Groesster europaeischer Abschluss unter Dach und Fach Britische Steuerbehoerden waehlen EDS als Outsourcer

03.12.1993

MUENCHEN (hv) - Die Finanzbehoerden der englischen Regierung wollen ihre Computersysteme zur Steuerbearbeitung im Fruehjahr 1994 komplett auslagern. Den Zuschlag fuer den bisher groessten europaeischen Outsourcing-Deal - der Gesamtwert liegt zwischen zwei und drei Milliarden Mark - erhielt die EDS-Tochter EDS Scicon.

Noch ist der Vertrag nicht unterzeichnet, aber als kuenftiger Partner der britischen Regierung steht die zum General-Motors- Konzern gehoerende Gesellschaft fest. Sie soll den Fiskus zunaechst fuer zehn Jahre mit ihrem IT-Know-how bei der Verwaltung und Bearbeitung der Steuergeschaefte unterstuetzen. Die US-Gesellschaft gewann die Ausschreibung gegen prominente Konkurrenz: Die Computer Science Corp. (CSC) und die IBM Information Solutions Ltd., britische Outsourcing-Tochter der IBM, hatten sich zusammengetan, um den Auftrag gemeinsam an Land zu ziehen.

Das Projekt ist nach Angaben der Wirtschaftszeitung "Financial Times" insofern einzigartig, als erstmals eine Regierung einem externen privaten Dienstleister vertrauliche Steuerinformationen zur Bearbeitung anvertraut. Diese Entwicklung wird in der englischen Oeffentlichkeit, nicht zuletzt auch bei Mitarbeitern der Behoerde, mit Argwohn, zum Teil mit offenem Protest verfolgt.

EDS wird sich daher vor Abschluss des Vertrags noch einige kritische Fragen bezueglich der vertraulichen Behandlung persoenlicher Daten gefallen lassen muessen. Allerdings ist der Konzern nachweislich erfahren im Umgang mit sensiblen Informationen: Die General-Motors-Tochter arbeitet naemlich in einer aehnlich heiklen Mission fuer das US-Verteidigungsministerium. Wie die CW-Schwesterpublikation "Computerworld" berichtet, wird der Dienstleister die DV-Ausstattung des neuen Kunden zum Preis von rund 180 Millionen Mark uebernehmen. Inwieweit EDS fuer die kuenftige Steuerbearbeitung eigenes DV-Equipment verwendet, ist noch ebenso offen wie die Frage nach einer kompletten Restrukturierung der vorhandenen IT-Landschaft.

Rund 2000 der insgesamt 2500 Staatsdiener sollen an den neuen DV- Betreiber uebergehen, etwa 300 bleiben Angestellte der Behoerde. Von dieser Regelung sind die Beschaeftigten nach Informationen der "Financial Times" nicht gerade erbaut. So monierte die Mitarbeitervertretung Inland Revenue Staff Federation (IRSF), dass es der Belegschaft der Finanzbehoerden nicht erlaubt gewesen sei, selbst ein Angebot zu erstellen.

Allerdings sind die Mitarbeiter auch in Zukunft abgesichert. Sie fallen als kuenftige Arbeitnehmer von EDS Scicon unter ein seit 1982 bestehendes Arbeitnehmerschutzgesetz. Darin ist in Faellen wie diesen vorgesehen, dass die Angestellten beim Dienstleister unter vergleichbaren Bedingungen zu beschaeftigen sind. EDS Scicon war erst vor zwei Jahren gegruendet worden, als EDS den britischen Dienstleister Scicon Ltd. - damals in Besitz der Oelgesellschaft BP - uebernommen hatte. Aus wirtschaftspolitischer Sicht betrachtet die britische Oeffentlichkeit das Projekt eher skeptisch. Warum, fragen sich viele Englaender, hat ein US-Unternehmen den Milliardenauftrag erhalten und nicht ein englischer oder ein europaeischer Konzern? Bereits in einem fruehen Stadium war die britische Fujitsu-Tochter ICL von der Liste der potentiellen Outsourcer gestrichen worden, mit der Begruendung, dem Unternehmen fehle es an der noetigen Dienstleistungserfahrung.

Dagegen erhofft sich die Regierung von der "strategischen Partnerschaft" klare DV-Vorteile wie etwa einen leichteren Einstieg in neueste Techniken der Systementwicklung. Fuer die Umstellung ihres Steuersystems, die in den naechsten Jahren vorgesehen ist, erwarten die Behoerden neue Impulse. Kuenftig, so die Planung, soll es fuer jeden Steuerzahler nur noch eine einzige Anlaufstelle geben. Auch auf die laufenden DV-Kosten - mehr als 600 Millionen Mark jaehrlich - soll sich der Outsourcing-Deal positiv auswirken. Die New Yorker Boerse reagierte auf den Coup geradezu euphorisch. Der EDS-Aktienkurs stieg um rund 1,50 Dollar auf einen Wert von 28,50 Dollar. Fuer die General-Motors-Tochter ist dies nicht der erste Milliardenvertrag in Europa. Im Sommer hatte der Konzern bereits einen Grossauftrag von dem schwedischen Firmenkonglomerat Kooperativa Forbundet erhalten.

Doch auch Wettbewerber CSC war vor wenigen Wochen mit einem Vertrag von aehnlicher Groesse erfolgreich. Auftraggeber war hier die British Aerospace Plc., die im Rahmen eines Outsour- cing- Kontraktes ihr komplettes DV-Equipment sowie insgesamt 1250 IT- Mitarbeiter an CSC abgeben wird. Den Vertragswert beziffert das Unternehmen auf rund zwei Milliarden Mark. Hier hatte EDS als einer der Wettbewerber das Nachsehen.