Messerundgang Internet-Tools

Grosse Anbieter draengen die Internet-Pioniere vom Markt

08.03.1996

Web-Browser gelten wohl als die typischen Anwendungen fuer das Internet. Freilich sind die Tage von Stand-alone-Anwendungen gezaehlt. Browser-Faehigkeiten werden zunehmend in Standardanwendungen oder grafische Oberflaechen von Betriebssystemen integriert. Eine Prognose der Meta-Group geht davon aus, dass sich Web-Browser bis 1997/98 zum dominierenden Desktop-Client entwickeln und in 80 Prozent aller Unternehmen bis Ende 1996 eingesetzt werden.

Web-Browser werden den Desktop dominieren

Die meisten Hersteller von Web-Browsern geben diese kostenlos ab und verfolgen damit die Absicht, die Umsaetze anderer Produkte aus ihrem Portfolio anzukurbeln. Am erfolgreichsten war mit dieser Strategie die Internet-Company schlechthin: Netscape Communications Corp. Sie foerderte durch proprietaere Erweiterungen der Hypertext Markup Language (HTML) erfolgreich den Verkauf des hauseigenen Web-Servers - nur er konnte den massenhaft verbreiteten eigenen Browser optimal bedienen. Die Version 2.0 des "Netscape Navigator", der insgesamt einen geschaetzten Marktanteil von ueber 80 Prozent aufweist, gibt es in Halle 003 auf Stand E46 zu sehen. Navigator hat sich mittlerweile vom blossen Browser zum Front-end fuer alle Internet-Dienste entwickelt. Das Produkt umfasst einen FTP-, Gopher- und E-Mail-Client sowie einen Newsreader und unterstuetzt zudem Java sowie HTML 3.0. Als State-of-the-Art- Browser laeuft Navigator unter Unix, MacOS, Win 3.x und Win 95/NT.

Am Entwicklungsfortschritt von "Hot Java" ist zu erkennen, dass Sun im Browser-Markt nur wenig Ambitionen zeigt. Fuer die Demonstration von Java-Applets (in Halle 1, Stand 8a2) reicht auch die bisher verfuegbare Alphaversion aus, ansonsten laesst man Netscape den Vortritt.

In Halle 1, Stand 4h2, zeigt Datenbank-Hersteller Oracle die aktuelle Betaversion seines "Power-Browser fuer Windows". Das urspruenglich geplante Fertigstellungsdatum wurde von Ende Januar auf Ende Juni verschoben. Das gratis erhaeltliche Web-Front-end enthaelt eine abgespeckte Version der Oracle-PC-Datenbank Blaze zur Verwaltung von Web-Adressen. Auf diesem Weg hofft Oracle seine Position im Markt fuer Windows-Datenbanken verbessern zu koennen. Power-Browser laesst sich in Workgroups als einfacher Web-Server einsetzen. Dank der Lizenzvereinbarungen mit Sun Microsystems und Microsoft wird er Java und Visual Basic Script unterstuetzen. Fuer Entwickler ist interessant, dass es Power-Browser auch als OCX- Ausfuehrung gibt, weshalb er sich via OLE in Windows-Applikationen einbinden laesst.

Der Marktfuehrer bei PC-Software und Spaetzuender in Sachen Internet, Microsoft, stellt seinen "Internet-Explorer" in der Version 2.0 ebenfalls kostenlos zur Verfuegung. Dieses Produkt ist fuer Microsofts eigene HTML-Multimedia-Erweiterungen ausgelegt. Sollten Web-Anbieter diese proprietaere Weiterentwicklung mehrheitlich unterstuetzen, dann - so hofft man wohl in Redmond - koennte Windows Bedingung fuer eine vollwertige Web-Nutzung werden. In Halle 2, Stand D02, kann das Windows-95-Programm noch als Stand-alone- Anwendung bewundert werden. Der Softwareriese plant, bis Mitte 1996 die Browser-Funktionen direkt in die Oberflaeche von Windows 95 zu integrieren.

Der Spezialist fuer TCP/IP-Tools, Net Manage, stellt seinen "Web Surfer 4.6" (existiert in Win16- und Win32-Ausfuehrung) in Halle 12 EG, Stand B29, zur Schau. Zum Lieferumfang des ebenfalls kostenlosen Tools gehoert die Winsock-Implementierung von Net Manage. Der volle Funktionsumfang des Browsers laesst sich allerdings nur dann ausschoepfen, wenn das hauseigene TCP/IP-Paket Chameleon installiert ist.

