Muenchner Kreis diskutiert ueber zukuenftige Anbieterszenarien

Globaler Wettbewerb vertraegt keine gaenzliche Deregulierung

06.05.1994

MUENCHEN - Die Zeit der grossen Partnersuche ist vorueber; nun geht es darum, sich mit Hilfe der jeweils geschmiedeten Allianzen dem globalen Wettbewerb in Sachen Telekommunikation zu stellen. Dies ist das Fazit des diesjaehrigen TK-Kongresses des Muenchner Kreises, bei dem Vertreter aller namhaften Carrier und Netzbetreiber ueber zukuenftige Anbieterszenarien diskutierten. Auf ein Mindestmass an Regulierung wird man dabei allerdings, so der fast einhellige Tenor, nicht verzichten koennen.

"Global Players in Telecommunications" lautete in diesem Jahr das Motto des traditionellen, vom Muenchner Kreis veranstalteten TK- Kongresses, bei dem sich die gesamte Prominenz der Branche ein Stelldichein gab. Gruende fuer die Brisanz des Themas sind denn auch genuegend vorhanden; in erster Linie weil sich (zumindest in Europa) einstmals unangefochtene Monopolisten langsam, aber sicher dem internationalen Wettbewerb und dabei vor allem der aggressiven Konkurrenz aus Uebersee stellen muessen. Hinzu kommen die anhaltend optimistischen Prognosen der Marktforscher, die in naher Zukunft von exorbitanten Wachstumsraten im globalen Geschaeft mit TK- und Netzdiensten ausgehen. Zwei aktuelle Erhebungen scheinen dies zu bestaetigen: So stieg nach ITU-Angaben der internationale Telefonverkehr in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 17 Prozent. Gleichzeitig erreichte 1993 der Weltmarkt fuer TK- Dienste und -Equipment ein Volumen von mehr als 510 Milliarden Dollar (Quelle: Omsyc).

Die internationale TK-Szene sei in den vergangenen Jahren von einem "Allianzfieber" gepraegt gewesen, fasste Telekom- Vorstandsvorsitzender Helmut Ricke die juengste Entwicklung zusammen. Nun gelte es, aufgrund der besonderen Situation - einerseits steht man in einem harten Wettbewerb zueinander, andererseits muss man neue Partnerschaften pflegen - "entsprechendes Fingerspitzengefuehl zu entwickeln". Unabhaengig davon waeren, so Ricke, internationale Kooperationen fuer die Telekom eine "conditio sine qua non". Ziel der Telekom sei es, einer "der fuehrenden Global Player auf dem Weltmarkt zu werden", betonte der Telekom-Chef erneut. Um dies zu erreichen, seien Kooperationen zwingend notwendig, attestierte Rickes Pendant auf franzoesischer Seite, France-Telecom-Praesident Marcel Roulet. Wer dies nicht wolle, muesse sich "als Nischenanbieter zurueckziehen oder rein regional taetig werden".

Dass strategische Buendnisse wie zwischen Telekom und France Telecom, BT und MCI oder dem Unisource-Konsortium (bestehend aus der niederlaendischen und Schweizer PTT sowie der schwedischen Telia AB) mittlerweile auch Bedenken hervorrufen, wurde auf der Muenchner-Kreis-Veranstaltung ebenfalls deutlich. So warf Felix Rosenberg, Generaldirektor der Schweizer PTT, die Frage auf, ob mit der Bildung solcher Allianzen nicht eine Abloesung der Monopole durch gut funktionierende Kartelle erfolge.

Freier Wettbewerb in deregulierten TK-Maerkten loest zudem, wie immer mehr Experten befuerchten, nicht die Probleme, sondern schafft vielmehr neue. So koennte etwa angesichts zukuenftiger Multimedia-Anwendungsszenarien die Sicherung eines universellen Informationszuganges, die Harmonisierung unterschiedlicher Standards von DV-, TK- und Unterhaltungsindustrie sowie - daraus resultierend - eine Zentralisierung entsprechender Normierungsgremien unabdingbar werden. Eine Forderung, die zumindest bei Telekom-Chef Helmut Ricke Anklang fand, der vor einer uebertriebenen Deregulierung warnte und sich fuer eine europaweite Regulierungsbehoerde einsetzte. "Mein Trauma ist, dass die TK-Branche im Jahre 2005 aehnliche Konturen haben koennte wie derzeit die internationale Luftfahrt", machte Ricke deutlich.