Wesentliche Erkenntnisse zur Werkzeug-Integration:

GMD-Projekt Unibase zeigt erste Ergebnisse

18.11.1988

BIRLINGHOVEN - Projektabschluß bei Unibase: Nach vier Jahren geht das vom BMFT mitgeförderte Projekt zur Entwicklung einer Software-Engineering- und Produktionsumgebung termingerecht zum 31. Dezember zu Ende. Eine perfekte Lösung der Aufgabenstellung wurde zwar nicht erreicht, aber die Ergebnisse können sich sehen lassen, so ein erstes Fazit.

"Wir würden solch ein Projekt jederzeit wieder in Angriff nehmen", meint nicht nur Prof. Gerhard Goos von der GMD (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung). Im Einklang mit dieser Äußerung stehen Stimmen von Industrievertretern, die an diesem Projekt beteiligt waren.

Das Verbundprojekt wurde 1985 mit der Zielvorstellung begonnen, leistungsstarke Methoden und Werkzeuge zur Unterstützung der Software-Entwicklung zu konzipieren und in eine Produktionsumgebung zu integrieren.

An Unibase beteiligten sich vier industrielle und vier wissenschaftliche Einrichtungen (Actis GmbH Berlin; ADV/Orga, Wilhelmshaven; FZI Forschungszentrum Informatik an der Uni Karlsruhe; GMD, Schloß Birlinghoven/Sankt Augustin; IABG GmbH, Ottobrunn; MBP GmbH, Dortmund; TU Berlin und ZGDV Zentrum für Graphische Datenverarbeitung e.V., Darmstadt).

Als Ergebnisse benennen die Projektmitarbeiter die Erstellung eines Gesamtmodelles für Software-Produktionsumgebungen, Basiskomponenten einer solchen Umgebung sowie konkrete Werkzeuge zur Unterstützung konstruktiver und analytischer Arbeiten bei der Erstellung komplexer Softwaresysteme. Darüber hinaus, so schildert Goos, wurden wesentliche Erkenntnisse hinsichtlich der Problematik der Werkzeugintegration oder der Bedeutung der Standardisierung gewonnen.

Bei der Bewertung der Ergebnisse müsse man sich die Situation und den Erkenntnisstand des Jahres 1984 vergegenwärtigen, meint Goos. So setze beispielsweise Unibase auf dem Grafikstandard GEM auf, da von X-Windows damals fast noch nicht die Rede war. Hieran allerdings werde jetzt gearbeitet.

Immerhin, so die übereinstimmende Aussage von Industrie und Forschung, seien nahezu 70 Prozent der entwickelten Tools und Methoden bereits im Prozeß der Vermarktung, kämen also direkt der Praxis zugute.

Wichtig für die zukünftige Arbeit im Bereich des Software-Engineering seien aber vor allem die allgemeinen Erkenntnisse, die aus der Beteiligung an diesem Projekt gezogen werden könnten, hieß es auf der Abschlußkonferenz in Schloß Birlinghoven, dem GMD-Sitz. So sei beispielsweise die Kombination von Methoden für

Management-, Entwicklungs- und Verwaltungsaufgaben als Fragestellung erst in heutiger Zeit aufgetaucht.

Was die Qualität der zu entwickelnden Methoden und Werkzeuge

angehe, seien sich zwar alle Teilnehmer der Aufgabe bewußt gewesen, der Aufwand an Manpower indes wurde nicht immer richtig eingeschätzt.

Der Standardisierung von Schnittstellen auf Werkzeug- und Produktebene komme in der Zukunft, so Goos, eine immer größere Rolle zu, die bislang zwar von der Industrie nicht aber in dem benötigten Ausmaß von den Universitäten erkannt worden sei. Standardisierung sei dabei nicht so sehr ein technisches Problem, als vielmehr ein sozialer Prozeß der Einigung auf eine vorhandene Lösung.

Goos kritisiert in diesem Zusammenhang die Tendenz, Kapazität in doppelter Problemlösung zu binden, da die Frage nach "gut" oder "besser" als solcher kein objektiver Maßstab sei.

Als zu hoch wird immer noch der Schulungsaufwand bemessen, der zur Einführung von Methoden und Werkzeugen auf Anwenderseite zu betreiben sei. Aber hier wird nicht nur den Entwicklern durch ihre Produktgestaltung der Schwarze Peter zugeschoben, sondern auch den Anwendern selbst, die häufig mentale Sperren gegenüber neuen Produkten aufbauen.

Eine der wichtigsten Aufgaben, die sich zu Projektanfang stellten, bestand in der Verwaltung der Projektdokumentation als solcher. Die einheitliche Schnittstelle war deshalb 1985 ebenso Gegenstand der Dokumentation wie die gemeinsame Benutzeroberfläche.

Man habe sich grundsätzlich die Aufgaben geteilt, schildert Goos, wobei a priori der Industrie Fragestellungen beispielsweise des Projektmanagements zukamen, dem universitären Bereich hingegen solche der Benutzeroberfläche. In Iterationszyklen wurde dann Erfahrungsaustausch betrieben - die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschung gilt als zufriedenstellend.

Aus dieser Aufgabenverteilung resultieren die Ergebnisse, die Unibase in Form verschiedener Produkte vorzuweisen hat. Die Benutzeroberfläche "Theseus" (ZGDV), das Datenbanksystem "Damokles" (FZI) sowie die Konfigurationsverwaltung "Shape" (TUB) sind dem infrastrukturellen Bereich zuzuordnen, der von den Forschungspartnern erarbeitet wurde. Aus der Industrie stammen die Fachkonzeption "ISAC" (Actis), die DV-Konzeption "Animos" (ADV/Orga), die DV-Realisierung "Moses" (IABG - sie wurde für Unibase neu gefaßt und erweitert) sowie von MBP "MBP-Edit" als Cobol-Editor und "MBP-Büro" zur Rechnerkommunikation.

Nach diesen Ergebnissen stellt sich für die Beteiligten die große Frage nach der Finanzierung solcher Projekte für die Zukunft. Wie üblich sei der vorgegebene finanzielle Rahmen insbesondere für die Forschungseinrichtungen zu eng gewesen, bemängelt Goos. Die Kosten für Unibase beliefen sich auf 54 Millionen Mark, von denen 30 Millionen das Bundesministerium für Forschung und Technologie getragen hat.

Die beteiligten Unternehmen jedoch wollen ihre Erfolge auch - wo möglich - in Zukunft weiter gemeinsam nutzen.

Horst-Joachim Hoffmann ist freier Mitarbeiter der COMPUTERWOCHE