Tendenz zu höheren Integrationsdichten:

Grafik kommt auf die Hauptplatine

10.01.1986

NORWOOD (CWN) - Die Entscheidung, welche Farbgrafik-Karte man sich für seinen PC zulegen soll, wird sich möglicherweise bald so nicht mehr stellen. Statt dessen werden nach den Verlautbarungen eines Herstellers von Kunden-lCs die Grafiksteuerungen bei neuen Mikrocomputern in zunehmendem Maße auf die Hauptplatine verlegt.

So erklärte Richard Levandov, Vizepräsident für Marketing des vor allem durch seine BIOS-Systeme für IBM-Kompatible bekannten Softwarehauses in Phoenix in Norwood Massachusetts, daß speziell beim IBM AT und dessen Kompatiblen eine große Menge an Funktionalität auf dem Motherboard implementiert sein wird. Er führte weiter aus, daß gegenwärtig eine Reihe Hersteller planten, IBM-Kompatible mit Farbgrafik und weiteren jetzt noch als Zusatzkarte ausgeführten Funktionen auf der Mutterplatine zu bauen. Wer das allerdings sei, darüber erteilte Levandov keine Auskunft.

Phoenix selbst bringt einen eigenen von Chips and Technologies Inc. in Milpitas, Kalifornien, entwickelten Satz ICs zur Anwendung. Außerdem arbeitet das Softwarehaus an einem AT-kompatiblen Rechner, der den AT-kompatiblen Chipsatz von Chips and Technologies benutzen soll. Dieser Set besteht aus fünf integrierten Schaltungen, die 63 auf der Hauptplatine des AT gegenwärtig noch benötigten ICs ersetzen. Levandov zufolge ist es nun möglich, eine solche Hauptplatine mit nur 36 ICs zu bauen.

Demgegenüber vertrat Tom van Overbeek, Vizepräsident für Marketing und Verkauf bei Paradise Systems in South San Francisco, einem weiteren Hersteller kundenspezifischer ICs für Add-On-Boards, die gegenteilige Ansicht. Seiner Meinung nach würden viele Hersteller und Käufer von Kompatiblen dies als einen Verlust an Flexibilität empfinden. Wenn sie eine Videobetriebsart benötigten, die nicht auf der Hauptplatine sei, müßten sie zwei Systeme bezahlen. Paradise setzt auf seinen Steckkarten zwei kundenspezifische Schaltkreise ein. Einer davon ist der PV-2, ein 40-Pin-Gate-Array-Baustein mit einem Äquivalent von 2000 Transistorfunktionen. Er unterstützt die Grafik-Modi von Paradise und Hercules.

Der zweite Baustein, entworfen für die Verwendung in der EGA-Steckkarte von Paradise, ist weit höher integriert und emuliert die EGA-Betriebsart ebenso wie den IBM-Farbgrafikadapter und die monochrome Betriebsart sowie die Hercules-Grafik. Van Overbeek meinte dazu, daß sein Unternehmen durch Steigerungen im Integrationsgrad mehr Funktionen als der Wettbewerb anbieten und seine Abhängigkeit von marktgängigen Halbleitern reduzieren könne.

Weiter führte der Vizepräsident aus, die Verwendung von kundenspezifischen Halbleitern erschwere es Herstellern von funktionsgleichen Steckkarten, gegenüber Unternehmen zu konkurrieren, die in neue Technologien investiert hätten. Es sei entschieden leichter, eine Platine einfach zu kopieren als einen spezifischen VLSI-Kundenschaltkreis nachzubauen. Der Einsatz solcher kundenspezifischer Halbleiter könne auch dazu beitragen, die Hersteller von Karten gegen "unfairen Wettbewerb aus Übersee" zu schützen. "Die Hersteller solcher Steckkarten sollten mit überlegener Technik in den Wettbewerb gehen und nicht nach dem Kongreß rufen wegen Schutz vor Fernost", sagte van Overbeek.