Gründer wittern Morgenluft

19.02.2007
Ex-Mitarbeiter von IT-Unternehmen werden wieder mutiger und gründen selbst Firmen, wie das Beispiel von Axel Morgner zeigt.

Tipps für Gründer

www.existenzgruender.de (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie);

www.adt-online.de (Netzwerk deutscher Innovationszentren);

www.forum-kiedrich.de (Gründer- und Mentorennetzwerk);

http://www.gruendungskatalog.de/;

http://www.gruenderstadt.de/Text.

Mehr zum Thema

571675: Gründer starten als Einzelkämpfer;

558490: Rahmenbedingungen für Gründer;

554686: Was Gründer motiviert.

Inxire

Name: Inxire.

Geschäftsfeld: Enterprise-Content-Management.

Umsatz: 1,5 Millionen Euro (2005).

Gründung: 2001.

Firmensitz: Frankfurt am Main.

Mitarbeiter: 15.

Axel Morgner hatte einen guten, sicheren Job: Bei Oracle in Frankfurt am Main arbeitete der studierte Physiker als technischer Projektleiter. Dort hatte er für einen Kunden, einen großen deutschen Automobilhersteller, ein Spezialproblem zu lösen. Dieser brauchte etwas, das es bisher auf dem Markt noch nicht gab, ein Ablagesystem für Dokumente, auf das alle Mitarbeiter über das Intranet zugreifen können. Der besondere Anspruch: Web-basierend und integriert in einem einzigen System sollte die Zusammenarbeit der Mitarbeiter über sämtliche Abteilungen hinweg effizienter werden. Morgner und zwei seiner Kollegen stellten bald fest, dass Ausgangslage und Anforderung auch auf andere Unternehmen passten. Um die Lösung zum Standard weiterentwickeln zu können, mussten die drei IT-Experten ihrem Arbeitgeber allerdings den Rücken kehren, denn bei Oracle wird in Deutschland keine Standardsoftware entwickelt. Abends und am Wochenende formte das Gründerteam seine Geschäftsidee. Das war 2002. Zur Zeit der großen Ernüchterung in der IT-Szene reifte der Entschluss, ein Softwareunternehmen zu gründen.

Das neue Content-Management-System (CMS) sollte Mitarbeitern den Zugriff auf alle abgelegten Dokumente erlauben. Von Web 2.0 sprach damals noch niemand, und doch war es das Konzept: die Möglichkeit für jeden, Informationen bereitzustellen, die effiziente und strukturierte Zusammenarbeit durch die zentrale Ablage der Dokumente. Dem Team um Morgner schwebte ein einziges System mit einer skalierbaren Vielzahl von Funktionen vor, das ohne Integrationsaufwand beim Kunden eingesetzt werden konnte. "Ich war berauscht von der Vorstellung, etwas Eigenes zu machen, alle Möglichkeiten zu haben. Und ich hatte die Überzeugung, dass es funktionieren würde", beschreibt Morgner sein Gefühl, als er seine Stelle kündigte und sein Unternehmen Inxire gründete.

Berufserfahrung, Branchenkenntnis und fachliches Know-how brachten die drei Gründer mit, doch benötigten sie Kapital, um zwei weitere Entwickler einzustellen, Rechner zu kaufen und Räume zu mieten. Die Zeit war ungünstig. "Wären Sie mal ein, zwei Jahre früher gekommen! Software, das geht ja überhaupt nicht!", sagten die Banken. Morgner fand sich als Gründer in der Lage eines mittellosen Bittstellers ohne Sicherheiten. Die verantwortlichen Bankangestellten konnten oder wollten nicht verstehen, wie er heute sagt, was der konkrete Nutzen seiner relativ komplexen IT-Entwicklung sein sollte.

Einer der Kollegen bekam kalte Füße und sprang ab. Mit dem verbliebenen Toni Schnell versuchte nun Morgner, die Ausgaben über Eigenkapital und Privatkredite zu decken. Zusätzlich beantragten sie Überbrückungsgeld bei der Arbeitsagentur. Neben den dringendsten Notwendigkeiten fehlten den beiden die Kapazitäten, sich um ein geeignetes Förderprogramm zu kümmern. Der Druck stieg, denn es gab noch keinen Kunden. "Wir schwimmen im kalten Wasser", erkannte Morgner, der alle Sicherheit und viel Geld für ein Wagnis aufs Spiel gesetzt hatte. Doch wenn er spätabends nach Hause kam, war er zum Glück nicht allein. Seine Frau und auch seine Eltern und die drei Geschwister hielten zu ihm und machten ihm Mut.

Er wendete sich an das Forum Kiedrich, ein bundesweit orientiertes Gründer- und Mentorennetzwerk in Wiesbaden. Dort bekam er Kontakte zu Mentoren, Business Angels und erfahrenen Gründern, deren Tipps ihm weiterhalfen. "Ich sah, dass andere, angetrieben von der gleichen Euphorie, auf ähnliche Schwierigkeiten stießen", erzählt Morgner. Er bekam den Rat, er sei auf dem richtigen Weg und solle sich die eigene Begeisterung von niemandem kaputt reden lassen.

Inxire hat heute, fünf Jahre nach der Gründung, 15 Mitarbeiter, bis auf 25 soll das Unternehmen in den nächsten Jahren wachsen. Der erste Kunde, die Stadt Mannheim, die Inxire sechs Monate nach der Gründung mit der Implementierung des Content-Management-Systems beauftragt hat, ist dem Unternehmen heute noch treu. Da das CMS ein unabhängiges Produkt darstellt, sind die Kontakte zum ehemaligen Arbeitgeber Oracle nach wie vor gut. Der große Partner gibt immer wieder Aufträge mit Spezialanforderungen an Inxire weiter. Doch qualifizierte Mitarbeiter zu finden ist schwer. "Nur etwa hundert Menschen weltweit haben genau das Know-how, das wir brauchen, nämlich Programmiererfahrung und fundierte Kenntnisse im Bereich Oracle CM SDK und Oracle Content DB", sagt Morgner. Daher stellt er auch Hochschulabsolventen ein, die erst etwa sechs Monate eingearbeitet werden müssen. Diese Investition ist bewusst kalkuliert. Das spezielle Know-how ist eben das Kapital des Unternehmens.

"Das Team ist das Allerwichtigste", ist sich Morgner sicher. Die Kontakte und die Möglichkeit, Probleme gemeinsam zu lösen, sind für ihn entscheidend. Überzeugt von dem Netzwerkgedanken und um seine eigenen Erfahrungen weiterzugeben, engagiert sich der Unternehmer im Forum Kiedrich, nutzt die dortigen Arbeitskreise und wird immer wieder um Rat gefragt. Auch wenn es Rückschläge gab, der heute 31-jährige Morgner bereut nicht, dass er sich 2002 für den Sprung in die kalten Fluten entschieden hat. Heute ist er stolz, dass er seine Idee in die Tat umgesetzt hat. Und noch etwas hat er geschaffen: eine Existenz für sich und 15 Mitarbeiter. (hk)