IBM stattete OS/2 Warp von Anfang an mit dem "Internet Access Kit" aus und spielte damit bei PC-Systemen eine Vorreiterrolle. Der "Web-Explorer fuer OS/2", praesentiert in Halle 1, Stand 4g1, befindet sich inzwischen in der Version 1.03. Gegenueber der stuermischen Weiterentwicklung der besten Windows-Browser wie Netscape Navigator geraet er aber zunehmend in Rueckstand. Bei der Unterstuetzung durch unabhaengige Software-Entwickler erleidet OS/2 als Internet-Plattform ein aehnliches Schicksal wie in praktisch allen anderen Bereichen.

Auf der andere Seite des Internet werben mittlerweile eine Vielzahl von Web-Server-Herstellern um die Gunst der Anbieter. Sehr viele Produkte sind fuer praktisch alle Plattformen als Freeware zu haben (Apache, Cern, NCSA). Beim Einsatz des WWW fuer kommerzielle Zwecke stellt sich allerdings die Frage nach der Sicherheit. Der Marktfuehrer bei Web-Servern, Netscape Communications, entwickelte gegen unerwuenschte Angriffe auf kritische Daten die Secure-Socket-Layer-Technologie (SSL), die gute Chancen hat, als allgemeiner Standard anerkannt zu werden. Der kalifornische Hersteller zeigt in Halle 3 E46 den "Communications Server" und fuer gehobene Ansprueche den "Commerce Server". Auf der CeBIT feiert zudem der "Mail-Server" seine Messepremiere. Die in Deutschland erhaeltlichen Server sind in puncto Verschluesselung nur eine Light-Version und wurden in der Vergangenheit schon des oefteren geknackt - sie entsprechen aber den amerikanischen Exportbestimmungen.

Web-Server zunehmend ueber Bundling verkauft

Die Netscape-Web-Server werden von Sun Microsystems auf die Rechner der "Netra-I"-Reihe vorinstalliert. Diese fuer den Internet-Einsatz konfigurierten Unix-Maschinen sind in Halle 1, Stand 8a2, zu besichtigen.

IBM unterstuetzt mit dem "Internet Connection Server fuer OS/2" neben SSL auch das DCE-konforme Secure-HTTP-Protokoll. Im blauen Internet-Cafe in Halle 2, Stand D28, besteht die Moeglichkeit, auf Web-Servern "powered by OS/2 Warp" zu surfen.

Microsoft ist bemueht, im Markt fuer Web-Server den Anschluss an die Konkurrenz zu finden: In Halle 2, Stand D02, blickt der unter dem Codenamen "Gibraltar" entwickelte, NT-basierte "Internet Information Server" seiner offiziellen Fertigstellung entgegen. Er soll zukuenftig zum Lieferumfang des Windows NT Server gehoeren und neben dem standardisierten CGI-Interface auch eine ODBC- Schnittstelle fuer Datenbankzugriffe aufweisen.

Sobald Web-Server eine kritische Rolle bei der Abwicklung von Geschaeftsablaeufen uebernehmen, muessen sie nach Ansicht von Computer Associates mit der gleichen Sorgfalt wie unternehmensinterne Server verwaltet werden. Das CA-eigene Werkzeug, mit dem sich Web- Server ueber das Internet managen lassen, "CA Unicenter/ICE" (Internet Commerce Enabled), gibt es in Halle 3, Stand B39, zu sehen. Es ist auf die Web-Server des Marktfuehrers Netscape abgestimmt, eine Unterstuetzung fuer weitere Produkte folgt. Zu den Funktionen von Unicenter/ICE gehoeren die Steuerung von Backups, Identifikation von Benutzern, Ueberwachung der Ressourcenausnutzung und die Aufzeichnung von Internet-Ereignissen.

Anbieter von Inhalten nutzen Web-Server meist fuer das Publizieren unstrukturierter Daten wie Dokumenten und Grafiken. Bei Buchungssystemen im Internet reklamieren die Hersteller relationaler Datenbanken ihre Zustaendigkeit. Sie wollen Web-Nutzer in die Lage versetzen, mittels Browser Daten in und aus den (oft schon bestehenden) Datenbanken zu bringen.

