Bei der Einführung neuer Techniken die gewachsene Betriebskultur erhalten:

Grafik darf kommerzielle DV nicht behindern

15.03.1985

Das wachsende Angebot preiswerter und intelligenter grafischer Hardware erweitert den Einsatzbereich der rechnererstellten Zeichnungen bis in die kommerzielle Programmierung hinein. Roland Assfalg* befaßt sich vor allem mit Bereichen, in denen Angebote und Aufträge durch Kombination und Variation eines feststehenden Typensortiments zusammengestellt werden.

Bei derartigen Aufgaben bietet sich eine Ergänzung der kommerziellen Angebots- und Auftragsbearbeitung durch einen grafischen Teil an. Erfahrungsgemäß können über 80 Prozent der Zeichnungen über den Rechner abgewickelt werden. Die Installation der grafischen Hard- und Software kann im allgemeinen auf den bereits vorhandenen kommerziellen EDV-Anlagen erfolgen. Zeitersparnis beim Erstellen der Zeichnungen, schnelle Änderungsmöglichkeiten sowie ein Rückgang der Reklamationen sind die Hauptvorteile von rechnererstellten Zeichnungen.

Geschichte

Der angestammte Platz der grafischen Datenverarbeitung waren die Konstruktionsbüros im Fahrzeug-, Schiffs- und Flugzeugbau. Auch die Elektronikindustrie bediente sich früh ihrer Vorteile bei der Entwicklung von Schaltplänen und Mikrochips; Zweck des Einsatzes war die Unterstützung beim Lösen technischer Probleme. Bedient wurden die Systeme meist von Ingenieuren; als Ergebnis wurden großformatige Zeichnungen erstellt.

Die Rechnerbelastung durch die grafische Datenverarbeitung war so hoch, daß meist für das Konstruktionsbüro ein eigener Rechner benötigt wurde. Die Grafik verlangte einen hohen Kapitaleinsatz für Rechner, Peripherie und Personal und wurde somit fast nur in Großbetrieben eingesetzt.

Hoher Kapitaleinsatz in der Vergangenheit

Der ökonomische Vorteil lag darin, daß schnell Variantenuntersuchungen durchgeführt werden konnten und sich aus der Zeichnung geometrischer Daten ableiten ließen, die zum Beispiel für Festigkeitsberechnungen notwendig waren.

Durch das wachsende Angebot an preiswerter und intelligenter grafischer Hardware konnte die Grafik in den letzten Jahren auch in anderen Bereichen Fuß fassen. Hier ist vor allem die Darstellung von Betriebsstatistiken, auch Managergrafik genannt, zu erwähnen, die als eine der ersten grafischen Anwendungen in den Bereich der kommerziellen Datenverarbeitung vordrang.

Einsatzbeispiele

An den Beispielen aus der Möbelindustrie und dem Möbelhandel sollen weitere Einsatzgebiete der grafischen Datenverarbeitung vorgestellt werden. Es handelt sich hierbei um "Auch-CAD"-Lösungen, bei denen der Rechner voll für die kommmerziellen Aufgabenstellungen genutzt wird und die Grafik als zusätzliche Funktion integriert wurde. Alle Installationen wurden auf Rechnern durchgeführt, die keine spezielle Unterstützung für grafische Funktionen boten.

Beispiel 1: Möbelhersteller A

Ein führender Möbelhersteller wickelt über seine EDV-Anlage unter anderem die Auftragsbearbeitung ab. Für einen Teil der Aufträge muß für den Fertigungsbereich eine Zeichnung erstellt werden. Da es sich um wiederkehrende Teile handelt, wurden bisher die Zeichnungen mit Stempeln erstellt. Sonderanfertigungen und Maßabweichungen wurden in der Zeichnung textlich vermerkt. Ein Sachbearbeiter betreut einen Auftrag von der Auftragsannahme bis zur Weitergabe an die Fertigung. Die manuelle Bearbeitung eines Auftrages dauerte etwa eine bis eineinhalb Stunden; hinzu kam noch die Zeit zur Erfassung der kommerziellen Auftragsdaten an der EDV-Anlage.

