Grafische Darstellung erleichtert die Administration Nuetzliche Utilities erweitern das eher magere Novell-Angebot

19.08.1994

Von Detlef Borchers*

Netware ist ungebrochen die Nummer eins unter den Netz- Betriebssystemen. Dies zeigt schon der stete Strom neuer Utilities fuer die Netzadministration. Hier gilt es, die echten Schnaeppchen herauszufischen.

Im harten Wettbewerbskampf um die Gunst der Kunden erfreut sich Netware bester Gesundheit. Version 3.12 ist dabei der absolute Verkaufsschlager, waehrend die WAN-Variante Netware 4 wie die NT- Konkurrenz von Microsoft nur muehsam auf Touren kommt. Nirgendwo ist dieser Trend besser zu beobachten als bei den administrativen Hilfen. Kontinuierlich erscheinen neue Hilfsprogramme, die vor allem in der Kombination von Windows und Netware 3 ihren Markt finden und bei Netware 4 schlicht den Bindery-Modus voraussetzen. Etwa 55 000 verkaufte 4er Lizenzen (Dataquest, Juni 1994) reichen nicht aus, um den oftmals kleinen Entwicklungsschmieden einen Anstoss zu geben, fuer die "grosse" Netware zu schreiben. Dabei trifft es nicht zu, dass die kleine Netware uebermaessig kompliziert ist und nur mit den richtigen Tools zu baendigen waere. Oft zeigt sich erst bei der Arbeit mit Tools, welche Fortschritte beim Netzwerken noch moeglich sind.

Fuer Echtzeitanalysen ist OS/2 die bessere Wahl

Schliesslich ist das Angebot, das Novell dem Administrator abseits von NMS zur Verfuegung stellt, mit "Nwadmin" (fuer Netware 4) und "Nwuser" (fuer Netware 3 und 4) nicht gerade ueppig zu nennen. Echtzeitanalysen bei Wartungsaufgaben lassen sich im Netz mit OS/2 besser loesen, zum Beispiel mit "Lanlord". Ansonsten vereinfachen die Moeglichkeit der grafischen Darstellung und vor allem Multimedia unter Windows die Administration von Netzen ungemein. Das zeigt sich auch an den Neuheiten.

Als einer der letzten harten Vertreter der DOS-Tools ist nun auch Frye mit seinen Wartungshilfen zu Windows abgewandert: Der neue "Alert Interface Manager" (AIM 1.0) fuer Novells Ueberwachungssystem NMS macht kraeftig von Windows Gebrauch, eine breite Geraeuschpalette inklusive. Das kommt nicht von ungefaehr. AIM ist ein Werkzeug, das sich in das Tools-Menue von NMS integriert und Alarm ueber Beeper, Cityruf, E-Mail und Telefon absetzt. Damit wird eine empfindliche Schwachstelle von NMS ausgebessert. Mit AIM kann ein Administrator per Funktelefon einen Anruf von seinem Server empfangen, dem der Plattenplatz ausgeht. Das einspielbare

(und abstellbare) Muhen und Gebloeke beim abendlichen Backup (Melken der Dateien) ist hingegen nicht jedermanns Sache. Frye hat vor, auch die "Frye Utilities" nach Windows zu portieren und in NMS einzubauen.

Ein sehr schoenes Windows-Programm fuer Netware 3 (oder Netware 4 im Bindery Modus der Netware 3) ist "Netmagic 3.0" von Netmagic Systems, ein Windows-Ersatz fuer die Netware-Utilities "Syscon", "Pconsole" und "Fconsole". Obwohl diese unter Windows oder unter OS/2 als zeichenorientierte OS/2-Programme ablaufen koennen, ist die grafische Ausgabe mit Balken- und Tortendarstellungen bei Befehlen wie Chkvol erheblich einfacher. Selbst Capture, Rights und Userlist profitieren von der Darstellung, wobei Netmagic zusammen mit dem auf dem Server laufenden NLM einige Dinge vereinfacht. So lassen sich einmal definierte User bequem auf andere File-Server kopieren und verschiedene Server- Konfigurationen untereinander vergleichen. Was Netmagic fehlt, ist die Windows-Aufloesung von Wartungsprogrammen, die auf der Server- Konsole installiert sind.

Diese aber besitzt als weitere Neuerscheinung "Nettune 1.1" von Hawknet, das im Kern eine Windows-Variante von "Monitor" und "Rconsole" ist. Auch Nettune arbeitet mit einem eigenen NLM und loest die nuechternen Server-Statistiken in uebersichtliche Grafiken auf. Nuetzlich sind dabei die grafische Einstellung der verschiedenen Memory Pools der Netware oder die Nachjustierung der Cache-Groesse.

