassen der Chiphersteller. Denn sie haben Systeme im Angebot, mit denen die Autobauer den Spritverbrauch senken können. Das reicht von der intelligenten Steuerung der Leuchten, der Benzinpumpe oder der Infotainment-Anlage bis zu genaueren Reifendrucksensoren. "Wenn der Druck stimmt, dann ist auch der Verbrauch optimal", erklärt Kurt Sievers, Strategiechef der Autosparte von NXP.

Der deutsche Branchenverband ZVEI geht davon aus, dass die Autohersteller dieses Jahr weltweit in jeden Wagen im Schnitt Chips für 320 Dollar einbauen. Im Jahr 2020 sollen es bereits 700 Dollar sein. Größter Anbieter von Halbleitern für Autos ist der US-Konzern Freescale mit einem Marktanteil von elf Prozent. Es folgt Infineon mit knapp zehn Prozent vor ST Microelectronics. NXP, die ehemalige Halbleitersparte von Philips, liegt auf Rang sechs mit sechs Prozent Anteil. Insgesamt werden für rund 18 Milliarden Dollar Chips an die Autobranche verkauft. Dabei ist der Markt seit 1995 im Schnitt jedes Jahr um neun Prozent gewachsen. Das ist deutlich mehr als der gesamte Halbleitermarkt, der es nur auf sechs Prozent jährlich brachte.

Für die Chiphersteller ist die Autobranche noch aus einem ganz anderen Grund interessant: Das Geschäft ist vergleichsweise berechenbar. Im Gegensatz dazu schwanken Preise und Umsätze mit Abnehmern aus der Computerindustrie und der Unterhaltungselektronik viel stärker. Infineon rechnet seinen Kunden aus der Autoindustrie exakt vor, wie viel CO2 sie mit einem Bündel neuer Halbleiter vermeiden können. Bei Kosten von 382 Euro pro Auto, so die Angaben von Infineon, fallen 23,5 Gramm CO2 pro Kilometer weniger an. Die Ausgabe lohnt sich auch für die Autofahrer, die in vier Jahren knapp 1.000 Euro weniger für Sprit und Steuern ausgeben müssen.

Für die Autobauer zählt jede noch so kleine Einsparung. Denn für jedes Gramm CO2, um das sie den Grenzwert überschreiten, müssen sie hohe Strafen zahlen, falls sich die EU mit ihren Plänen durchsetzt. Ziel der gesetzlichen Grenzwerte ist es, die Kohlendioxid-Emissionen aller in der EU zugelassenen Neuwagen ab 2012 auf 130 Gramm pro Kilometer zu begrenzen. Zurzeit liegt der durchschnittliche CO2-Ausstoß bei 160 Gramm.