Google räumt den Desktop auf

22.10.2004
Google bringt ein Produktivitäts-Tool in die Windows-Welt, das die Bildschirmarbeit verändern könnte.

Unter dem Codenamen "Puffin" hatte Google seine Desktop-Suchfunktion im Mai dieses Jahres angekündigt. Was daraus geworden ist, können Anwender selbst ausprobieren, die Betaversion von "Desktop Search" steht zum Download bereit. Googles Vorstoß gilt allgemein als Angriff auf Microsoft, das seinerseits mit "MSN Search" die Dominanz von Google bei Web-Suchmaschinen brechen will. Im Lauf des letzten halben Jahres reagierten einige Konkurrenten auf die Pläne des Börsenneulings und gaben ebenfalls bekannt, Software für die lokale Suche auf den Markt zu bringen. Dazu zählen Yahoo, Ask Jeeves und AOL, aber auch Microsoft als De-facto-Monopolist auf dem Desktop.

Die Windows-Company hatte den Wunsch der Anwender nach einer effizienten Desktop-Suchmaschine lange nicht ernst genommen. Man überließ dieses Feld kleinen Herstellern wie Blinkx, Copernic, Mindbreeze oder X1.

Wenn nun große Web-Companies wie Google oder Yahoo mit ihren PC-Suchwerkzeugen um die Gunst der Anwender buhlen, dann schielen sie nicht auf die Umsätze dieser Nischenanbieter. Vielmehr betrachten sie diese Funktion als Chance, den Markt für Suchmaschinen in den Griff zu bekommen. Brisant wurde dieses Thema für Google, nachdem Microsoft sein verstärktes Engagement in diesem Segment ankündigte. Um den Rückstand gegenüber dem dominierenden Service von Google aufzuholen, kündigte Steve Ballmer für Windows Longhorn eine neue Desktop-Suche an, die mit MSN Search verzahnt werden soll.

Aus dieser Sicht hat Googles Desktop Search einen defensiven Charakter. Die Software ist kostenlos und erwirtschaftet somit keine Lizenzeinkünfte. Außerdem wird die Web-Company bei der reinen Desktop-Suche vorerst keine kontextabhängige Werbung schalten. Google verwischt allerdings die Grenzen zwischen der Suche auf dem lokalen PC und dem Web, so dass bei der typischen Nutzung von Desktop Search sehr wohl Anzeigen platziert werden können. Die lokale Suchmaschine blendet nämlich per Voreinstellung ihre Ergebnisse in jede Trefferliste ein, die von der Web-Suchmaschine ausgeworfen wird. Damit verschmilzt Google den Desktop und das Web auf eine Weise, wie es Microsoft mit Longhorn vorhat. Die beiden Kontrahenten nehmen dabei aber verschiedene Ausgangspositionen ein: Google zeigt in seiner marktbeherrschenden Web-Suchmaschine zusätzlich an, welche zutreffenden lokalen Daten existieren. Microsoft will umgekehrt die Desktop-Suche nutzen, um neben Dateien von der PC-Festplatte auch Web-Ergebnisse einzublenden. Angesichts der rasant zunehmenden Bedeutung des Web arbeitet die Zeit für Google. Die Web-Company hat ohnehin einen Vorsprung von zwei Jahren, bis Longhorn auf den Markt kommt.

Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, übernahm Microsoft vor einiger Zeit einen kleinen Hersteller namens Lookout, der eine gleichnamige Suchmaschine für Outlook entwickelte. Sie steht nun zur kostenlosen Nutzung bereit, kann aber keine Suchergebnisse aus dem Web einbinden. Daher eignet sie sich, um Suchdefizite von Windows zu kompensieren, und kann möglicherweise die Verbreitung von Google Desktop Search bremsen. Zum Ende des Jahres will Microsoft jedoch eine funktional weitergehende Suchmaschine für aktuelle Windows-Versionen herausbringen. Nähere Informationen blieb das Unternehmen allerdings schuldig.

Neben dem Einbruch eines Konkurrenten in die eigene Domäne muss Microsoft durch Google Desktop Search weitere Unannehmlichkeiten befürchten. Die Suchmaschine deckt Sicherheitsdefizite auf, die durch ungenügende Zugriffsbeschränkungen entstehen. So lassen sich etwa E-Mails und sonstige sensible Daten aufstöbern, die andere Anwender eines PC im Internet Explorer verfasst oder abgerufen haben. Windows lässt nämlich jeden auf die Cache-Verzeichnisse sämtlicher Benutzer zugreifen, so dass die Google-Suche dort alle Dateien indexieren kann. Der Microsoft-Browser legt außerdem die lokal zwischengespeicherten Web-Seiten unverschlüsselt ab. (ws)

Welche Dateien durchsucht Google?

Die lokale Suchmaschine konzentriert sich besonders auf Dateiformate aus dem Hause Microsoft. Sie kann neben Office-Dokumenten auch Mails in Outlook-Dateien durchsuchen. Darüber hinaus indiziert sie erwartungsgemäß reine Text- und HTML-Seiten, unter anderem auch im Cache des Internet Explorer. Schließlich ist "Google Desktop Search" noch in der Lage, Chat-Protokolle des AOL Instant Messenger zu durchstöbern. Derzeit fehlt noch die Unterstützung für das populäre PDF von Adobe. Außerdem ignoriert das Tool die zwischengespeicherten Seiten alternativer Browser wie Mozilla und Opera. Bis dato liegt Googles Desktop-Suche nur in einer Ausführung für Windows 2000/XP vor und kann nicht auf Netzlaufwerke zugreifen.