Das taegliche Administrationsgeschaeft im Netz dreht sich nicht nur um den Server. Auch fuer den Blick auf die Dateien gibt es mittlerweile rund ein Dutzend Windows-Alternativen, die nicht nur fuer Netzverwalter sinnvoll sind. Zu den interessanten Newcomern in diesem Bereich zaehlt

"Network Central 1.0" von der Neugruendung First Floor. Die Idee hinter Network Central ist simpel: Der Datei-Manager wird um eine Art Projekt-Manager erweitert. So werden fuer jede Datei nicht nur die Icons der Programme dargestellt, sondern auch die Daten ueber den letzten Dateizugriff, wer alles mit der Datei arbeitet, wofuer die Datei benoetigt wird und wie es um die Sicherung bestellt ist.

Network Central arbeitet aehnlich wie Lotus Notes

Im Unterschied zu etablierten Produkten wie HPs "New Wave" oder dem "Norton Desktop" bildet Network Central die Peer-to-peer- Beziehungen zwischen den Benutzern ab, wenn die Stationen neben Netware auch als Arbeitsgruppen in Windows for Workgroups eingerichtet sind. Da sich ganze Dateihaufen unabhaengig von ihrer Erzeugung, dem Speicherort und dem jeweiligen Betriebssystem in Projektgruppen zusammenfassen lassen, besitzt das Programm in dieser Form mehr Aehnlichkeiten mit Lotus Notes als mit den ueblichen Datei-Managern.

Waehrend Network Central den projektorientierten Blick aller zugelassenen Anwender auf die Dateien freigibt, haben Administratoren mitunter andere und detailliertere Beduerfnisse. So ist es mit Netware nicht sonderlich einfach, sich die Zugehoerigkeit geoeffneter Dateien und aktiver Nutzer in Gruppenform anzeigen zu lassen. An diesem Punkt setzt "Nodeinfo 1.25" von Avanti Software an, das mit dem 25er Versionsschritt stabil geworden und als Low-end-Kombination von Fconsole, Rconsole und Monitor aufzufassen ist.

Nodeinfo, ein DOS-Programm, gestattet es beispielsweise, dass sich der Administrator alle auf einem Server offenen Excel-Tabellen mitsamt den sie benutzenden Anwendernamen oder Node-Adressen anzeigen laesst. Dies ist besonders nuetzlich, wenn im laufenden Tagesgeschaeft ein neuer Release-Stand eingespielt werden muss oder ein Backup ansteht, das auch die schwer zu verfolgenden E-Mail- Bestaende mitsichert.

Fuer Nodeinfo gibt es ein kleines NLM, das fuer den Administrator Informationen sammelt, jedoch keine Moeglichkeit, mit mehreren Servern gleichzeitig zu arbeiten. Hier muss man auf eine Firmenlizenz mit mehreren Installationen zurueckgreifen, was angesichts des preisguenstigen Programms (rund 700 Mark fuer alle Server) nicht uebertrieben ist.

Etwas umfangreicher als Nodeinfo gibt sich da schon der neue "File Auditor" von Knozall Systems, der komplette Zugriffs-Logs fuehren kann. Auf der Basis dieser Logs koennen dann die beiden anderen, bereits eingefuehrten Knozall-Programme "NLM Auto" und "NLMerlin" taetig werden, die das Starten von NLMs oder den Dateiaustausch zwischen verschiedenen Servern automatisieren. Auch der "File Wizard" dieser Firma, der das Konzept des gleichzeitigen Komprimierens und Sicherns in die Netware-Adminstration einfuehrt, arbeitet mit dem Auditor zusammen.

Ein aehnlich gelagertes Werkzeug fuer das Datei-Management kommt von der LAN Support Group, bislang vor allem durch

"Bind View NCS" bekannt. Das neue "Net Squeeze" dieser Gruppe ist im Kern nichts anderes als die Uebertragung des Kompressionsgedankens von Netware 4 auf Netware 3; selten benutzte Daten und Programmdateien werden automatisch komprimiert und optional verschluesselt. Im Unterschied zu Netware 4 kommt Net Squeeze mit einem Vorrat an Regeln, ueber die der Administrator bestimmen kann, welche Dateien gestaucht werden. So lassen sich lange nicht genutzte Dateien komprimieren, oder auch Dateien, die per DFUE den Server verlassen sollen oder zur Abholung bereitstehen.

Mit die wichtigsten Fortschritte sind aus dem Bereich der Lizenzueberwachung zu vermelden: So erweiterte der Lizenzspezialist Saber Software sein "Sabermeter" um SEAM, den "Saber Enterprise Application Manager". Mit diesem Modul ist es moeglich, dass ein Sabermeter-Lauschposten seine Lizenzueberwachung auf alle Server der Firma ausdehnt.

