Die Unternehmen beherrschen zwar die reine Technik, aber:

Große Unterschiede bei ISDN-Realisierung

12.09.1986

WIEN (CW) - Große Unterschiede in der praktischen Realisierung weisen die bereits verfügbaren ISDN- Anlagen verschiedener Hersteller auf. Das geht aus einer von der CW -Schwesterpublikation "Computerwelt Österreich" angestellten Umfrage bei Siemens, Schrack, ITT, Kapsch und Philips hervor.

Kriterien für die Befragung waren die Anlagengrößen, die verfügbaren Dienste wie Telefon, Datex, Telex, Teletex, Telefax und Btx, die Hochleistungsverbindungen zu Computern (DMI oder CPI), das Vorhandensein der U/S-Schnittstellen, Datenübertragung auf dem D-Kanal, die Modulbauweise des Gesamtsystems, eine physische und/oder logische Dezentralisierung, Einbindung von fremden Endgeräten sowie die Übergabe von Leistungsmerkmalen.

Siemens erhielt kürzlich die generelle Zulassung für die Hicom-Anlage. Dieses ISDN-System ist derzeit mit 180 und 600 Nebenstellen lieferbar; eine 3000er Anlage wird bis Ende 1987 verfügbar sein. Die ersten Hochleistungsverbindungen zu Computern wird es frühestens Ende 1987 geben.

Derzeit ist keine V.24-Schnittstelle für Datenendgeräte verfügbar. Laut Firmenaussage sei sie im Augenblick auch noch nicht notwendig, da das Siemens-eigene multifunktionale Terminal sich problemlos anschließen lasse. Dennoch wolle man bis Mitte 1987 auch eine genormte V.24- Schnittstelle zur Verfügung stellen. Bislang existieren jedoch lediglich U-und S-Schnittstellen, die für die anlageninterne digitale Verbindung genutzt werden.

Die Übergabe von Leistungsmerkmalen zwischen den beiden Siemens-Anlagen 180 und 600 ist bereits möglich. Zwischen Anlagen verschiedener Hersteller ist sie wahrscheinlich nur im Standardbereich der österreichischen Post durchführbar.

Schrack kann derzeit schon Multiplexanwendungen für Hochgeschwindigkeitsverbindungen über PCM 30 realisieren. Die verfügbare Anlagengröße reicht von 100 bis 10 000 Teilnehmern. Die U-Schnittstelle entspricht technisch noch nicht dem zu erwartenden Poststandard. Für den Datenkanal stehen momentan 16 KB zur Verfügung; er kann aber auf 64 KB ausgebaut werden.

Die X.25-Funktion ist über einen Adapter für die Unterstützung von asynchronen Schnittstellen in die Anlage integrierbar. Eine V.24-Schnittstelle kann über den digitalen Telefonapparat genutzt werden. Grundsätzlich werden alle Leistungsmerkmale entsprechend PCM 30 im

Zentralzeichengabekanal nach CCITT-Verfahren Nr. 7 transportiert. Allerdings steht ihre Normung noch aus.

ITT verfügt augenblicklich über Anlagen bis zu 800 Nebenstellen. Hochleistungsschnittstellen gibt es nur zu Hewlett-Packard-Computern. Die U-Schnittstelle, soweit genormt (2-Draht, 144 KB), ist realisiert, die S-Schnittstelle jedoch noch nicht. Der V.24-Anschluß ist über den digitalen Telefonapparat verfügbar. Eine Übergabe der Leistungsmerkmale wird nur im Rahmen von ITT-Anlagen, also mit Sicherheit nicht gegenüber anderen Herstellern und nur teilweise ins öffentliche Netz, möglich sein.

Annähernd dasselbe Bild zeigt Kapsch. Allerdings sind dort schon Anlagen mit bis zu 10 000 Teilnehmern lieferbar. Teletex, Telex, Telefax und X.25 sind verfügbar. Hochleistungsverbindungen zu Rechnern auf der Basis CPI wird es voraussichtlich Ende 1987 geben. Wie bei ITT ist die U-Schnittstelle bereits realisiert, die S-Schnittstelle hingegen nicht. Laut Aussage des Unternehmens existiert für die Kapsch-eigene ISDN-Anlage DataStar eine große Anzahl von Schnittstellenmodulen und Protokollkonvertern, so daß sich jetzt schon V.24-Schnittstellen von 3270-Anschlüssen realisieren lassen.

Philips teilte mit, dort seien ISDN-Anlagen von 10 bis 20 000 Teilnehmern im Programm. Die Postzulassung für diese Systeme werde voraussichtlich im Herbst 1986 abgeschlossen sein.

Eine Hochleistungsverbindung gibt Philips als grundsätzlich realisierbar an, weil der Bitstrom auf PCM-30-Basis verfügbar sei. Zur Zeit ist sie jedoch noch nicht verwirklicht, weder mit eigenen noch mit anderen Computern. Auch Philips stellt eine

U-Schnittstelle, soweit genormt, zur Verfügung, jedoch keine

S-Schnittstelle. Der D-Kanal wird zur Signalisierung verwandt, der digitale Telefonapparat für die V.24-Schnittstelle, die im Synchronbetrieb bis zu 64 KB übertragen kann.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die reine ISDN-Technik von aller genannten Firmen beherrscht wird. Bei der praktischen Realisierung ergeben sich aber zum Teil große Unterschiede. Deswegen muß auf die mögliche Flexibilität und das allgemeine Know-how auf dem Gebiet der digitalen Netzwerktechnik geachtet werden, wenn eine Entscheidung für einen Hersteller getroffen werden soll.