Mainframe-Familie mit neuem Flaggschiff, Alternative zu 370 in Arbeit:

Großer Bruder für 3090 kommt im Frühling

16.10.1987

CHICAGO (CWN) - Eine Reihe interessanter Neuankündigungen steht IBM-Anwendern 1988 ins Haus. Unter den Projekten, die Big Blue in der Pipeline hat, befinden sich eine F-Serie der Mainframe-Familie 3090, eine neue Version von MVS/XA, Preissenkungen im Massenspeicherbereich und höhere Kanalgeschwindigkeiten. Dies alles plauderte ein ehemaliger Manager von IBMs Marketingabteilung für Großrechner aus.

Daniel M. Culhane war im vergangenen Februar nach 26 Dienstjahren bei dem Computerfabrikanten ausgeschieden und betätigt sich jetzt als Vizepräsident für den Großrechnerbereich beim Marktforschungsunternehmen Gartner Group. Bei IBM war er an der Planung, Markteinführung und Produktpflege der Rechnerlinien 3080 und 3090 beteiligt.

Auf einer Versammlung von EDV-Verantwortlichen erklärte Culhane, die Einführung einer Fünfprozessormaschine im Rahmen der 3090-Linie stehe unmittelbar bevor. Auch befinde sich, so der Ex-IBMer weiter, eine neue Mainframe-Architekur als Alternative zur bestehenden /370-Architektur in den Labors der Firma in der Entwicklungsphase. IBM beschleunige derzeit die Arbeiten an derartigen Projekten, um die 3090 deutlicher gegenüber der 3080 abzugrenzen, die das gleiche Betriebssystem nutzt.

Gegenwärtig sei nämlich bei erfahrenen Anwendern eine Tendenz zu beobachten, mit gebraucht gekauften 3080-Geräten das Warten auf die "Summit"-Familie preiswert zu überbrücken. Die Markteinführung dieser Serie wird von der Szene für das Jahr 1992 erwartet. IBM sehe sich daher genötigt, den Markt bis zur Serienreife leistungsgesteigerter 3090 Produkte einzufrieren. Dabei benutze das Unternehmen in gewohnter Weise die Ankündigungspolitik als Werkzeug, eigene Defizite zu verdecken.

Eigener Prozessor regelt Online -Transaktionen

Unter den Produkten, die der Anwender im Laufe des kommenden Jahres von Big Blue zu erwarten hat, sind

- Eine 3090-Version mit fünf CPUs, von denen der "überzählige" unsymmetrische Prozessor für die Sicherung von Online-Transaktionen auf Platte zuständig sein soll,

- eine F-Serie der 3090-Familie mit rund 20 Prozent höherer Leistung als die E-Serie. Die F-Linie wird einen Leistungsbereich von 38 bis etwa 100 Mips überdecken und vermutlich im Februar angekündigt werden. Das Spitzenmodell soll sechs Prozessoren enthalten. Wie aus einer anderen Quelle verlautete, wird damit innerhalb der 3090-Familie die Wachstumsgrenze erreicht sein,

- eine verbesserte Version des 3480-Magnetband-Cartridge-Laufwerkes,

- eine umfangreiche Preissenkungs-Aktion für Halbleiterspeicher, um das bestehende Ungleichgewicht zwischen Mainframe- und PC-Produkten auszugleichen,

- Kanalgeschwindigkeiten bis zu 6 MB je Sekunde, geschedult für den Herbst 1988,

- die Einführung serieller Glasfaserübertragungswege anstelle herkömmlicher Kanalverbindungen. Damit soll die maximal zulässige Entfernung zwischen Rechner und Plattenspeicher von derzeit 120 Meter auf sieben Kilometer ausgedehnt werden. In diesem Zusammenhang äußerten verschiedene Anwender und Systemberater die Vermutung, IBM werde die nächste Massenspeichergeneration mit diesem Übertragungsmedium ausstatten.

- MVS/XB als Betriebssystem mit erweitertem Adreßbereich für große Systeme. In Verbindung mit Expanded Storage Features soll eine Leistungssteigerung von 30 bis 35 Prozent auf 3090-Anlagen dabei herauskommen.

Die 3090-Ankündigungen sollen die Anwender bis Ende -1989 bei der Stange halten, wenn die Markteinführung der Summits erfolgen soll. Eine Acht-Prozessor-Konfiguration soll dann, immer noch Culhane zufolge, das Spektrum nach oben hin abrunden. Dabei werde die Summit weder über den Preis noch über die Leistung mit der 3090-Familie konkurrieren, die Big Blue weiter vermarkten will.

Culhane bestätigte auch Industriegerüchte, IBM arbeite an einer alternativen Mainframe-Architektur. Diese Architektur, Codename "Planet", wird eine Adreßbreite von 47 Bit aufweisen und für Parallel Processing ausgelegt sein. Bei Leistungen in der Größenordnung von einer Milliarde Instruktionen pro Sekunde sei ihr Preis auf zirka 35 000 bis 45 000 Dollar je Mips zu veranschlagen, teilte die Gartner Group ergänzend mit. Zum Vergleich: Im Summit-Bereich wird mit 75 000 bis 85 000 Dollar je Mips zu rechnen sein. Ob das System jemals vermarktet wird, steht allerdings noch nicht fest. Jedenfalls aber, so Culhane, sei die 3090 nicht länger der einzig denkbare Weg über die 370-Architektur hinaus.