Eine andere Variante schickte die im Mac-Bereich bekannte Sassafras Software ins Rennen: Mit dem neuen Lizenzspuerhund "Keyserver 4.0" ueberwachen Administratoren nicht nur zentrale wie lokale Mac-Programme, sondern auch die bislang ignorierten Windows-Kollegen. So ist es nur konsequent, dass der Keyserver jetzt auch mit einem Windows-Front-end geliefert wird. Dabei interpretiert der Keyserver eine "Suite" etwas eigenwillig. Eine Microsoft-Suite ist zum Beispiel nicht immer die bekannte Kollektion aus Word, Excel und Powerpoint, sondern bereits die Versammlung von Winword und Word fuer den Mac.

Bei Cross-Lizenzen, wie sie etwa Claris ("Clarisworks", "Filemaker") bietet, laesst sich der Lizenzpegel durch Windows- Versionen ausgleichen, wenn weitere Anforderungen auf Mac-Seite vorliegen. Sicherlich kein allzu haeufig eintretender Fall, doch der erste Schritt in Richtung systemuebergreifende Lizenzueberwachung.

Einen anderen, etwas wackligen Schritt wagt Virenspezialist McAfee, der unlaengst den Tool-Produzenten Brightwork Development aufkaufte. Mit "Lan Open" schickt er nun eine "modulare" API- Sammlung ins Rennen, die von der Lizenzueberwachung und Inventur ueber den Virencheck bis hin zur Supportdatenbank alles vereinheitlichen soll. Die APIs, von denen bislang nur der Virenbestandteil veroeffentlicht wurde, sollen der DMTF (Desktop Management Task Force) zur Verfuegung gestellt werden - aehnliche API-Vorschlaege liegen dort bereits von HP, Intel und Spry vor.

Fast jeder Utility-Hersteller erhofft sich von diesem Zwoelfergremium die Klaerung der verfahrenen Situation im Management von Druckern, Netzkarten, Adaptern oder auch der Software. Leider scheint sich nicht einmal ein Konsens ueber die fuer August angesetzte Gruppentagung abzuzeichnen.

Zur traurigen Situation der DMTF passt ein noch traurigeres Thema, mit dem sich jeder Administrator zumindest technisch befassen muss: Die Rede ist vom unverhofften Ableben der Server-Disks. Lange Zeit hatte hier Ontrack mit seinen "Ontrack Utilities" eine Monopolstellung. Diese Utilities heissen mittlerweile "Ontrack Data Recovery 4.0", angeblich um eine Verwechslung mit der englischen Mutterfirma Ontrack Systems zu vermeiden, die in Lohnarbeit Plattenreparaturen am toten Objekt bei gaenzlich hoffnungslosen Faellen ausfuehrt.

Bei defekten Server-Platten scheiden sich die Geister

Mit einem dreistufigen Sicherungskonzept (auf Partitions, Datei oder Cluster-Basis) vermeiden die Data Recoveries die Ungereimtheiten von Novells "File-Repair" und gestatten so das Sichern nicht laenger mountfaehiger Platten. Aehnlich, wenngleich nicht so detailliert, geht das neue "Nwprobe 1.1" von Procomp zu Werke, das in dieser Form besser fuer intakte Platten geeignet ist, die ohne vorheriges Mounten gesichert werden sollen. Noch etwas einfacher ist "Vextract" von Emprise Technologies konzipiert, das zwar eine Analyse der defekten Netware-Platten gestattet, zur Reparatur jedoch das mitunter verhaengnisvolle Vrepair anwirft.

Immerhin zeigen auch diese Utilities, dass der Netware-Boom ungebrochen anhaelt. Noch die letzte Neuvorstellung dieser Reihe kuendet ebenfalls vom roten Vernetzungsstandard: Der ehemalige TCP/IP-Spezialist Beam & Whiteside versucht, mit "BW-Multiconnect" fuer Windows NT 1.1 am Markt wieder Boden gut zu machen. Da TCP/IP bei Microsoft zur Standardlieferung gehoert, verfiel man auf die Idee, mit Multiconnect ein Netware-Simulacrum anzubieten, das gaenzlich unter Windows NT laeuft. Waehrend sich alle Dateien und Druckdienste dem normalen Anwender tatsaechlich wie ein echter Netware-Server praesentieren, ist die Wartung des Servers jedoch allein den NT-Programmen ueberlassen.

Gestandene Netzadministratoren werden hier vielleicht Syscon und seine Brueder vermissen. Gleichwohl ist Multiconnect in der Lage, mit existierenden Servern Kontakt aufzunehmen und laesst sich ueber die dort verfuegbaren Utilities warten. Womit Sie wieder zum Anfang dieses Artikels zurueckkehren duerfen.

*Detlef Borchers ist freier Journalist in Westerkappeln.