Lösung: Grafische Auftragserfassung

Als Lösung bot sich hier eine grafische Auftragserfassung an. Hierzu wurden die zu einem Möbelprogramm gehörenden Teile auf einem grafischen Tablett abgebildet. Durch Antippen des entsprechenden Symbols erhält der Sachbearbeiter alle die zu diesem Element hinterlegten Informationen. Nach dem Quittieren wird das Element in den Auftrag übernommen und grafisch am Bildschirm dargestellt.

Voreingestellte Rastermaße erleichtern hierbei das Positionieren. Da auch alle Programmsteuerfunktionen auf dem grafischen Tablett hinterlegt sind, kann bei dieser Lösung jegliche Tastatureingabe entfallen. Die erfaßten Aufträge werden tageweise gesammelt und bei Bedarf auf dem Plotter ausgegeben werden. Parallel erfolgt die Übergabe der notwendigen Daten an das kommerzielle Programmsystem.

Die Bearbeitungszeit für einen Auftrag konnte durch den Einsatz der grafischen Auftragserfassung auf etwa 30 bis 45 Minuten gesenkt werden. Da die Zeichnungen sehr detailliert ausgeführt werden, ergab sich zusätzlich ein Rückgang der Fehler bei der Übermittlung der Aufträge an die Fertigung.

Beispiel 2: Möbelhersteller B

Im Gegensatz zum vorausgegangenen Beispiel, in dem ein Sachbearbeiter einen Auftrag über mehrere Bearbeitungsschritte hinweg betreut, werden beim Möbelhersteller B die einzelnen Bearbeitungsschritte in verschiedenen Abteilungen durchgeführt. Da die zu zeichnenden Aufträge den gleichen Bearbeitungsweg gehen müssen wie nicht zu zeichnende Aufträge, wird hier die Grafik während des Ablaufs abgezweigt und parallel in einer zusätzlichen Abteilung bearbeitet.

Lösung: Grafische Auftragsbearbeitung

Ausgehend von der vorliegenden Händlerbestellung bereitet ein Sachbearbeiter die Eingabeliste vor, die aus den im Auftrag enthaltenen Artikeln besteht. Eine festgelegte Reihenfolge ermöglicht dem Rechner, weitgehend automatisch zum Beispiel eine Wohnwand zusammenzusetzen. Die Erfassung erfolgt durch Schreibkräfte über Tastatur. Eingabefehle werden durch umfangreiche Prüfungen weigehend vermieden.

Der Aufbau der Zeichnungen geschieht durch Hintergrundprogramme, so daß am grafischen Arbeitsplatz bereits die fertigen Bilder abgerufen werden können. Diese werden dann vom Sachbearbeiter optisch kontrolliert und mit den Eingabelisten verglichen. Er hat hierbei die Möglichkeit, Elemente neu zu positionieren oder die Zeichnungen durch Teste und Linien zu ergänzen.

Da die kommerziellen Auftragsdaten parallel in anderen Abteilungen weiterverarbeitet werden, können am grafischen Arbeitsplatz keine Veränderungen der Auftragspositionen mehr vorgenommen werden. Fehlerhaft erfaßte Aufträge werden gekennzeichnet und an die Erfassung zur Korrektur zurückgegeben. Diese Einschränkung ist notwendig, da sonst die Konsistenz der kommerziellen und grafischen Daten nicht gewährleistet ist.

Korrekte Zeichnungen werden freigegeben und in die Warteschlange am Plotter eingereiht. Aus der fertigen Zeichnung werden zusätzlich Positionsetiketten abgeleitet, die für den Versand und die Montage verwendet werden.

Die grafische Auftragsbearbeitung zeichent sich vor allem durch einen hohen Durchsatz aus. Viele rechenintensive Funktionen wie das automatische Aufbauen der Zeichnung oder die Plotterausgabe laufen als Hintergrundprogramme. Eine zentrale Überwachung aller sich im Rechner befindlichen Aufträge ermöglicht das parallele und unabhängige Arbeiten aller Abteilungen. Im vorliegenden Beispiel können über drei grafische Arbeitsplätze bis zu 150 Aufträge pro Tag abgewickelt werden.

Beispiel 3: Küchenhändler

Beim Möbelhändler werden grundsätzlich andere Anforderungen an eine grafische Lösung gestellt. Änderungsfreundlichkeit und die Notwendigkeit, mehrere Hersteller zu verarbeiten, stehen hier im Vordergrund.

