Mainframe-Modernisierung

Großrechner im Cloud-Visier

07.09.2022
Von 
Matt Asay ist Autor der US-Schwesterpublikation Infoworld.com.
Von unrentablen Mainframes auf die flexible Cloud umzustellen, ist ein langsamer Prozess. Dennoch lohnt es sich, ihn anzustoßen.
Die Cloud - endlich der neue Mainframe?
Die Cloud - endlich der neue Mainframe?
Foto: PeachShutterStock - shutterstock.com

Im Fall des Mainframes scheint das Mooresche Gesetz, wonach sich Zahl der Schaltkreise in einem Chip alle zwei Jahre verdoppelt, während sich die Kosten halbieren, außer Kraft gesetzt: In der Welt der Großrechner wird die Datenverarbeitung immer teurer - auch und vor allem, weil die Kunden keine anderen Möglichkeiten hatten. Bis jetzt.

Nachdem Mainframe-Anwendungen jahrelang weitgehend ignoriert wurden, hat nun die Cloud-Unterwanderung der letzten Vendor-Lock-in-Bastion begonnen. So hat etwa FedEx angekündigt, bis 2024 seine Rechenzentren (und die zugehörigen Mainframes) einstampfen zu wollen, um voll und ganz auf die Cloud zu setzen. Wenn sich die bisherigen Kaufgewohnheiten fortsetzen, wird das Unternehmen auf Azure wechseln. Neben einer erwarteten, höheren Agilität verspricht sich FedEx davon auch Einsparungen in Höhe von 400 Millionen Dollar.

FedEx ist kein Einzelfall, in immer mehr Unternehmen steht eine Entscheidung dieser Art an - was auch bedeutet, dass die Cloud-Anbieter gefragt sind, wenn es darum geht, bei der Verlagerung von Mainframe-Workloads zu unterstützen. Dabei geht es im Grunde darum, die Cloud für IT-Entscheider zu einer unglaublich langweiligen, aber auch sicheren Entscheidung zu machen.

Die falsche Art von langweilig

Wahrscheinlich möchten Sie weder ein langweiliges Gegenüber daten oder einen langweiligen Film sehen. Sind Sie allerdings CIO, haben Sie ein gesteigertes Interesse daran, "langweilige" Technologie zu kaufen. Denn in diesem Zusammenhang meint "langweilig", dass die Dinge einfach nur funktionieren. Bislang waren Mainframes der Inbegriff dieser Definition - inzwischen sind die Großrechner zunehmend auf die falsche Art langweilig. "Langweilig" kann nämlich auch auf einen Mangel an Dynamik hindeuten - und das ist exakt der Punkt, an dem sich Mainframes befinden: In Zeiten, in denen die Welt auf Microservices und Everything as a Service ausgerichtet ist, halten Mainframes Unternehmen in ihrer alten Infrastruktur gefangen. Das zwingt die Anwenderfirmen dazu, behäbig zu agieren. Das wiederum macht sie langweilig im Sinne von uninteressant.

Einige Mainframe-Anbieter haben bislang versucht, den Markt und ihre Kunden davon zu überzeugen, Mainframes seien integraler Bestandteil einer Cloud-Zukunft. Das ist ein ebenso fataler Irrtum wie die Behauptung, Mainframe-Einnahmen seien eigentlich Cloud-Einnahmen und verhindert lediglich, Anreize für den Wandel zu setzen. Die Kunden bleiben in Legacy-Sackgassen gefangen.

Charles Fitzgerald, Angel-Investor und ehemaliger Microsoft- und VMware-Manager, drückt es folgendermaßen aus: "Es ist wirklich lange her, dass die Kunden Einfluss auf die Preisgestaltung der Mainframe-Anbieter hatten - aber nun kommt die Cloud auch in diesen Bereich. Jeder Kunde sollte ein AWS- oder Azure-Projekt haben, um einen Workload vom Mainframe in die Cloud zu verlagern."

Ein Workload nach dem anderen

Wenn die Vermutungen zutreffend sind, dass immer noch 50 Prozent (oder mehr) der Enterprise-Daten auf Mainframes vorgehalten werden, wird der Abschied vom Mainframe kein einfaches - oder schnelles - Unterfangen. Das bestätigt auch Rob Carter, CIO von FedEx: "Unsere Cloud-Reise ging nicht über Nacht. Es war eher ein Vorhaben, an dem wir über ein Jahrzehnt gearbeitet haben, indem eine monolithische Anwendung nach der anderen eliminiert wurde." Laut Fitzgerald kann ein solches Migrationsunterfangen mit nur einem Workload beginnen. Das könne die Grundlage sein, um Erfahrung und Disziplin aufzubauen und in größerem Maßstab fortzufahren. Dabei gibt er zu bedenken: "Die Uhr tickt allerdings - immer mehr Mitarbeiter mit relevantem Knowhow scheiden aus dem Arbeitsleben aus. In der Zwischenzeit ist jeder Dollar, der für Mainframes ausgegeben wird, einer, der nicht in Business-Innovationen fließen kann."

Für FedEx beläuft sich das Delta zwischen Cloud und Mainframe auf 400 Millionen Dollar. Dabei sind die anderen Vorteile, die sich aus der Abkehr vom Mainframe ergeben, etwa das Mehr an geschäftlicher Agilität, noch gar nicht berücksichtigt. Wenn die Cloud ein Innovationsmultiplikator ist, ist der Mainframe ein Bremsklotz.

Die gute Nachricht: Endlich befassen sich auch die Hyperscaler ernsthaft mit dem Thema Mainframe-Modernisierung. AWS, Microsoft und Google verfügen alle über Tools und Prozesse, die Unternehmen bei der Migration von Mainframe-Anwendungen in ihre jeweiligen Clouds unterstützen. Das sollte dazu beitragen, diesen oft mühsamen Prozess zu vereinfachen.

Das allein genügt für die Cloud-Anbieter jedoch nicht zum Erfolg: Sie müssen auch Lobbyarbeit innerhalb der CIO-Gemeinschaft betreiben - ähnlich wie es die Mainframe-Anbieter in den letzten Jahrzehnten getan haben. Kombiniert mit Marketing der alten Schule - Kaffeetassen und Golfpartien - könnte das CIOs mit dem nötigen Mut ausstatten, nicht mehr im Takt des erzwungenen Mainframe-Upgrade-Zyklus zu marschieren, sondern ein innovativeres Cloud-Lied anzustimmen. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.