Bei Novells Groupware-Plattform steht ein Generationswechsel an

Groupwise ist mit NDS nun besser zu administrieren

19.07.1996

Mit dem für Spätsommer angekündigten "Groupwise 5.0", dessen deutsche Version im Herbst folgen soll, vollzieht Novell einen Generationswechsel. Zwar basiert die neue Version, bisher unter dem Codenamen "Groupwise XTD" bekannt, auf den gleichen Grundlagen wie Groupwise 4.1, doch im Gegensatz zum Vorgänger verwirklichte die Netzwerk-Company nun tatsächlich einen Client-Server-Ansatz. Weiterer eklatanter Unterschied zur Vergangenheit ist, daß viele Zusatzfunktionen, die der Anwender früher einzeln erwerben mußte, nun integriert sind. Damit ist jedoch die Liste mit Sonderzubehör keineswegs abgeschafft, sie enthält nur neue Werkzeuge, deren nahtlose Integration nun aber bereits bei der Entwicklung berücksichtigt wurden.

Das Spektrum der in der Betaversion vorhandenen Features reicht von Terminvereinbarung und Computerkonferenzen über Projektverfolgung und Workflow bis hin zu gemeinsamen Aktenordnern. Ebenso gehören einheitliches Dokumenten-Management und Zugang zum World Wide Web (WWW) zum guten Ton.

Während die Novell-Marketiers dabei die zentrale Rolle der "Universal Mailbox", mit der der Anwender die Funktionen steuert, anpreisen, dürfte für Netzadministratoren ein anderes Feature von entscheidender Bedeutung sein: Dank der integrierten Novell Directory Services (NDS) können nun Groupwise-Accounts gleich bei der Aufnahme eines neuen Netzbenutzers zugeteilt werden. Bisher mußte der Systemverwalter hierzu auf eine Kombination aus DOS- basiertem Utility und Netwares grafischen Administrationswerkzeug "NWadmin" zurückgreifen und hatte die doppelte Arbeit.

Durch die NDS kommt er nun mit NWadmin alleine aus. Dabei beschränkt sich die grafische Verwaltung nicht auf die Anlage neuer Benutzerplätze und -zugänge, sondern mit dem gleichen Werkzeug lassen sich auch Messages und Gateways verwalten. Eine Neuerung, die Betatester Jim Shaw, Operation Manager bei der kalifornischen Compnet Inc., sehr begrüßt, denn "die Integration von Groupwise und NDS vereinfacht die Verwaltung der Software deutlich".

Im Testzentrum eines deutschen Carriers, der anonym bleiben will, lobt man ebenfalls die verbesserte Groupwise-Administration in höchsten Tönen. Allerdings mit einer Einschränkung: Wenn sich ein Administrator erst neu in Netware einarbeiten muß, könne - falls Windows NT das Netzbetriebssystem ist - die Wahl eines Konkurrenzproduktes wie Exchange die bessere Entscheidung sein, da dann die Einarbeitungszeit in ein neues Betriebssystem entfalle.

Anderseits verursache bei der Verwaltung großer Netze Microsofts Domain-Konzept mehr Aufwand als die Pflege der NDS. Positiv aufgefallen ist den Betatestern auch, daß durch die NDS- Integration automatisch aus den bestehenden Netware-User-Accounts ein globales X.500-Adreßbuch erstellt werden kann.

Eine weitere Neuerung, die beim Groupwise-Einsatz in Corporate Networks von Interesse sein dürfte, ist die Unterstützung von TCP/IP. Im Gegensatz zu Novells bisherigem Leib- und Magen- Protokoll IPX/SPX frißt das Internet-Protokoll weniger Bandbreite. Dieser Punkt ist für Jeff Peltier, Senior Program Analyst bei der Sabre Group, einer Tochter der American Airlines, von entscheidender Bedeutung. Der Betreiber des gleichnamigen Reisereservierungssystems will nämlich über ein WAN 12000 Groupwise-Anwender miteinander verbinden - eine Zahl, bei der sich ein Protokoll-Overhead deutlich in den Kommunikationskosten niederschlägt.