Der Möbelhändler ist gleichzeitig Raumgestalter; er muß also die Möglichkeit haben, die Erfassung planerisch durchzuführen. Jeder Artikel wird sofort nach der Erfassung grafisch angezeigt. Positionen können verschoben, ausgetauscht und auch wieder gelöscht werden. Hoher Durchsatz ist beim Händler nicht verlangt, jedoch hat er für den gleichen Kunden meist mehrere Angebotsvarianten zu erstellen. Daher ist in dieser Lösung die Möglichkeit zum Kopieren von Angeboten enthalten.

Im Gegensatz zum Hersteller, der im allgemeinen nur mit seinen Artikeln arbeitet, vertritt der Händler meist mehrere Lieferanten, die ähnliche Produkte anbieten. Die Händlerlösung arbeitet deshalb nicht mit Artikelnummern, sondern mit herstellerunabhängigen Symbolen. Erst durch die Eingabe des Herstellers erfolgt die Zuordnung der Symbole zu den Artikelnummern dieses Herstellers.

Dieses Verfahren wird auch von großen Küchenherstellern unterstützt, die gemeinsam einen herstellerneutralen Artikelkatalog erstellt haben und ihre Daten in einem einheitlichen Format zur Verfügung stellen. Der Hersteller übernimmt hierbei für den Händler auch die Datenpflege.

Parallel zur Planung führt das System alle kommerziellen Daten mit, so daß nach Fertigstellung der Zeichnung eine Kalkulation durchgeführt werden kann. Angebotsschreiben, Auftragsbestätigungen, Rechnungen und Aufträge an die Lieferanten können ohne weitere Eingaben ausgedruckt werden. Das aufwendige Zusammensuchen von Artikelnummern aus den Herstellerkatalogen entfällt somit weitgehend. Da die Zeichnungen auch als Verkaufsargument dienen, sind die Darstellungen sehr detailliert.

Beispiel 4: Hersteller von Türelementen

Hier dient die Grafik in der Angebotsphase zur Verkaufsunterstützung. Glasfronten, Briefschlitze und weiteres Zubehör sind katalogisiert. Durch Eingabe der Hauptabmessungen und der Auswahl der Frontelemente lassen sich schnell optisch ansprechende Zeichnungen erzeugen und der Angebotspreis bestimmen.

Weitere Einsatzbereiche

Die vorgestellten Beispiele stammen aus einem Bereich, in dem schon seit einigen Jahren versucht wird, eine Verbindung von kommerzieller und grafischer Datenverarbeitung herzustellen. Aufgrund der vielen Kombinationsmöglichkeiten muß fast jeder Auftrag gezeichnet werden, wobei sich die Zeichnungen nur durch die verschiedenen Anordnungen gleicher Teile unterscheiden.

"Rasiermessertechnik" kann entfallen

Hier führt die Unterstützung des Rechners zu einer deutlichen Arbeitsentlastung des Sachbearbeiters. Die entwickelten Lösungen sind auf weitere Bereiche übertragbar. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind hier einige Anwendungsmöglichkeiten aufgeführt:

Messeplanung

Bestehende Hallen und Räume werden in Ausstellungsstände aufgeteilt. Aus der Standgröße und Lage kann die Preisberechnung durchgeführt werden. Die vermietete Standfläche ist jederzeit abrufbar. Die Hallenpläne können gesamt oder in Ausschnitten gezeichnet werden. Bei Änderungen in der Standaufteilung stimmen Zeichnung und kommerzielle Daten immer überein. Alte Planungen lassen sich übernehmen. Insbesondere das Ändern der großformatigen Planzeichnungen (DIN A 1, A 0) wird wesentlich vereinfacht. Die Änderungen werden schnell am grafischen Arbeitsplatz durchgeführt, die Zeichnung wird neu ausgeplottet. Die "Rasiermessertechnik" entfällt.

Laboreinrichtungen

Die Einrichtungsplanung und die Planung der Installation wird gleichzeitig durchgeführt, der Einrichtungsplan und der Installationsplan werden gleichzeitig dargestellt, können aber getrennt ausgezeichnet werden.

