Empfehlung des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen:

Grünbuch der EG passiert den Bundestag

06.05.1988

BONN (vwd/sch) - Zustimmung im Bundestag fand am 14. April der Bericht des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen zum "Grünbuch über die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsgeräte". Der EG-Leitfaden verfolgt auf überregionaler Ebene ähnliche Ziele wie die anvisierte Neuordnung der Bundespost.

Die Beschlußempfehlung fußt auf der generellen Zielsetzung des Grünbuchs, nämlich der Schaffung eines offeneren, mehr wettbewerbsorientierten Umfelds für neue Telecom-Services und Endgeräte unter Wahrung der Integrität der Telekommunikationsnetze und einer starken Position der Fenmeldeverwaltungen. Es sollen unter anderem folgende Positionen unterstützt werden.

- Liberalisierung der Mehrwertdienste zur Verbesserung des Diensteangebots

- Trennung der hoheitlichen und betrieblichen Aufgaben;

- Stärkung der europäischen Standardisierung mit dem Ziel, weltweite Normen zu erreichen;

- volle, aktive Beteiligung der Fernmeldeverwaltungen am Wettbewerb, und zwar auf gleicher Basis;

- klare Definitionen des Netzzugangs für Mietleitungen, öffentliche Datennetze und das ISDN;

- verstärkte Orientierung der Tarifstruktur an der Kostenstruktur;

- allgemeine Unterstützung laufender Programme, Aktionen und Vorschläge der Gemeinschaft, die auf eine bedarfsgerechte Stärkung der langfristigen Konvergenz und Integrität der Netzinfrastruktur in der Gemeinschaft abzielen.

Gemeinsame Haltung gegenüber Drittländern

Der Bericht sieht vor, bei noch zur Diskussion stehenden Punkten einen gemeinsamen Nenner zu erreichen. Beispielsweise soll eine einheitliche europäische Position zur Satellitenkommunikation vertieft, die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung der Gemeinschaft zu Drittländern und zu internationalen Problemen unterstützt sowie die Nutzung fortschrittlicher Telekommunikationssysteme zur Förderung benachteiligter Regionen der Gemeinschaft verstärkt werden.

In das Papier miteingeflossen sind nach Angaben des Ausschusses neuerliche Mitteilungen der Kommission vom 9. Februar 1988. Fachberatungen des Gremiums befaßten sich vorrangig mit der Frage einer gegenseitigen Anerkennung der Zulassung von Endgeräten und mit der Rolle, die dabei dem Europäischen Institut für Telekommunikation (ETSI) zukommen wird. Zur Zeit liegt eine Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Testergebnisse, nicht aber der Zulassungen vor. Der "Modus vivendi" bezüglich der Testergebnisse soll auf der Basis gemeinsamer Spezifikationen erfolgen, deren Grundlage die CEPT ausarbeitet und die dann in einem besonderen Gremium - freiwilliger Zusammenschluß von 18 Fernmeldeverwaltungen Westeuropas - verabschiedet werden. Die Abstimmung erfolgt nach einem gewichteten Verfahren, wobei die Empfehlungen für alle verbindlich sind. In Zukunft sollen dann die gemeinsamen Spezifikationen nicht mehr von der CEPT, sondern vom ETSI in der Form europäischer Telekommunikationsstandards stammen.

Gewicht legte der Ausschuß bei seinen Beratungen auch auf die Erörterung der sozialen Auswirkungen der beabsichtigten Neuerungen und begrüßte es in diesem Zusammenhang, daß die besagte Mitteilung diesen Punkt aufgegriffen hat. Breiten Raum nahmen schließlich die möglichen beschäftigungspolitischen Konsequenzen ein. Dabei wurden insbesondere die Auswirkungen behandelt, die die Freigabe des Endgerätemarktes auf die mittelständische Industrie haben wird.

Grünbuch und Gesetzesentwurf zur Postreform stehen zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang, tendieren aber beide in die gleiche Richtung: Mehr Wettbewerb zu Lasten des Monopols der Bundespost mit Blick auf die Vollendung des europäischen Binnenmarktes 1992. Über den Anfang März von Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling vorgelegten Referentenentwurf, der unmittelbar im Anschluß an die Sommerpause im Parlament beraten werden soll, debattieren derzeit das Innen-, Finanz- und Wirtschaftsministerium.

Nach Angaben von Walter Maschke, dem Sprecher von Schwarz-Schilling, geht es dabei in erster Linie um dienstrechtliche Fragen. Man sei einfach der Meinung, daß man die Post als Unternehmen führen müsse und ganz klare Entscheidungskriterien zu anderen Verwaltungen bestünden. Allerdings stehe in diesem Punkt wohl noch ziemlich viel Überzeugungsarbeit bevor.