Schlechte Chancen vor Gericht
Interessantes Detail: Landet die Sache vor Gericht, kann es vor allem für den Mitarbeiter riskant werden, der online Dampf abgelassen hat. Ein Beispiel: Ein Angestellter schreibt im Netz, sein ehemaliger Chef habe Frauen diskriminiert. Die Kritik ist anonym, doch der Betrieb hat nur zehn Angestellte, so dass sofort für jedermann ersichtlich ist, um welche Person es sich dreht. Kommt es dann zum Prozess, muss der Mitarbeiter die Gerichtskosten tragen. Warum? Weil in den AGB der Bewertungsplattformen meist eine so genannte Freistellungsklausel steht. Und die besagt: Werden wir verklagt, zahlt der Nutzer, der den Ärger verursacht hat, die Zeche. Vorgekommen ist das bislang allerdings noch nicht.
Für den Jobsucher 2.0 sind die Bewertungsplattformen natürlich nur eine erste Station bei der Arbeitgeberrecherche. Auch über soziale Netzwerke lassen sich schnell Ehemalige finden, die bereit sind, Tacheles zu reden. Im äußersten Fall kann der Bewerber eine Undercover-Attacke starten und unter falschem Namen bloggende Mitarbeiter aushorchen. Darüber hinaus kann es sich für Jobsucher lohnen, die Kommentare auf den offiziellen Facebook-Seiten der Firmen zu beobachten. Hier offenbart sich ebenfalls schnell, wie es um das Unternehmen steht. Wer Beweise sucht, braucht sich nur die Facebook-Page des Unternehmens Teldafax anzusehen: Dort wimmelt es nur so von aufgebrachten Kunden.
Hochglanzbroschüren ohne Zukunft
Wohin diese Entwicklung führt, ist absehbar: Die Zeiten, in denen ein Unternehmen mit Hochglanzbroschüren ein Image erzeugen konnte, gehen zu Ende. Die Wände eines Betriebs sind in Zukunft durchlässig. "Dass Unternehmen nur über die Personal- und Presseabteilung mit der Welt kommunizieren ist ein Auslaufmodell", meint Wolfgang Jäger, Professor an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und HR-Experte. Er erwartet, dass sich Online-Netzwerke wie Facebook immer tiefer in die Firmen eingraben und dadurch neue Informationskanäle für Bewerber entstehen. Die Unternehmen sollten sich an die neue Offenheit gewöhnen.
In Zukunft wird im Netz über jeden Arbeitgeber gesprochen, das wird kein Unternehmen verhindern können. Die Klugen werden versuchen mitzureden. "Man muss die Info-Zurückhaltung beenden", findet auch Personalexpertin Buchheim. Sie kann sich vorstellen, dass künftig unter einer Stellenanzeige die Twitter-Namen einiger Mitarbeiter stehen, die in der jeweiligen Abteilung arbeiten. Zu ihnen könnte der Jobsucher Kontakt aufnehmen, um so Antwort auf die alte Bewerberfrage zu bekommen: "Wie ist es, da zu arbeiten?"
Den Chef durchleuchten
"Wie ist es, da zu arbeiten?" Wer früher darauf eine Antwort suchte, musste im Bekanntenkreis einen Ehemaligen der Firma finden. Im Zeitalter sozialer Netzwerke geht es viel leichter, ungeschminkte Einblicke in ein Unternehmen zu bekommen. Die Methoden sind vielfältig:
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Stimmung auf Bewertungsplattformen checken: Auf Seiten wie Kununu, Meinpraktikum.de, Jobvoting oder Bizzwatch können Angestellte ihren Arbeitgeber anonym bewerten. In der Summe geben die Kommentare meist ein gutes Stimmungsbild ab. Allerdings: Viele Firmen ermuntern ihre aktiven Mitarbeiter, hier mitzumischen. Das verzerrt die Einschätzungen nach oben.
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Über Twitter Ehemalige finden: Der Jobsucher sendet eine Kurznachricht dieser Art ab: "Wer hat schon einmal bei XY gearbeitet?" Ist er gut vernetzt, leiten alle seine Follower den Tweet wiederum an ihre Follower weiter. So setzt ein Schneeballeffekt ein, der - wenn der Arbeitgeber XY groß genug ist - schnell einen auskunftsfreudigen Veteranen produziert. Alternative: Gezielt Alumni-Gruppen auf Xing abgrasen.
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Undercover gehen. Was für eine Kultur herrscht in der Firma? Wie wird mit Kritik umgegangen? Diese Fragen lassen sich durch eine verdeckte Netzrecherche klären. Vorgehen: Der Jobsucher legt ein falsches Online-Profil an und hinterlässt auf Mitarbeiter-Blogs provokante Kommentare. Die Reaktionen sprechen oft Bände. Nachteil: Hoher Aufwand, liefert nicht immer brauchbare Informationen.
- Sie müssen nicht umziehen!
Das versprach ein IT-Beratungshaus den neuen Mitarbeitern. Schließlich würden Hotel- und Reisekosten von den Projekten getragen. Schnell stellte sich heraus, dass das nicht für Projekte am Stammsitz des Unternehmens galt, so dass die angeworbenen Berater doch die Kisten packen mussten. - Leere Schreibtische ...
... können darauf hinweisen, dass Unternehmen bereits entlassen mussten. Doch bei Restrukturierungen schummeln Firmen oft: Einer Bewerberin fielen die leeren Schreibtische bei einem Rundgang durch die Büroräume auf. Sie wurde mit dem Kommentar "Die Kollegen sind in der ganzen Welt auf Projekten unterwegs" abgespeist. Am ersten Arbeitstag stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter schon lange entlassen worden waren. - Wir legen großen Wert auf Weiterbildung
Das sagt sich schnell und kommt im Vorstellungsgespräch bei den umworbenen Kandidaten gut an. Wenn der Satz aber nur für bestimmte Mitarbeiter gilt und nicht für erfahrene Projekt-Manager, die nur als "Cash Cow" beim Kunden eingesetzt werden, ist der Schaden groß. - Ein Arbeitsvisum für die USA ...
... versprach ein Unternehmen einem IT-Marketingprofi und ließ ihn ohne Visum solange in die USA immer wieder ein- und ausreisen, bis er das Visum nicht mehr beantragen konnte. - Firmenwagen: Polo statt BMW
Was Firmen Bewerbern im Vorstellungsgespräch versprechen, sollten sie auch halten. Sonst ist der Frust groß. Etwa wenn einer IT-Vertriebsexpertin ein 3er BMW versprochen wird, sie aber dann am ersten Tag den Schlüssel für einen VW Polo in die Hand gedrückt bekommt.