Am Arbeitsamt führt kein Weg vorbei

Green Card: Die Fallstricke für die Unternehmen

28.07.2000
MÜNCHEN (ag) - Kaum hat der Bundesrat die Green-Card-Regelung verabschiedet, macht sich schon Ernüchterung breit. Vor allem kleinen und mittelständischen Firmen wird klar, dass der Aufwand, ausländische IT-Profis anzuwerben, größer als erwartet ist und dass auch die neue Regelung noch einige Fallstricke in sich birgt.

Der Countdown beginnt am 1. August: Haben sich Unternehmen schon im Vorfeld beim örtlichen Arbeitsamt um die Zusicherung einer Arbeitserlaubnis für ihre Bewerber gekümmert, könnten ab diesem Tag schon die ersten ausländischen Computerexperten in Deutschland ihre Arbeit aufnehmen. "Es gilt das Windhundverfahren: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", bekräftigt Peter Rasmussen, Referatsleiter im Landesarbeitsamt Bayern. Zudem gibt es keine betriebliche Höchstgrenze, das heißt: Jedes Unternehmen kann so viele IT-Gastarbeiter anwerben, wie es will und bekommt - solange das Kontingent von 10000 (bei Bedarf 20000) Green Cards nicht ausgeschöpft ist.

Bis es aber so weit ist, haben personalsuchende IT-Unternehmen noch so manche Hürde zu nehmen. Das wurde besonders den Vertretern der kleinen und mittelständischen Firmen auf der Konferenz "IT-Fachkräftemangel - Green Card als Patentlösung oder IT-Kooperationen zwischen Ost und West" in München klar, zu der die IHK München, das Ost West Zentrum (OWZ) Bayern und die Unternehmensberatung IMC eingeladen hatten. Von Arbeitsamtsvertreter Rasmussen erfuhren die Teilnehmer zum Beispiel, dass sie eine Zustimmung des örtlichen Arbeitsamtes brauchen, wenn sie als Arbeitgeber die neuen Mitarbeiter im Ausland anwerben wollen. Ohne diese machen sich die Unternehmen strafbar. Die Zustimmung gilt jeweils nur für ein halbes Jahr und muss danach neu beantragt werden. Schaltet das Unternehmen einen Personalberater oder anderen privaten Arbeitsvermittler für die Suche im Ausland ein, muss das Arbeitsamt ebenfalls davon unterrichtet werden. Auch Personalberater und -vermittler müssen sich noch eine besondere Vermittlungserlaubnis für IT-Fachkräfte einholen.

Hat man einen geeigneten Bewerber an der Hand, müssen die Unternehmen dem Arbeitsamt im Vorfeld einen Qualifikationsnachweis, die konkrete Stellenbeschreibung sowie den Arbeitsvertrag vorlegen, um eine Zusicherung einer Arbeitserlaubnis zu bekommen. Soll der IT-Profi mit seiner Familie kommen, muss bereits im Vorfeld eine geeignete Wohnung in Deutschland nachgewiesen werden. Die Zusicherung einer Arbeitserlaubnis braucht der Bewerber, um in seinem Heimatland bei der deutschen Botschaft ein Visum beantragen zu können.

OWZ-Geschäftsführer Hans Peter Müller warnte davor, die Bewerber zunächst mittels eines dreimonatigen Touristenvisums nach Deutschland zu bringen: "Ein solches Visum kann in der Regel nicht einfach in eine längerfristige Aufenthaltsgenehmigung umgewandelt werden. Die Behörden sind da streng und bestehen darauf, dass derjenige wieder ausreist, um auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg an eine Aufenthaltsgenehmigung zu gelangen." Einer genaueren Prüfung durch das Arbeitsamt können sich Unternehmen nur dann entziehen, wenn sie dem ausländischen IT-Experten ein Jahresbruttogehalt von mindestens 100000 Mark statt der 77400 Mark (Beitragsbemessungsgrenze für die private Krankenkasse) zahlen, die der Gesetzgeber als Mindestverdienst für die ausländischen Profis mit IT-Hochschulabschluss festgelegt hat. Einzige Ausnahme: Firmen dürfen Hochschulabsolventen ohne jegliche Berufserfahrung einen niedrigeren Lohn bezahlen, allerdings nur in den ersten sechs Monaten.

Viele kleine und mittelständische Unternehmnen sind aber nicht dazu bereit, ausländischen IT-Experten ein sechsstelliges Jahresgehalt zu zahlen. Um so verwunderter waren viele Firmenvertreter, als sie einen Überblick über die aktuellen IT-Gehälter in einigen osteuropäischen Staaten bekamen. Während qualifizierte Softwareentwickler sich zwar in der Ukraine mit 600 Dollar im Monat begnügen müssen, verdienen Topkräfte in der Russischen Föderation bereits zwischen 1000 und 2000 Dollar im Monat. Auch Thomas Holthoff, Geschäftsführer der Lufthansa Systems Hungaria in Budapest, konnte das bestätigen: "Bei einem Gehalt von 2000 bis 5000 Mark im Monat verdienen ungarische Programmierer im Gegensatz zur restlichen Bevölkerung, deren Durchschnittseinkommen bei 500 Mark liegt, sehr gut." Das erkläre auch, dass die Entwicklerstunde in Ungarn mit etwa 80 Mark nur 30 Mark billiger ist als in Deutschland. Auch die Personalberater Roman Hummelt und Oxana Kovalchuk von IMC International Executive Search and Business Development, Starnberg, konnten nur davon warnen, die IT-Experten aus Osteuropa als Billigkräfte anzusehen: "In ihren Ländern gehören sie dank ihres hohen Einkommens zur Oberschicht, während das in Deutschland aufgrund der hohen Steuern, Sozialabgaben und Lebenshaltungskosten nicht mehr der Fall sein wird. Hochqualifizierte Spezialisten dürfen aber nicht wie Hilfskräfte oder Asylbewerber behandelt werden."

