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Google beendet seine Selbstzensur in China

24.03.2010
Im Streit mit China hat Google die Selbstzensur seiner Suchmaschine beendet.

Der weltweiten Nummer eins bei der Internetsuche droht als Gegenmaßnahme der Ausschluss aus dem schnell wachsenden Markt in China. Seit Montagabend leitet Google die Besucher seiner chinesischen Website google.cn auf das in Hongkong nicht zensierte dortige Portal um. Allerdings gibt es erste Anzeichen dafür, dass dieses Angebot von der Volksrepublik aus bereits eingeschränkt wird.

Es gebe Berichte, dass Nutzer in China eine Fehlermeldung erhalten, wenn sie bestimmte Begriffe auf der Seite in Hongkong suchen, bestätigte Google-Sprecher Kay Oberbeck. Google hoffe, dass China den Schritt respektieren werde, "obwohl wir uns bewusst sind, dass sie den Zugang zu unseren Diensten jederzeit blockieren können", hatte Chief Legal Officer David Drummond zuvor bereits im unternehmenseigenen Blog geschrieben.

"Unerhörtes Verhalten"

Die chinesische Regierung erklärte am Dienstag, die Entscheidung Googles werde keine negativen Folgen für die Beziehungen zu den USA haben, sofern "niemand das Thema politisiert". Es handele sich um eine "Geschäftsangelegenheit", die dem Ansehen Chinas nicht schade, fügte Außenamtssprecher Qin Gang laut der Nachrichtenagentur Xinhua hinzu. Zuvor hatte sich ein für das Internet zuständiger chinesischer Behördenvertreter empört gezeigt und von einem "unerhörten Verhalten" gesprochen.

Auch die US-Regierung sprach von einer "Geschäftsentscheidung". "Am Ende haben einzelne Unternehmen Entscheidungen zu treffen, wie über Investitionsmöglichkeiten in China", sagte der Sprecher des US- Außenministeriums, Philip Crowley, in Washington. "Dies war eine Geschäftsentscheidung von Google." Die US-Regierung schätze die Wirtschaftsbeziehungen zu China. "Allerdings - wäre ich China, würde ich mir ernsthaft über die Folgen Gedanken machen, wenn eine der bekanntesten Institutionen der Welt entscheidet, dass es zu schwierig ist, in China Geschäfte zu machen", so Crowley. Die USA würden weiterhin mit Peking über die Freiheit des Internets und den freien Zugang zu Informationen sprechen.

Zensursystem

Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßte die Google-Entscheidung. "Die chinesische Regierung lehnt weiterhin ein offenes und unzensiertes Internet ab. Wir (...) hoffen, dass diese Entscheidung eine umfassende Debatte zum Thema Zensur in China auslöst", erklärte ROG. China betreibe seit Jahren das umfassendste System von Online-Zensur und -Überwachung. Das Land, das im aktuellen ROG-Bericht als einer der zwölf "Feinde des Internets" aufgelistet wird, sei mit derzeit 72 inhaftierten Bloggern und Internet-Dissidenten zudem das weltgrößte "Gefängnis für Internet-Nutzer".

Googles Streit mit China schwelt seit mehreren Wochen. Ausgangspunkt war ein breit angelegter Hacker-Angriff auf Google und etliche andere US- Unternehmen, der nach China zurückverfolgt werden konnte. Ziel der Attacken waren vor allem Menschenrechts-Aktivisten, die den Mail- Dienst von Google nutzten. Die Regierung in Peking hat stets eine Beteiligung daran abgestritten.

Konsequenzen angedroht

Im Januar kündigte der Suchmaschinen-Primus an, Pekings Zensur-Anforderungen nicht mehr befolgen zu wollen und notfalls auch einen Rückzug aus China in Kauf zu nehmen. Bei Verhandlungen hatte China Google gewarnt, der Konzern müsse mit Konsequenzen rechnen, falls er auf die vorgeschriebene Zensur verzichte.

Die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong genießt seit der Rückgabe an China 1997 Sonderrechte, die sich auch in liberaleren Gesetzen niederschlagen. Das Ausweichen bedeutet aber nicht unbedingt ein Ende der Zensur. Denn die Machthaber verfügen über ein ausgeklügeltes Filtersystem, das außerhalb Chinas als "Great Firewall" bezeichnet wird. Mit dieser Infrastruktur könnte Peking das Suchportal in Hongkong vollständig von Nutzern in der Volksrepublik abschneiden. Zudem dürften die Zensoren auch den Datenverkehr filtern.

Filtervorgaben

Die kommunistische Regierung verlangt von westlichen Internet-Unternehmen, dass sie zum Beispiel Informationen über Tibet oder die blutige Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 herausfiltern. Das Online-Lexikon Wikipedia und Portale von Menschenrechtsorganisationen sind generell gesperrt. Auch die im Westen populären Online-Netzwerke Facebook und Twitter sowie Googles Videoportal YouTube blockiert China.

Der chinesische Internet-Markt gilt mit seinen fast 400 Millionen Nutzern als äußerst lukrativ. Google, mit Abstand der weltweite Marktführer, hat dort jedoch einen schweren Stand. Das Unternehmen startete in China relativ spät und liegt deutlich hinter dem chinesischen Konkurrenten Baidu.com zurück.

Experten rechnen damit, dass viele Chinesen nun auf Baidu umsteigen werden. Das macht das Unternehmen - bereits Marktführer in der Volksrepublik - für Börsianer interessanter. Die einflussreiche Investmentbank Goldman Sachs empfiehlt, die Aktie zu kaufen, und erhöhte am Dienstag ihr Kursziel von 575 auf 675 Dollar. (dpa/tc)