Kolumne

Go, Gerstner, go fragt sich nur, wohin

07.05.1993

Es gibt keine "schnelle Loesung der IBM-Probleme", sagte der neue IBM-Chef Louis Gerstner der Aktionaersversammlung (Seite 5). Mit seinem Massnahmenkatalog (Personalabbau, Struktur- und Organisationsaenderungen, Kundenorientierung) mueht sich der Branchenneuling um den Nachweis, dass das von seinem Vorgaenger John Akers ausgearbeitete Sanierungsprogramm so schlecht nicht sein koenne. Man kann also davon ausgehen, dass Gerstner ganz andere Dinge vorhat, Sachen, ueber die er noch nicht sprechen will. Warum sonst waere er geholt worden? Dass die Bestellung Gerstners eine Schnapsidee des externen IBM-Kontrollorgans war, sollte man zugunsten des Ex-Nabisco- Managers nicht vorschnell feststellen.

Wichtig fuer die IBM-Anwender ist ohnehin nur, auf welche Veraenderungen sie sich an der Schnittstelle zu ihrem Lieferanten einstellen muessen. Wer in den letzten Wochen und Monaten die Diskussion in der IBM-Welt ueber die richtige Unternehmensgroesse verfolgt hat, findet Gruende fuer die Vermutung, dass Big Blue autonome Einheiten, sogenannte Business Units (BUs), als Heilsbringer sieht. Nur soll sich auf der Vertriebsseite (One face to the customer) nichts aendern. Der verbohrteste IBM-Marketier muesste begreifen, dass das eine, naemlich ein profitables Spartengeschaeft, - wenn ueberhaupt - ohne das andere nicht zu haben ist: eine nach Produkt- oder Geschaeftsbereichen unterteilte Vertriebsorganisation. Geraten kuenftig beim Kunden die einzelnen IBM-VBs aneinander?

Aehnliche Befuerchtungen aeussern die in der Benutzervereinigung Save organisierten SNI-Anwender (Seite 1). Auch die Computertochter von Siemens wird nach Sparten neu strukturiert. Doch zurueck zu IBM. Gerstner weiss wohl, dass er sich mit einer Unternehmenspolitik, die die Voraussetzungen fuer ein derartiges Vertriebssplitting schafft, gehoerig vergaloppieren wuerde. Es gibt kein gesondertes Vertriebsproblem. Das ganze BU- und Profit-Center-Gerede erweist sich als Ablenkungsmanoever. Es geht um Personen und Produkte - und um Verlaesslichkeit.

Ob ein Unternehmen als vertrauenswuerdig gilt, hat nichts mit seiner Form und Groesse zu tun. Verlaesslichkeit kann nur vermitteln, wer von dem ueberzeugt ist, was er tut - wer dazu steht, auch wenn er vielleicht vom Markt verlacht wird. So ist auch proklamierte Kundenorientierung nur ein Zeichen der Schwaeche, fuer deren Behebung sie sich ausgibt. Der Satz vom richtigen Produkt zum richtigen Zeitpunkt ist dagegen ernst zu nehmen. Und nicht zuletzt haengt die Wettbewerbsfaehigkeit von den Mitarbeitern ab. Gerstner wird um die Feststellung nicht herumkommen: Die IBMer und die IBM- Produkte sind einfach nicht gut genug. In Business Units arbeitende IBMer sind keine besseren IBMer. Gerstners Problem: woher nehmen?