Geschäftsmodelle für den E-Commerce/Wall Street Journal Online

Gratis-News und kostenpflichtige Inhalte

16.03.2001
In den USA verlangen einige Internet-Anbieter schon seit geraumer Zeit Gebühren für die Nutzung ihrer Inhalte. Die Online-Ausgabe des "Wall Street Journal" war einer der Vorreiter in diesem Geschäft. Mit Publisher Neil Budde sprach CW-Redakteur Frank Niemann.

CW: Viele Online-Zeitschriften mit Abo-Gebühren richten sich an eine meist recht kleine Zielgruppe. Denken Sie, dass sich solche Modelle auch bei Inhaltsanbietern durchsetzen, die ein breiteres Publikum bedienen?

Budde: Es wird mehr Payment-Features geben, seien es nun Mitgliedsbeiträge oder Gebühren für bestimmte Services, die es sonst nirgendwo gibt. Auf der Website der New York Times beispielsweise müssen die Kunden für das Online-Puzzle bezahlen - die Inhalte dagegen sind kostenlos.

CW: Glauben Sie, dass speziell die Zeitungen Subscription-Modelle favorisieren?

Budde: Jeder, der heute über Abo-Systeme im Web nachdenkt, muss natürlich über Content verfügen, für den Surfer bereit sind zu zahlen. Auf unsere Site werden täglich rund um die Uhr Tausende von neuen Stories eingestellt, und zwar von "Wallstreet-Journal"-Redakteuren wie von Reportern des "Dow Jones Newswire".

CW: Heute können sich Wsj.com-Kunden Text und Grafiken herunterladen. Wird es auch Streaming-Media-Inhalte geben?

Budde: Wir bieten in begrenztem Umfang bereits Streaming-Media an. Möglicherweise wird es Leute geben, die bereit sind, auch für Videos, beispielsweise Interviews oder andere Events, zu bezahlen.

CW: Doch der Kunde muss auch dann zahlen, wenn er die Online-News gar nicht liest. Möglicherweise interessiert ihn nur eine Story im Monat. Wäre dann ein Pay-per-View-Ansatz nicht besser als eine Monatsgebühr?

Budde: Pay-per-View machen wir bereits. Einzelne Beiträge aus unserem Archiv kann man für 2,95 Dollar erwerben. Außerdem hat man die Möglichkeit, für einen Tag unsere gesamte Site zu nutzen und dafür nur 75 Cent zu zahlen.

CW: Ist dieses Angebot neu?

Budde: Wir haben diese Variante bisher nicht beworben. Zudem macht sie für denjenigen wenig Sinn, der nur einen Tag reinschauen möchte, da wir ein kostenloses Testabo von 14 Tagen anbieten. Längerfristig denken wir aber auch über Pay-per-View-Modelle nach. Allerdings haben wir festgestellt, dass Leute mit Interesse an Wirtschaft dauerhaften Zugriff auf unsere Seiten bevorzugen - vielleicht nicht jeden Tag, aber ein- bis zweimal die Woche.

CW: Welche Rolle spielt bei Ihnen der Verkauf von Inhalten an andere Websites im Sinne der Syndikation?

Budde: Wir syndizieren den Dow Jones Newswire direkt an die Betreiber anderer Sites. Vom Wallstreet Journal geben wir nur zehn Artikel täglich an die Website von MSNBC weiter. Da unsere Online-Zeitschrift gebührenpflichtig ist, wollen wir nicht in großem Umfang Inhalte an andere Sites verkaufen.

CW: Wie viele Leser Ihrer Zeitung sind gleichzeitig Abonnenten von Wsj.com?

Budde: 32 Prozent unserer Online-Kunden sind auch Abonnenten der Zeitung.

CW: Werden Sie künftig auch andere Endgeräte mit Content beliefern, etwa E-Books oder PDAs?

Budde: Wir arbeiten daran, diverse mobile Plattformen zu unterstützen. Beispielsweise kooperieren wir mit Avantgo. Der Kunde erhält darüber eine sehr kleine Zusammenfassung der Top-News auf sein PDA oder mobiles Telefon. Der Service ist kostenlos und wird über Werbung finanziert, die wir auf den Geräten einblenden. Auf diese Weise wollen wir neue Abonnenten für die Printausgabe beziehungsweise unser Online-Magazin gewinnen.

CW: Bleibt es beim kostenlosen Download, oder wird es auch für diese Geräte Pay-per-View- und Abo-Modelle geben?

Budde: Pay-per-View macht bei diesen Devices mehr Sinn. So könnten wir die Titelzeile von Artikeln anzeigen, und der User müsste dann für das Lesen des Beitrags etwas zahlen. Für mich haben PDAs Ähnlichkeit mit Geldautomaten: Man kann beim nächsten Automaten Geld abheben, wobei, falls der Apparat einer fremden Bank gehört, eine Gebühr zu entrichten ist. Oder man geht zwei Straßen weiter, um die Transaktion gebührenfrei an einem Bankomaten des eigenen Finanzinstituts abzuwickeln. Genauso wären für das Herunterladen eines unserer Beiträge auf den PDA beispielsweise 50 Cent zu bezahlen, während der Kunde die gleiche Story auch am PC lesen könnte, was ihn wegen unserer geringen Monatsgebühr viel günstiger käme.

Wsj.com in ZahlenGegründet: 1996

Abonnenten: Weltweit etwa 535000. Durchschnittlich 122 Pageviews pro Monat. Fast alle Leser sind Kapitalanleger, im Mittel 45 Jahre alt und in leitender Position tätig.

Inhalte: Business-News und Analysen aus aller Welt. Marktdaten von 25 Ländern und 30 Handelsplätzen. Personalisierte Nachrichtenverzeichnisse, Investment-Portfolios und verwandte News. Archiv mit 75 Millionen Artikeln aus 6000 Quellen.

Kosten: Der Preis für ein Jahresabo beträgt 59 Dollar. Die Gebühr reduziert sich auf 29 Dollar, falls der Kunde gleichzeitig Abonnent der Printausgabe ist.

Umsatz: 50,1 Millionen Dollar im Jahr 2000.