Kovalchuk machte nochmal deutlich, dass es mit der reinen Anwerbung der IT-Spezialisten noch lange nicht getan ist. Bereits vor der Abreise sollten die Spezialisten durch Sprachkurse, genaue Informationen über ihr neues Aufgabengebiet und landeskundlichen Unterricht - "Warum man in Deutschland nicht zu spät kommen sollte" - auf ihren Aufenthalt vorbereitet werden. Darüber hinaus riet sie den Firmen, den neuen Mitarbeitern Paten an die Seite zu stellen, die ihnen helfen, sei es nun bei Fragen der Einschulung der Kinder oder mit Informationen zum deutschen Versicherungssystem. Die Personalberaterin rät auch zu interkulturellen Seminaren, um die Arbeitsweisen der Deutschen und die ihrer neuen ausländischen Kollegen aufeinander abzustimmen. Schließlich könnten sich aus verschiedenen Denkweisen auch fruchtbare Synergien entwickeln. Stellt sich heraus, dass die deutschen Kollegen Vorbehalte gegenüber ausländischen Mitarbeitern im Allgemeinen haben, empfiehlt Kovalchuk spezielle Vorbereitungskurse für die Deutschen.

Ob hiesige Unternehmen bei ihrer Personalsuche im Ausland mit offenen Armen empfangen werden, darf zumindest für viele osteuropäische Länder bezweifelt werden. "Die Verlagerung der polnischen Fachkräfte nach Deutschland hat negative Folgen für unsere Wirtschaft und ist zudem sinnlos: Die deutsche IT-Industrie hat kein Personal-, sondern ein Produktivitätsproblem. Die Anwendungsentwicklung dauert einfach zu lange", so die Sicht von Tomasz Rawinski von der IT Experte Science Technology Foundation in Gdansk. Auch die anderen Referenten von IT-Branchenverbänden in der Ukraine, Rumänien, Bulgarien und der Russischen Föderation machten in ihren Vorträgen deutlich, dass sie die Green-Card-Initiative ablehnen und ihre Spezialisten im Land halten wollen. Sie warben daher für bilaterale Kooperationen und Outsourcing-Projekte, die im eigenen Land abgewickelt werden können.

So lagen etwa für Daniel Gruia, Generalsekretär der rumänischen Agentia Nationala Pentru Cominicatii si Informatica, die Vorteile einer nach Rumänien ausgelagerten Softwareentwicklung auf der Hand: "Hier können Sie testen, bevor Sie das Produkt kaufen. Wenn Sie unsere Spezialisten nach Deutschland holen, kaufen Sie, ohne vorher zu testen." Er bezweifelte, ob eine Personalauswahl aufgrund schriftlicher Unterlagen erfolgreich sein kann.

Damit wollte Gruia aber nicht sagen, dass es in den osteuropäischen Ländern kein gut ausgebildetes IT-Personal gibt. Ob Java, HTML, XML oder Linux, mit Kenntnissen in diesen neuen und gefragten Technologien können auch Entwickler aus der Russischen Föderation, Bulgarien oder Rumänien aufwarten - auch wenn sie sich diese oft nur über den Weg des Softwareklaus aneignen konnten. Darüber hinaus gibt es einige Elite-Universitäten wie die Moskauer Staatliche Lomonosov Universität, die eine lange mathematische Tradition habe, wie Vladislav Below vom Europa-Institut der Russischen Akademie für Wissenschaften erläuterte. Dass eine Firmenvertreterin diese Information mit einem ungläubigen Lachen quittierte, kommentierte der Moskauer IT-Experte so: "Ihr Lachen ist hier nicht angebracht. Sie können von Glück reden, wenn sich ein Absolvent dieser berühmten Hochschule bei Ihnen bewirbt." Denn gerade für die russischen Spitzenkräfte seien die USA im Vergleich zu Deutschland immer noch die verlockendere Alternative.

Die Schritte zur ArbeitserlaubnisVor der Einreise der IT-Experten:

- Unternehmen brauchen die Zustimmung des Arbeitsamtes, bevor sie IT-Profis im nicht-europäischen Ausland anwerben;

- Firmen müssen einen Qualifikationsnachweis des Bewerbers, konkrete Stellenbeschreibung und Arbeitsvertrag (in Deutsch und einer dem Bewerber verständlichen Zweitsprache) beim Arbeitsamt vorlegen;

- Unternehmen beantragen für ihren Bewerber eine Zusicherung der Arbeitserlaubnis und schicken sie ihm zu;

- Unter Vorlage der Zusicherung der Arbeitserlaubnis beantragen Bewerber ein Visum bei der/dem deutschen Botschaft/ Konsulat.

Nach der Einreise:

- Anmelden beim Einwohnermeldeamt;

- Aufenthaltserlaubnis bei Ausländerbehörde beantragen (unter Vorlage von Visum und Arbeitsvertrag);

- Arbeitserlaubnis binnen drei Monate beim Arbeitsamt beantragen.