Grossfirmen kommen leichter an Foerdermittel EU-Kontrollorgan: Esprit ist uneffektiv und viel zu langsam

11.02.1994

BRUESSEL (IDG) - Input und Output stehen bei der Europaeischen Union (EU) oft in einem unguenstigen Verhaeltnis. Auch die Vergabe von Geldern fuer die Forschung im Bereich Informationstechnologie stoesst zunehmend auf Kritik.

Ineffektive Verwaltung sowie unbefriedigende und schlecht umsetzbare Ergebnisse bemaengelte der "European Court of Auditors". Im Mittelpunkt der Kritik steht das europaeische IT-Projekt "European Strategic Program in Information Technologies" (Esprit), das 1984 initiiert wurde, um Europa auf dem DV-Sektor international wettbewerbsfaehig zu halten. Dieses Ziel sei aber, so der 123Seiten starke Bericht, nicht erreicht worden, obwohl die EU Unsummen in das Projekt investiert hat.

Der in Luxemburg angesiedelte European Court of Auditors fungiert als eine Art Finanz-Controller. Er veroeffentlicht regelmaessig Untersuchungen und gibt Empfehlungen fuer den effektiven Einsatz der EU-Gelder. Die neueste Veroeffentlichung, die aus Beobachtungen der letzten zwei Jahre entstand, raet beispielsweise zu einer unbuerokratischeren Behandlung der Bewerbungen fuer die Esprit- Projekte.

Das Fazit, das die Controller aus einem Jahrzehnt Esprit-Taetigkeit ziehen, ist fuer die Europaeische Union alles andere als ruehmlich.

Die europaeische Industrie sei nicht in der Lage, die zwoelf EU- Laender ausreichend mit DV-Produkten zu versorgen. Obwohl hier beispielsweise ein Drittel aller weltweit hergestellten integrierten Schaltungen verkauft werde, stammten nur neun Prozent von europaeischen Produzenten.

Grosskonzerne werden bei Projektvergabe bevorzugt

Das Kontrollorgan sieht eines der groessten Probleme in der Projektvergabe. Die meisten Vorhaben haetten zu wenig mit den Marktgegebenheiten zu tun und seien demzufolge schwer umzusetzen.

Diese Schwierigkeit ist schon frueher erkannt worden, und die EU verlangt seit 1991 Zusagen der Marketing- und Produktionsabteilungen, die Projektergebnisse auch in die Praxis umzusetzen. Allerdings, so der Report, sei es schwierig, diese Vorgaenge zu ueberpruefen, vor allem nach der Beendigung der gefoerderten Arbeiten.

Die Pruefungskommission kritisiert ferner das langsame und buerokratische Arbeiten der EU vor allem vor dem Hintergrund, dass der durchschnittliche Lebenszyklus eines DV-Produktes bei zweieinhalb Jahren liege. Die unterstuetzten Projekte dauerten dagegen im Durchschnitt rund vier Jahre.

Bei der Vergabe der Finanzspritzen kaemen die europaeischen Grosskonzerne zu gut weg. Ausserdem wuerde den Topzwoelf, zu denen Olivetti, Siemens-Nixdorf, Bull, Thomson, Philips und ICL gehoeren, bei allen Fragen der Strategieentwicklung ein zu grosses Gewicht beigemessen. Obwohl diese Unternehmen eine Schluesselrolle bei der Initiierung im Jahr 1984 von Esprit einnahmen, "ist dieser starke Einfluss nicht gerechtfertigt".

Bei der Ueberpruefung der Projektvergabe fand das Kontrollorgan heraus, dass die Haelfte bis ein Drittel der von den grossen Konzernen vorgeschlagenen Vorhaben von der EU genehmigt wurde, waehrend kleinere Unternehmen nur bei einem Viertel der Ausschreibungen zum Zug kommen.

Deshalb sollte sich die Europaeische Kommission staerker um die Einbindung von kleinen und mittelgrossen DV-Herstellern und Anwendern in europaeische Forschungsvorhaben bemuehen.