Informatik an der Universität Karlsruhe (TH)

Größe steht für Bandbreite

23.03.2001
Sie gehörte zu den ersten Hochschulen, die das Fach Informatik lehrte - vor mittlerweile 32 Jahren. Heute zählt sie nicht nur zu den größten, sondern auch zu den besten Informatikfakultäten in Deutschland: die TH Karlsruhe. Sie lag schon in der Vergangenheit an der Spitze vieler Rankings und hat auch in der aktuellen COMPUTERWOCHE-Studie der besten Informatikhochschulen den ersten Platz belegt. Von Sonja Hübner*

Die Zahlen sprechen für sich: Jeder zehnte Diplominformatiker und jeder achte Doktor der Informatik einer deutschen Universität kommt aus Karlsruhe. Mehr als 80 Nachwuchswissenschaftler der Fakultät haben in den vergangenen 15 Jahren hochdotiere Forschungspreise erhalten, über 110 Professoren gingen bisher aus der Karlsruher Informatikschmiede hervor. Auch in der Einwerbung von Drittmitteln nimmt sie eine Spitzenposition unter den deutschen Informatikfakultäten ein. Mit ihren derzeit rund 2025 Studierenden, 26 Professoren und über 200 wissenschaftlichen Mitarbeitern hat sie sich zu einem der größten Fachbereiche der Universität und zu einer der bedeutendsten Informatikfakultäten Deutschlands entwickelt.

Zu wenig ProfessorenTrotz dieser positiven Bilanz muss sich Karlsruhe mit dem gleichen Problem wie die meisten anderen Informatikfakultäten herumschlagen: Auf immer mehr Studenten, die sich für dieses Fach angesichts der verlockenden Jobprognosen entscheiden, kommen nicht genug Professoren. Während in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Studenten auf das Dreifache, die der Absolventen auf das Fünffache und die der Promotionen auf das Sechsfache gestiegen sind, hat das Land Baden-Württemberg die Zahl der Professoren und der wissenschaftlichen Mitarbeiter gerade mal verdoppelt. Gerade im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter werden mittlerweile schon mehr Stellen über Drittmittel aus der Industrie als über Landesmittel geschaffen. Im Vergleich zu den USA, wo an den Universitäten auf einen Professor zwischen fünf und zehn Studenten kommen, schneidet Karlsruhe mit einem Verhältnis von 1:80 immer noch schlecht ab.

Dabei hat die Fakultät unter der Leitung von Professor Detlef Schmid die schlimmsten Stellenkürzungen zumindest teilweise auffangen können. "Das erste Ziel meiner Amtstätigkeit war es, die Kürzungen zu kompensieren, die mein Vorgänger hinnehmen musste. 1997 hatte uns das Bildungsministerium 29 der 98 Arbeitsplätze im wissenschaftlichen Bereich gestrichen, also rund ein Drittel. Wenigstens einen Teil der Stellen habe ich inzwischen wieder bekommen", freut sich Dekan Schmid. So wurden zunächst Stellen und Mittel von weniger ausgelasteten Fakultäten auf die Informatik umgeschichtet. "Mehr als Notmaßnahmen können das aber nicht sein", warnt Schmid. Denn der Ansturm von Informatikstudenten auf die TH Karlsruhe ist so groß wie nie zuvor.

Trotz der finanziellen und personellen Schwierigkeiten blieb die Bandbreite der Fakultät unübertroffen. Sie reicht von der Rechnertechnologie und -architektur über die theoretische Informatik, Telematik, Programmsysteme, parallele und verteilte Systeme bis hin zu Anwendungen in den Ingenieurwissenschaften.

Das Grundstudium ist stark theoretisch ausgerichtet und gilt angesichts einer Studienabbrecherquote von 40 Prozent als Nadelöhr für das freiere Hauptstudium. Während der Student im Hauptstudium die Wahl zwischen 18 Vertiefungsfächern hat, ist in den ersten Semestern krisensicheres Basiswissen in Mathematik, Analysis, Algebra, Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie Pflicht. Dazu kommen die Blöcke Informatik und Technische Informatik plus ein Ergänzungsfach aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften, der Mathematik oder Betriebswirtschaftslehre.

Information als Wirtschaftsgut betrachtet der vor zwei Jahren eingeführte Studiengang Informationswirtschaft. Informatik, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften bilden die drei Säulen der Ausbildung. Zuletzt hatten sich 400 Kandidaten um die 50 freien Plätze beworben. Da blieb der TH nichts anderes übrig, als einen Numerus Clausus einzuführen. "Dabei zählt die Deutschnote genau so viel wie die Mathematiknote. Es hat sich gezeigt, dass Menschen mit guten Zensuren in Deutsch meist auch gut in Kommunikation sind", begründet Schmid diese Entscheidung. Ohne Kommunikationskompetenz kommt kaum einer erfolgreich durch das Studium in Karlsruhe: Bereits für die Erstsemester gibt es Tutorien, in denen in Kleingruppen von zwölf bis 15 Personen der Stoff der Einführungsvorlesung vertieft wird. Mit Ausnahme der Diplomarbeit findet alles in Teams und Projekten statt. Außerdem jobben über 90 Prozent der Studenten nach dem Vordiplom regelmäßig in Unternehmen.

"Das Engagement außerhalb der Uni verlängert natürlich die Studienzeit. Wir liegen augenblicklich bei einem Durchschnitt von 12,5 Semestern. Das ist zu lang", sagt Schmid. Deshalb überlegt die Fakultät, eine Teilzeit-Immatrikulation zu ermöglichen. Die soll verhindern, dass man mit Studiengebühren von derzeit 1000 Mark im Monat bestraft wird, wenn finanzielle und/oder familiäre Belastungen ein Regelstudium unmöglich machen.

Kein schnelles StudiumKurzstudiengänge dagegen sind zu Schmids Bedauern vorerst nicht möglich in Karlsruhe. "Wir hatten drei neue Bachelor-Studiengänge in Informatik, Informationswirtschaft und Computer Engineering vorgeschlagen." Das Land will solche Studiengänge aus dem Erlös des Verkaufs des Stromversorgers Energie Baden-Württemberg (Enbw) fördern. Die Mittel sind allerdings an die Bedingung geknüpft, dass sich die Universitäten zur Hälfte mit eigenen Stellen an der Förderung beteiligen. Zudem müssten sie nach fünf Jahren die Finanzierung aller Maßnahmen vollständig übernehmen. "Das käme letztlich einer Stellenkürzung gleich, die wir nicht verkraften können. Bei 800 Leuten in der Anfängervorlesung kann man einfach keine Stellen aus dem Diplomstudiengang abziehen", bedauert Dekan Schmid die Entscheidung gegen das schnelle Studium.

*Sonja Hübner ist freie Journalistin in Stuttgart