Minicomputer-Verbundnetze:

Gleichberechtigung ist eine Protokollfrage

18.06.1976

Wieder einmal bestätigt es sich: Gute Ideen allein genügen im Bereich der Datenverarbeitung nicht - es sei denn, der Marktführer hat sich damit bereits beschäftigt oder gar ein ähnliches System oder Konzept in Vorbereitung. So geschieht es derzeit bei Minicomputer-Netzsystemen, ob nun "Distributed Processing" darin eingeschlossen ist oder nicht.

Damit Minicomputer an Datenfernverarbeitung teilnehmen können, müssen sie eine ganze Reihe von Voraussetzungen erfüllen. Die wichtigste ist, daß sie in der Lage sein müssen, einen geordneten Dialogverkehr mit ihrem jeweiligen Partner durchzuführen. Dieser Dialogverkehr beruht auf der Einhaltung ganz bestimmter Regeln, den sogenannten Protokollen oder Prozeduren. Für die Punkt-zu-Punkt-Verbindung ist eine solche Prozedur relativ einfach, denn es braucht keine Adresse mitgeschickt zu werden: Das, was bei einem "Minicomputer-Terminal" ankommt, ist nur für dieses selbst bestimmt. Ähnlich sind die Verhältnisse bei den sogenannten Punkt-zu-Multipunkt-Verbindungen. Hier stehen ankommende Informationen einem bestimmten Terminal innerhalb genau definierter Zeitraster zur Verfügung.

PDCMP kontra SDLC

Da bisher nur Prozeduren verfügbar waren, die Punkt-zu-Punkt- oder Multipunkt-zu-Punkt-Betrieb erlaubten, waren auch nur hierarchische Netze möglich, die mit der Sternstruktur arbeiteten.

Es sei dahingestellt, welcher Hersteller als erster eine Prozedur schuf, die für gleichberechtigte Partner im Netz geeignet ist. Doch ist unter Netzwerk-Spezialisten unumstritten, daß Digital Equipment mit seinem DEC-Net-Datenübertragungssystem und der Prozedur PDCMP zum Durchbruch dieser Idee beigetragen hat, wobei dieser Hersteller zweifellos von den Erfahrungen mit dem Arpa-Netz profitierte, an dem nahezu die gesamtamerikanische Computerintelligenz "hängt".

IBM präsentiert mit SNA (System Net Architecture) ein Konzept, das, ähnlich dem DEC-Net, den Verkehr von gleichrangigen Computersystemen erlauben soll. Grundlage ist die SDLC-Prozedur (Synchronous Data Link Control). Alle Netzkomponenten, Computer und Terminals, sollen diese Prozedur eines Tages beherrschen, um damit beliebige Netze strukturieren zu können.

Die konsequente Folge dürfte sein, daß auch unabhängige Hersteller diese Prozedur anbieten müssen. Denn das Ziel, mit IBM-Systemen zu arbeiten und möglicherweise IBM-Peripherie zu ersetzen, ist bekanntlich eines ihrer wichtigsten Marktziele.

Einheitlicher Code-Rahmen

In Europa haben sich die Standardisierungs-Institutionen ISO und ECMA zu einem ähnlichen Protokoll-Standard unter dem Namen, HDLC (High Level Data Link Control Procedures) durchgerungen.

In beiden Prozeduren (HDLC und SDLC) ist das Basis-Element ein in ganz bestimmter Weise aufgebauter Code-Rahmen, der bei beiden identisch ist. Unterschiede bestehen in der Art und Weise, in der Kontroll- und Check-Feld interpretiert werden.

Da jeder Rahmen im Kopf die Adresse der Station mitführt, für die er bestimmt ist, werden die Nachrichten einfach auf ein Leitungssystem gegeben, an das alle möglichen Empfänger angeschlossen sind. Mit dieser Grundvoraussetzung ist es nun möglich, beliebige Netze zu konfigurieren.

Das Ende der Teletypes?

In den genannten Prozeduren ist es möglich, Bits so zu setzen, daß auch Punkt-zu-Punkt- oder auch Punkt-zu-Multipunkt-Verfahren abgedeckt werden, das heißt, die neuen Prozeduren funktionsmäßig, nicht aber elektrisch und signalmäßig die alten Prozeduren ab. Die Konsequenzen daraus sind, daß alle Geräte vom Markt verschwinden, die sich nicht auf die neuen Prozeduren umstellen lassen - das bedeutet im Prinzip das Ende der "Hackmaschine" vom Typ Teletype.

Die Terminal-Hersteller haben sich bereits darauf eingestellt. Auf die Frage, welche Prozeduren sie denn bedienen können, war auf der Hannover-Messe zu hören: "Im Prinzip alle. Wir müssen da nur ein anderes PROM einschieben."

Bleibt zu fragen, ob dieses PROM schon vorhanden ist, oder ob man erst in dem Moment mit Entwicklungs- und Experimentierarbeit beginnt, wenn ein Auftraggeber in Sich ist.

Dieses Problem ist bei Minicomputern insofern entschärft, als die entsprechende Prozedur auch softwaremäßig realisiert werden kann.

Christoph Heitz ist freier Fachjournalist.