Finanziell auswirken dürfte sich auch ein anderes Feature. Mit Hilfe der "Shared Folders" und des erweiterten Dokumenten- Managements muß man bei Sabre künftig nicht mehr alle Dokumente per E-Mail versenden, sondern kann sie auf einem Server im "Post Office" hinterlegen. Ein Verfahren, über das sich Peltier mit Blick auf das Electronic Publishing im Unternehmen besonders freut, "denn derzeit schicken wir an jeden Anwender eine E-Mail mit Attachments". Mit den Shared Folders, so seine Hoffnung, muß ein Absender seine Nachricht künftig nur noch einmal versenden, die Kollegen greifen dann auf das gespeicherte Dokument zu.

Drei Datenbanken übernehmen Management

Darüber hinaus beinhaltet die Dokumentenverwaltung neben einem intelligenten Such-Tool einen Volltext-Index, der den Anwender über den Eingang neuer Nachrichten, Attachments und Dokumente informiert. Technisch basiert das Dokumenten-Management auf drei Datenbanken in einem proprietären Novell-Format (vgl. Grafik). In diesen werden voneinander getrennt Messages, Anwenderinformationen und die den Dokumenten zugewiesenen Rechte verwaltet. Die Dokumente selbst sind als Binary Large Objects (Blob) unter Einbeziehung der jeweiligen File-Systeme der Netware-, NT- oder Unix-Server verschlüsselt gespeichert.

Neben dem Dokumenten-Management, in der Novell-Sprache als "Groupwise Library" bezeichnet, gehören zum Standardlieferumfang der Groupware- Plattform voraussichtlich der "Groupwise Scheduler" sowie ein E-Mail Client.

Der Scheduler soll eine intelligente Terminplanung auf Abteilungsebene gestatten. So können damit Konferenzräume zentral belegt oder über selbstdefinierte Regeln Terminabsprachen so getroffen werden, daß sie nicht mit anderen Verabredungen kollidieren. Sollte ein Anwender trotzdem im elektronischen Kalender seines Chefs keinen freien Termin finden, so sucht die Funktion "Busy search" selbständig nach einem Termin, an dem alle Beteiligten für eine Besprechung Zeit haben.

Damit sich die genannten Funktionen nutzen lassen, muß auf den Clients der "Groupwise 5.0 Enterprise E-Mail Client" installiert sein. In der aktuellen Betaversion umfaßt der Lieferumfang die entsprechende Software für Windows 3.1, Windows 95 und Windows NT Workstation, Macintosh sowie Unix Motif. Der Client stellt dem Anwender eine persönlich konfigurierbare Oberfläche bereit, über die er auf die Groupware-Funktionen zugreifen kann. Ebenso zum Funktionsumfang gehört ein "Personal Activity Manager", der den Benutzer über die eigenen Termine informiert. Darüber hinaus bietet der Client, den auch remote User verwenden können, ein MAPI-basiertes persönliches Adreßbuch. Zur Anbindung an die TK- Welt ist das "Conversation Module" konzipiert, das die Kommunikationsschnittstellen TSAPI und TAPI unterstützt.

Zusätzlich zu den Grundfunktionen sollen im Laufe des Jahres noch die optional erhältlichen Zusatzmodule "Workflow", "Web Access", "Voice Access" sowie "Forms", ein Upgrade von Informs 4.1, folgen. In Sachen Workflow erlaubt Groupwise laut Novell-Angaben zum erstenmal dem einzelnen Anwender, selbst Workflow-Vorgänge zu definieren. Über ein grafisches Tool können dabei Kriterien wie seriell, parallel, Broadcast und bedingt für die Vorgangsbearbeitung festgelegt werden.

