Grosse Unterschiede zwischen Ost und West Vier Prozent der offenen Jobs im Osten sind fuer DV-Experten

11.06.1993

MUENCHEN (CW) - Erhebliche Unterschiede bestehen zwischen dem ost- und dem westdeutschen Arbeitsmarkt fuer DV-Spezialisten, stellte EMC in einer Stellenmarkt-analyse im Auftrag der COMPUTERWOCHE fest. Waehrend im Westen elf Prozent der offenen Stellen fuer Computerfachleute ausgeschrieben sind, macht dieser Anteil in den neuen Bundeslaendern einschliesslich Berlin nur knapp vier Prozent aus.

Von den knapp 48 000 Stellenangeboten, die der Hamburger EMC Medienservice von Januar bis April dieses Jahres aus den 33 groessten west- und ostdeutschen Tageszeitungen analysierte, waren etwa 4300 an DV-Spezialisten gerichtet, was einem Anteil von etwa neun Prozent vom Gesamtangebot entspricht. Dabei zaehlten ausschliesslich die Kernberufe rund um den Computer.

Der Hamburger Medienservice nennt fuer die Unterschiede zwischen Ost und West mehrere Ursachen: Einmal war die bis vor wenigen Jahren konventionelle Datenverarbeitung mit ihren Mainframe- Anwendern im Bereich der ehemaligen DDR nicht so stark ausgebaut wie im Westen. Damit bot sich die Chance, mit dem wirtschaftlichen Neuanfang die flexible und zugleich preisguenstige Loesung mit Hilfe des PCs zu waehlen, der, anders als die grossen Zentralrechner, auf einen grossen Stab von DV-Spezialisten verzichten kann.

Diese These werde durch die Ergebnisse der Stellenmarktanalyse gestuetzt. Von saemtlichen Stellenofferten fuer Manager und Spezialisten betreffen naemlich nicht einmal zwei Prozent freie Positionen im Bereich Organisation und Datenverarbeitung.

In den Laendern der alten Bundesrepublik sind es immerhin fuenf Prozent.

Abgesehen von den Besonderheiten der betrieblichen Organisationsformen wird der Bedarf an DV-Fachpersonal nach EMC- Erfahrungen von der Branchenzusammensetzung einer Region bestimmt. Auf den ersten Blick erscheine die Nachfragestruktur nach Fach- und Fuehrungskraeften zwar im Osten wie im Westen gleich. Sowohl hier wie dort dominieren naemlich die Stellenangebote aus dem privaten und oeffentlichen Dienstleistungssektor mit jeweils mehr als 60 Prozent Anteil.

Die genauere Analyse zeige jedoch, dass sowohl im Industriebereich wie im Dienstleistungssektor erhebliche Schwerpunktverschiebungen bestehen. So erreichen in den alten Bundeslaendern die DV-lastigen Branchen wie die Elektroindustrie, Software- und Systemhaeuser und Beratungsunternehmen zusammen zwar nicht viel mehr als zehn Prozent vom Gesamtmarkt fuer Fach- und Fuehrungskraefte, doch bilden sie den Loewenanteil am Stellenmarkt fuer Computerspezialisten: Von ihnen stammten mehr als die Haelfte der einschlaegigen Stellenangebote.

Diese Industrie- und Dienstleistungszweige sind nach der EMC- Auswertung im Osten aber mit nur fuenf Prozent am Gesamtmarkt fuer Fach- und Fuehrungskraefte vertreten; ihr Anteil speziell an der Nachfrage nach DV-Fachleuten macht aber immerhin 40 Prozent aus.

Dabei ist allerdings zu beruecksichtigen, dass Berlin, und das heisst in diesem Zusammenhang vorrangig der Westen der ehemals geteilten Stadt, die Computerszene jenseits der Elbe beherrscht, denn wie die Zahlen des Hamburger Dienstleisters zeigen, kommt nahezu die Haelfte aller Offerten fuer DV-Spezialisten aus Unternehmen im Einzugsgebiet der neuen Hauptstadt.

Das Vakuum, das die unterentwickelte Computerindustrie und DV- Beratungsbranche im

Osten entstehen laesst, werde allerdings teilweise durch das Engagement der oeffentlichen Hand gefuellt. So betrage in den neuen Laendern der Anteil der Offerten von Behoerden sechs Prozent vom Gesamtangebot, waehrend er im Westen nur etwas ueber zwei Prozent ausmacht.

Diese starke Bedeutung der staatlichen Dienstleister wird am gesamten Stellenmarkt fuer Manager und Spezialisten im Osten sichtbar. Besonders deutlich zeigen diese Praesenz die oeffentlichen Bildungsinstitutionen, sprich Hochschulen und Universitaeten.

Von ihnen stammen elf Prozent aller Ausschreibungen fuer Fach- und Fuehrungskraefte, ein im Vergleich zum Westen mit fuenf Prozent sehr hoher Anteil. Am Markt fuer Computerfachleute oeffnet sich die Schere noch staerker: Im Westen erreichen die Offerten fuer DV- Spezialisten aus den Hochschulen knappe zwei Prozent, im Osten demgegenueber gut 15 Prozent.

Offensichtlich ist man sich auf Seiten der Bildungsverantwortlichen des hohen Stellenwerts der neuen Technologien im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands bewusst und versucht, mit ihrer Hilfe den Grundstein fuer spaetere Prosperitaet zu legen.

Von den insgesamt 4271 ausgewerteten Stellen kamen 3716 aus der alten Bundesrepublik, der Rest aus Ostdeutschland. Auffallend ist, dass die Rangfolge der gesuchten Qualifikationen - bis auf kleine Ausnahmen - sich zwischen Ost und West nicht unterscheidet (siehe auch die Grafik). Arbeitgeber in beiden Teilen der Republik suchen in erster Linie Vertriebsmitarbeiter und Anwendungsprogrammierer. Ganz hinten in der Praeferenz der Unternehmen stehen Datenbankspezialisten und DV-Revisoren beziehungsweise Controller.