Web

Mangels Akzeptanz

Google beerdigt Wave

05.08.2010
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Google beendet den missglückten Versuch, mit "Wave" ein "Messaging der nächsten Generation" zu etablieren.

Im offiziellen Firmenblog teilt Google mit, Wave werde nicht mehr weiterentwickelt. Die Website bleibt noch bis Ende des Jahres online; Teile der Technik sollen in andere Google-Produkte einfließen. "Es ist unsere Politik, Dinge auszuprobieren", kommentierte Google-Chef Eric Schmidt später. "Wir feiern unsere Fehler."

Wäre die Welt voller (Google-)Entwickler, dann würden Sie dies jetzt ziemlich sicher als Wave lesen - Buchstabe für Buchstabe während ich tippe, selbst in Echtzeit antworten und schnell mal das YouTube-Video mit den Standing Ovations von der Wave-Präsentation bei der Google I/O 2009 einbinden.

Doch die Re:-Re:-Realität sieht anders aus: Irgendwie hat "da draußen" kaum jemand verstanden, zu was Wave nun eigentlich gut sein soll. Normale Nutzer, und zu denen zähle ich mich selbst, haben Wave als "missratene Vermengung unvereinbarer Messaging-Paradigmen unter einem mühsamen Web-basierenden Oberfläche" wahrgenommen, wie "Ars Technica" treffend schreibt.

John Gruber bei "Daring Fireball" nennt Wave "das googligste Produkt aller Zeiten - keine andere Firma hätte das herausgebracht oder herausbringen können". Und verlinkt auf Glenn Fleishman, der bei TidBits bilanziert: "Das Hauptproblem von Wave ist, dass es zu viele verschiedene Elemente in ein aufgeblähtes Interface packt."

Technik als Selbstzweck funktioniert nicht

Wave-Erfinder Lars Rasmussen bei Google in München (Foto: Thomas Cloer)
Wave-Erfinder Lars Rasmussen bei Google in München (Foto: Thomas Cloer)

Wave bringt Elemente von Instant Messaging, E-Mail, Microblogging und Collaborative Editing in einem einzigen Dienst zusammen. Technisch ist Google Wave ohne Frage ein echtes Wunderwerk und hebt Concurrent Messaging und die Nutzung moderner Web-Standards auf eine neue Ebene. Das alles nutzt aber wenig, wenn der Service als UX-Albtraum (User Experience) daherkommt und vor allem niemand so recht versteht, was er damit anfangen soll.

Erschwerend kommt hinzu, dass Wave selbst für die meisten modernen Browser zu mächtig war und ist, um hinreichend performant zu laufen, und andererseits die Komplexität des Wave-Protokolls plus die Abhängigkeit von extrem komplexem HTML und JavaScript für die Darstellung es nahezu unmöglich machte, funktionierende native Desktop- und mobile Clients zu entwickeln. Auf mobilen Endgeräten funktionierte Wave nie vernünftig, was aus Sicht von "Ars" allein schon ein Kardinalfehler war und ist.

Große Teil der Wave unterliegenden Technik hat Google bereits Open Source gestellt. Theoretisch können interessierte Entwickler also nun da weitermachen, wo Google jetzt aufgehört hat, und interaktives Messaging in Echtzeit weiter vorantreiben. Dass sich da aber nun, wo Google das Handtuch geworfen hat, noch viel tut ist wohl alles andere als wahrscheinlich.

Buzz der nächste Wackelkandidat?

Das Erbe von Wave will Google in anderen Produkten weiterleben lassen. Der hauseigene Microblogging-Dienst Buzz ist mit Features wie Threaded Messaging und einfacher Einbettung von Foto und Video, wenn auch simpler und deutlich weniger ambitioniert in gewisser Weise schon jetzt eine Art alltagstauglicher Nachfolger von Wave.

Trotz der Integration in die Inbox von Google Mail stößt aber auch Buzz bei der Internet-Gemeinde auf nur geringe Akzeptanz. Irgendwie fehlt dem Dienst das Alleinstellungsmerkmal - die meisten Nutzer lassen bestenfalls automatisiert Inhalte einfließen, die sie an anderer Stelle erzeugen (Twitter, flickr usw.), und so etwas braucht eigentlich kein Mensch. Insofern ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis im Official Google Blog auch ein "Update on Google Buzz" erscheint.