"Weltmarkt Elektronik und Elektrotechnik" in Halle 11 der Hannover-Messe völlig zerstört:

Großfeuer beunruhigt das CeBIT-Publikum

17.01.1986

HANNOVER (bi) - "Großfeuer in Hannover - Riesige Messehalle ging in Flammen auf". Diese Meldung, über Rundfunk und Fernsehen in der Nacht zum vergangenen Freitag verbreitet, schreckte die CeBIT-Gemeinde inmitten ihrer Vorbereitungen zur ersten und umstrittenen Hannover-Messe ohne Industrie-Schau. "Messepolitik mit anderen Mitteln", kolportierten sensationslüsterne Insider.

Betroffen war aber von der Mitternachtssession nicht, wie zunächst in diesem Kreis befürchtet wurde, die jüngst erst für 50 Millionen Mark "winterfest" gemachte Halle 1, CeBIT Nord, sondern die 30 Jahre alte Halle 11, direkt neben dem Haupteingang Süd im sogenannten Leuchtenhochhaus. 280 Aussteller aus den Sektoren Elektronik und Elektrotechnik beheimatete diese Veteranin unter den Gebäuden aus der Nachkriegsmessezeit, darunter große Namen wie Siemens, SEL, AEG Telefunken, Ericsson etc. etc.

Die Messegesellschaft muß nun relativ kurzfristig bis zur Industrie-Messe (vom 9. bis 16. April) Ersatz für insgesamt 20 000 Quadratmeter Netto-Ausstellungsfläche (Brutto 30 000) bereitstellen. Auf die ins Haus stehende Hannover-Messe CeBIT vom 12. bis 19. März werde sich die Einbuße an Ausstellungsfläche jedoch nicht auswirken; selbst für die April-Messe will die Deutsche Messe- und Ausstellungs-AG "sofort mit den maßgeblichen Gremien der Industrie" Aktionspläne ausgearbeitet haben.

Reichlich Hintergrund für Spekulationen in Richtung Messepolitik und Sabotage hatten Querelen und Meinungsverschiedenheiten über die Trennung der traditionellen Hannover-Messe in eine Schau der Informations- und Kommunikationstechnik im März sowie eine Industrie-Messe im April geliefert. Ein Sprengstoffattentat Anfang Juni vergangenen Jahres auf die Rechenzentrumsräume der Messeverwaltung am Nordeingang des Geländes legte jetzt den Schluß nahe, auch diesmal könnten gezielt Versorgungseinrichtungen der "größten Messe der Welt" gemeint gewesen sein.

Die ermittelnde Behörde in Hannover - das Bundeskriminalamt wurde nach Aussagen eines Sprechers der Polizei bisher nicht eingeschaltet - ist mit Aussagen über die Brandursache äußerst karg. Die Kriminalpolizei schließt Brandstiftung jedoch nicht aus; sicher scheint nur, daß das Feuer nicht durch einen Explosivkörper verursacht worden ist. Vermutungen über die Schadenshöhe werden weder von Versicherungsunternehmen noch von der Messegesellschaft bisher getroffen. Jedenfalls ist die Halle 11 völlig zerstört und die angrenzende Fassade des fensterlosen Leuchtenhochhauses auch erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Messe-Vorstandsvorsitzender Klaus E. Goehrmann sprach in einer Pressekonferenz über eine Summe in Höhe von "zig Millionen".

Keine Sprinkleranlage installiert

Widersprüchlich klangen die ersten Angaben in den späten Abendstunden des Donnerstags. Es war von vier verschiedenen Brandquellen im Bereich der Halle 11 die Rede gewesen. Offiziell ist dies nicht bestätigt worden. Vielmehr scheint das Feuer nahe beim Durchgang zwischen Halle 11 und 10, dem Leuchtenhochhaus, entstanden zu sein. Dort haben sich auch die Flammen am schnellsten durch das Dach gefressen, erklärt die Messegesellschaft. Die fest installierten Stände in den beiden Stockwerken der zweitgrößten Halle der Hannover-Messe boten mit ihren Konstruktionen aus Metall, Holz, Papier und Kunststoff den Flammen reichlich Nahrung. "Kilometerweiter Feuerschein" habe die Nacht erhellt.

Bis auf eine Notbesatzung rückte die gesamte Feuerwehr Hannovers und des Umlandes aus, "Hunderte von Feuerwehrleuten "! Temperaturen um zehn Grad minus, also Glatteis, und eine offenbar sehr schnell außer Betrieb gesetzte Trafostation und damit die unterbrochene Elektrizitätsversorgung aus dem Netz erschwerten die Löscharbeiten erheblich. Die auf dem Dach des Leuchtenhochhauses untergebrachte polizeiliche Verkehrsleitzentrale, die in Messezeiten den gesamten an- und abfahrenden Verkehr regelt, war nach Aussagen einer Pressefotografin auch ohne Stromversorgung. Ein Notstromaggregat gab es offenbar nur für die Lifte in diesem Gebäude, die Treppen des fensterlosen Hauses blieben demnach völlig unbeleuchtet.

Die abgebrannte Halle 11 verfügte über keine Sprinkleranlage, sondern nur über sogenannte Brandmelder. Diese haben jedoch nach Berichten der "Hannoverschen Allgemeinen" erst zu einem Zeitpunkt Alarm ausgelöst, als auch schon telefonische Notrufe aus der mit Privathäusern dicht besiedelten Nachbarschaft am Südeingang des Messegeländes bei der Feuerwehr eingingen. Eine derartige "Sicherung" sei durchaus erlaubt, erklärt ein Messesprecher. Baupolizeilich gehe es nämlich in erster Linie um Personenschutz, ein solcher Brand sei bei vollem Messebetrieb überhaupt nicht möglich, er würde nämlich sofort von Besuchern oder Nachtwächtern bemerkt werden und deshalb rechtzeitig gelöscht werden können. Eine Sprinkleranlage sei also praktisch nicht notwendig, auch seien die Kosten in Anbetracht des Alters der Halle nicht mehr vertretbar gewesen.

Natürlich würden jetzt Konsequenzen, also ein verbessertes Sicherheitskonzept, diskutiert, betont der Sprecher, ebenso sicher jedoch natürlich nicht bekanntgegeben. Einige der älteren Hallen sind bisher ebenfalls ohne Sprinkleranlage. Die CeBIT-Hallen seien jedoch damit ausgestattet.