Branchenprimus Oracle stellt in Halle 3, Stand 4h2, seine Komplettloesung fuer das WWW vor. "Websystem 1.0" besteht aus einer Oracle-7-Datenbank, einem traditionellen Web-Server und einem Web- Agenten, der Daten zwischen der Datenbank und dem Web-Server vermittelt. Gezeigt werden bei dieser Gelegenheit bereits existierende Referenzprojekte, beispielsweise die Jobboerse des US- Bundesstaats Florida http://www.state.fl.us . Neben Geschaeftsdaten will Oracle auch Unterhaltung ueber das Internet transportieren: Mit dem hauseigenen Media-Server soll Video on demand ueber das globale Netz verwirklicht werden. Der Konsument benoetigt dafuer lediglich einen Web-Browser. Eine diesbezuegliche Vorfuehrung mit garantierter Bandbreite findet in Halle 1, Stand B29, statt.

Auch die Oracle-Konkurrenz ist fuer das Web geruestet. Informix fuehrt in Halle 1, Stand 8a2, den Web-Zugriff auf die hauseigene Datenbank unter Einsatz des "Common-Interface-Gateway-Kits" vor. Computer Associates praesentiert mit "Open Ingres/ICE" ein Produkt, das Anwendern den Web-Zugriff auf Open-Ingres-Datenbanken erlaubt: Dazu benutzt es ebenfalls das Common Gateway Interface (CGI) von Web-Servern.

Das Unternehmen Sybase zeigt in Halle 3, Stand C10, seine Middleware "web.sql", die Web-Seiten dynamisch mit Daten aus der hauseigenen SQL-Datenbank versorgt. Das Produkt laeuft wahlweise auf dem Datenbank-, dem Web- oder einem eigenen Server.

IBM wartet in Halle 2, Stand D28, mit der "DB2 WWW Connection 1.0" auf, die unter OS/2 oder AIX Abfragen und Daten zwischen DB2- Datenbanken und Web-Servern transferiert. Der Hersteller weist darauf hin, dass diese Software nicht nur fuer Zwei-Stufen- Umgebungen geeignet ist, sondern auch DB2-Datenbanken erreichen kann, die ueber Distributed Database Connection Services (DDCS) verbunden sind.

Die Anbindung an das WWW ist freilich kein Privileg relationaler Datenbanken. Auch Lotus demonstriert die Internet-Anbindung seines Groupware-Produkts Notes: Das Add-on "Inter Notes Web Publisher" zum Austausch von Informationen zwischen Notes-Datenbanken und dem WWW gehoert zum Lieferumfang von Notes 4. Es ist in Halle 2, Stand B48, zu finden.

Zur Aufbereitung von Web-Inhalten existieren mittlerweile zahlreiche Tools. Die Hersteller von Bueroanwendungen sind damit beschaeftigt, Textverarbeitungen, Tabellenkalkulationen und Praesentationsprogramme so aufzuruesten, dass sie als Autorenwerkzeuge taugen und das Bearbeiten von Dokumenten ueber das Internet moeglich machen. Marktfuehrer Microsoft zeigt diesbezuegliche Faehigkeiten der Office-Anwendungen in Halle 2, Stand D02. Lotus kann ebenfalls in Halle 2, Stand C38, darauf verweisen, dass es diesen Weg mit seiner "Smart Suite" schon vor den meisten Konkurrenten eingeschlagen hat.

Professionelle Anbieter werden allerdings zur Gestaltung von Web- Seiten wohl weniger auf solche Bueroanwendungen zurueckgreifen, sondern Werkzeuge wie Adobes "Page Mill" heranziehen. Dieses Authoring-Tool ist neben "Site Mill", einer Software zur Verwaltung umfangreicher Web-Angebote, in Halle 8, Stand C27, zu sehen.

Micosoft hatte bei der Entwicklung des "Internet Studio" (Codename Blackbird) ein Handikap zu bewaeltigen: Dieses Autorenwerkzeug war urspruenglich fuer das MSN ausgelegt und musste nun nach der Umorientierung des Software-Giganten schnellstens Internet- tauglich gemacht werden. Vorgestellt wird das Produkt in Halle 2, Stand D02.

Damit der Anwender sein System bei der globalen Kommunikation nicht mit einem Virus infiziert, bietet McAfee mit "Webscan" eine Version seines Viren-Scanners an, die sich in die gaengigsten Web- Browser integrieren laesst. Das Produkt wird in Halle 11, C 61/1 vorgefuehrt.