Betatester loben das Feature "Web Access", mit dem sie jederzeit via Internet auf das heimische Post Office zugreifen können. Bisher waren die Anwender auf ihren Dienstreisen darauf angewiesen, daß zentral die gleiche Plattform verwendet wurde wie extern, oder es war eine remote Verbindung zum heimatlichen Server erforderlich.

Mit "Voice Access" kann der Anwender von unterwegs sogar via Telefon auf alle Informationen und Dienste zugreifen. Voraussetzung ist jedoch ein Gerät mit Tonwahlverfahren. Ist das Modul installiert, so liest Groupwise dem Anwender, wie es heißt, alle E-Mails, Termine, Dokumente etc. vor. Als "Voice Mail System" konfiguriert, zeichnet die Plattform eingehende Anrufe auf und zeigt diese ebenfalls in der Universal-Mailbox an. Per Mausklick spielt Groupware dann die Aufzeichnung ab.

Insgesamt ist die Universal Mailbox für den Anwender das zentrale Werkzeug, mit dem er die verschiedenen Groupwise-Dienste nutzt. Um den Anwender nicht mit unnötigen Umstellungsproblemen zu konfrontieren, orientiert sich das Design der neuen Mailbox weitestgehend an der Vorgängervariante 4.1. Lediglich das Bookshelf ist verschwunden, da es auf den NT- und Windows-95- Clients nicht mehr gebraucht werde. Ansonsten zeigt die Oberfläche in der linken Spalte hierarchisch die verschiedenen Ordner, über deren Inhalt die rechte Spalte detailliert informiert. Ob die Ähnlichkeiten mit den Mailboxen von Exchange oder Notes 4.0 rein zufällig sind oder zum Umstieg animieren sollen, mag dahingestellt bleiben.

Groupwise und die Konkurrenten

Mit Groupwise 5.0 tritt Novell gegen zwei Produkte an, die ebenfalls heuer neu im Markt positioniert wurden: Lotus Notes und Microsofts Exchange Server. Ernsthafter Konkurrent für die Netzwerker aus Orem ist dabei die Notes-Plattform. Je nach Quelle gelten Novell oder das Gespann IBM/Lotus mit weltweit zwischen fünf bis sechs Millionen Anwendern als Marktführer im Groupware- Segment.

Im Gegensatz zu Microsoft sind Lotus und Novell bereits dort, wo die Gates-Company ursprünglich hin wollte, nämlich beim Workflow- Computing. Allerdings muß das Workflow-Modul bei Novell nach wie vor extra erworben werden, während es bei Notes seit langem integraler Bestandteil der Plattform ist.

Wie die Groupwise-Konkurrenz unterstützt Notes in der aktuellen Version die Transportprotokolle X.400, SMTP sowie MIME. Zur Unterstützung mobiler Benutzer bietet Notes ebenfalls Replikationsdienste sowie die Möglichkeit der Datenbankverschlüsselung auf dem Laptop. In Sachen Internet hat man mittlerweile im Hause Lotus mit dem auf der PC-Expo in New York vorgestellten Domino deutlich nachgebessert.

Eine solche Nachbesserung steht Microsoft mit Exchange noch bevor, da die Gates-Company während der Entwicklung den Internet-Boom wohl unterschätzt hat. Mit einem kürzlich angekündigten Service- Pack will der Desktop-Primus diese Scharte jedoch auswetzen. Auch in Sachen Hardware-Anforderungen und Performance muß der Neuling in der Runde der Groupware-Produkte noch seine Hausaufgaben machen. Zudem wird von Anwenderseite häufig kritisiert, daß die Benutzerführung bei Änderungen der Systemeinstellungen nicht konsistent ist.

Dafür versucht die Gates-Company, die auf die Gateway- Funktionalität großen Wert legte, mit dem Kommunikations-Server einen anderen Nachteil wettzumachen: Durch die Hintertür wurde mit dem Exchange Server erstmals bei Microsoft eine Art Directory- Service eingeführt.