Fabrik-, Büroeinrichtungen. Laden-, Fassadenbau

Durch die Möglichkeit, ganze Funktionsgruppen zu plazieren, lassen sich schnell verschiedene Varianten durchspielen.

Regallager

Durch Optimierungsalgorithmen kann das den Anforderungen am besten angepaßte Regalsystem ausgewählt werden.

Schilderherstellung

Schilder können maßstäblich geplant werden. Mehrere Varianten können einfach erstellt und verglichen werden. Auch ist die Verwendung von kundeneigenen Symbolen möglich.

Steuerungsbau

Aus den erfaßten Plänen lassen sich Stücklisten ableiten, die Grundlage für Kalkulation und Materialwirtschaft sind.

Durch den Einsatz von grafikfähigen Druckern lassen sich Texte und Zeichungen mischen. Dies ist dort interessant, wo beispielsweise Angebotstexte mit der zeichnerischen Darstellung des Objektes versehen werden.

Generelle Anforderungen

Die kommerzielle und die grafische Auftragsbearbeitung müssen voll integriert sein. Es dürfen keine Doppelerfassungen von Daten vorkommen. Die kommerzielle Datenverarbeitung darf durch die Grafik nicht behindert werden; sie muß auch dann funktionieren, wenn zum Beispiel ein Defekt an den grafischen Geräten vorliegt. Im allgemeinen ist es möglich, die Grafik an bestehende Programmpakete anzupassen.

Alle Programme müssen von Mitarbeitern ohne EDV-Kenntnisse bedienbar sein, denn nicht ein neu eingestellter Informatiker, sondern der vorhandene Sachbearbeiter soll sie benutzen. Alle Stammdaten, also auch die grafischen Beschreibungen, müssen durch den Anwender pflegbar sein, damit nicht bei jeder Änderung der Produktpalette ein Spezialist gerufen werden muß. Um eine lange Nutzungsdauer zu erreichen sollten die Lösungen offen sein für den Anschluß weiterer grafischer und kommerzieller Module. Mit dem weiteren Ausbau der öffentlichen Datennetze ist hier vor allem die Möglichkeit einer Anbindung des Händlernetzes an die Rechenanlage des Herstellers zu berücksichtigen.

Die wichtigste Anforderung ist jedoch, daß bei der Einführung der neuen Technik die gewachsene Betriebsstruktur weitgehend erhalten bleibt, um beim Personal wenig Akzeptanzprobleme aufkommen zu lassen. Hierzu gehört auch, daß die betroffenen Abteilungen frühzeitig in die Planung einbezogen werden.

Vorarbeiten

Basis für die Einführung der grafischen Datenverarbeitung ist eine Analyse des betrieblichen Ablaufs von der Auftragserfassung bis zur Fertigung, Auslieferung und Montage. Diese Analyse sollte gemeinsam mit einem kompetenten Partner, also einem Systemhaus oder Organisationsberater, durchgeführt werden.

Parallel hierzu findet eine Bestandsaufnahme der bereits vorhandenen Software statt sowie die Begutachtung der am Markt angebotenen Lösungen. Zusätzlich sollten die Forderungen (Wünsche) aller berührten Abteilungen eingeholt werden. Zum einen erkennt man frühzeitig mögliche Reibungspunkte bei der Einführung, zum anderen gibt man den Betroffenen das Gefühl, bei der Entscheidung mitzuwirken.

Zumindest der Leiter der Abteilung, in der die neuen Techniken eingesetzt werden sollen, muß an den Entscheidungen beteiligt werden. Durch sein frühes Mitwirken bekommt er einen Überblick über den Gesamtkomplex, was nach der Einführung sich positiv auf die Anlaufzeit auswirkt.

Ist die Entscheidung für den Einsatz der Grafik gefallen, bietet es sich an, die weiteren Planungen gemeinsam mit dem Softwarelieferanten durchzuführen. Ergebnis der Planungsphase ist ein verbindliches Lastenheft, in dem alle geforderten Funktionen und Randbedingungen festgelegt sind. Dieses ist im allgemeinen auch Basis für eine Kostenkalkulation und die Festlegung der Hardwarekonfiguration.

Roland Assfalg, Gismo GmbH, Karlsruhe